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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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und Landhäusern.
Seiten eine vollkommene Gleichheit haben, und in gerader Linie sich nach dem Thore
oder Zugang ziehen. Ein gänzlicher Mangel von Regelmäßigkeit würde hier be-
fremden. Denn ein Gebäude ist ein so wichtiger Gegenstand auf dem Platze, daß es
berechtigt ist, den Einfluß seiner Symmetrie auch in die angränzenden Theile auszu-
breiten, die noch außer dem Gebiete der Gartenkunst liegen. Selbst die Bildhauer-
kunst, die von der Architektur, zur Verzierung des Innern und der Außenseiten der
Gebäude, als eine gefällige Gehülsinn herbeygerufen wird, darf sich auf den Plätzen
zeigen, die Lustschlösser, prächtige und edle Landhäuser umgeben. Sie darf sie mit
Statüen, mit Blumengefäßen, und andern schicklichen Werken zieren, und diese
Verzierung so weit fortsetzen, als die Verbindung des Platzes mit dem Gebäude über-
sehen werden kann. Sie darf sich selbst mit einzelnen Werken bis an das Gebiete
des Gartens verlieren, wo die Natur, an deren Werke sich keine Kunst weiter wa-
gen darf, anfängt ihre Scenen ohne Regelmäßigkeit zu eröffnen. -- In England
tritt man oft aus einem Palaste voll Marmor, Gemälden und Gold, auf einmal in
eine wilde Gegend. Dieser Uebergang von der höchsten Pracht der Kunst zu der
nachläßigen Einfalt der Natur ist zu plötzlich. Der Zwischenraum, der zwischen
beyden Enden liegt, sollte durch gegenseitige Verbindungen von Stufe zu Stufe mehr
zusammengezogen seyn. Es ist mehr dem Lauf unserer Ideen gemäß, wenn wir bey
dem allmähligen Zurückweichen der Kunst nach und nach in die angenehme Unordnung
der Natur hineinirren.

Man pflegte die Vorplätze vor Landhäusern mit Orangen und Springbrunnen
zu bereichern. Sie tragen allerdings zur Anmuth und zur Kühlung bey, und Fon-
tainen, wenn sie nur nicht mit der gewöhnlichen widrigen oder unschicklichen Verzie-
rung verunstaltet sind, können als Werke der Kunst nahe vor einem Gebäude immer
Platz haben. Doch vielleicht macht der vormals gar zu allgemeine Gebrauch dieser
Auszierungen der Vorplätze, daß man sie jetzt weniger liebt. In heißen Ländern,
wo die Springbrunnen ihren Ursprung genommen, und wo sie noch am häufigsten
angetroffen werden, besonders in Italien und Spanien, sind sie eine Art von Be-
dürfniß, das die nördlichen Reiche nicht kennen.

Die zunächst vor Lustschlössern und Landhäusern liegenden Plätze müssen eben so
wenig durch Hecken und Alleen, als durch Gebäude versperrt werden, so gewöhnlich
es auch ist, sich durch Vorlagen dieser Art, besonders durch hohe und dickbelaubte
Bäume, einzukerkern. Diese, die nicht allein die Luft dumpfig machen, sondern
auch das Ungeziefer, das sie nähren, in die Zimmer bringen, rauben zugleich Land-
häusern einen ihrer ersten Vorzüge, die Freyheit der Aussicht. Umzäunungen, wie

diese
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und Landhaͤuſern.
Seiten eine vollkommene Gleichheit haben, und in gerader Linie ſich nach dem Thore
oder Zugang ziehen. Ein gaͤnzlicher Mangel von Regelmaͤßigkeit wuͤrde hier be-
fremden. Denn ein Gebaͤude iſt ein ſo wichtiger Gegenſtand auf dem Platze, daß es
berechtigt iſt, den Einfluß ſeiner Symmetrie auch in die angraͤnzenden Theile auszu-
breiten, die noch außer dem Gebiete der Gartenkunſt liegen. Selbſt die Bildhauer-
kunſt, die von der Architektur, zur Verzierung des Innern und der Außenſeiten der
Gebaͤude, als eine gefaͤllige Gehuͤlſinn herbeygerufen wird, darf ſich auf den Plaͤtzen
zeigen, die Luſtſchloͤſſer, praͤchtige und edle Landhaͤuſer umgeben. Sie darf ſie mit
Statuͤen, mit Blumengefaͤßen, und andern ſchicklichen Werken zieren, und dieſe
Verzierung ſo weit fortſetzen, als die Verbindung des Platzes mit dem Gebaͤude uͤber-
ſehen werden kann. Sie darf ſich ſelbſt mit einzelnen Werken bis an das Gebiete
des Gartens verlieren, wo die Natur, an deren Werke ſich keine Kunſt weiter wa-
gen darf, anfaͤngt ihre Scenen ohne Regelmaͤßigkeit zu eroͤffnen. — In England
tritt man oft aus einem Palaſte voll Marmor, Gemaͤlden und Gold, auf einmal in
eine wilde Gegend. Dieſer Uebergang von der hoͤchſten Pracht der Kunſt zu der
nachlaͤßigen Einfalt der Natur iſt zu ploͤtzlich. Der Zwiſchenraum, der zwiſchen
beyden Enden liegt, ſollte durch gegenſeitige Verbindungen von Stufe zu Stufe mehr
zuſammengezogen ſeyn. Es iſt mehr dem Lauf unſerer Ideen gemaͤß, wenn wir bey
dem allmaͤhligen Zuruͤckweichen der Kunſt nach und nach in die angenehme Unordnung
der Natur hineinirren.

Man pflegte die Vorplaͤtze vor Landhaͤuſern mit Orangen und Springbrunnen
zu bereichern. Sie tragen allerdings zur Anmuth und zur Kuͤhlung bey, und Fon-
tainen, wenn ſie nur nicht mit der gewoͤhnlichen widrigen oder unſchicklichen Verzie-
rung verunſtaltet ſind, koͤnnen als Werke der Kunſt nahe vor einem Gebaͤude immer
Platz haben. Doch vielleicht macht der vormals gar zu allgemeine Gebrauch dieſer
Auszierungen der Vorplaͤtze, daß man ſie jetzt weniger liebt. In heißen Laͤndern,
wo die Springbrunnen ihren Urſprung genommen, und wo ſie noch am haͤufigſten
angetroffen werden, beſonders in Italien und Spanien, ſind ſie eine Art von Be-
duͤrfniß, das die noͤrdlichen Reiche nicht kennen.

Die zunaͤchſt vor Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern liegenden Plaͤtze muͤſſen eben ſo
wenig durch Hecken und Alleen, als durch Gebaͤude verſperrt werden, ſo gewoͤhnlich
es auch iſt, ſich durch Vorlagen dieſer Art, beſonders durch hohe und dickbelaubte
Baͤume, einzukerkern. Dieſe, die nicht allein die Luft dumpfig machen, ſondern
auch das Ungeziefer, das ſie naͤhren, in die Zimmer bringen, rauben zugleich Land-
haͤuſern einen ihrer erſten Vorzuͤge, die Freyheit der Ausſicht. Umzaͤunungen, wie

dieſe
B 3
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[13/0017] und Landhaͤuſern. Seiten eine vollkommene Gleichheit haben, und in gerader Linie ſich nach dem Thore oder Zugang ziehen. Ein gaͤnzlicher Mangel von Regelmaͤßigkeit wuͤrde hier be- fremden. Denn ein Gebaͤude iſt ein ſo wichtiger Gegenſtand auf dem Platze, daß es berechtigt iſt, den Einfluß ſeiner Symmetrie auch in die angraͤnzenden Theile auszu- breiten, die noch außer dem Gebiete der Gartenkunſt liegen. Selbſt die Bildhauer- kunſt, die von der Architektur, zur Verzierung des Innern und der Außenſeiten der Gebaͤude, als eine gefaͤllige Gehuͤlſinn herbeygerufen wird, darf ſich auf den Plaͤtzen zeigen, die Luſtſchloͤſſer, praͤchtige und edle Landhaͤuſer umgeben. Sie darf ſie mit Statuͤen, mit Blumengefaͤßen, und andern ſchicklichen Werken zieren, und dieſe Verzierung ſo weit fortſetzen, als die Verbindung des Platzes mit dem Gebaͤude uͤber- ſehen werden kann. Sie darf ſich ſelbſt mit einzelnen Werken bis an das Gebiete des Gartens verlieren, wo die Natur, an deren Werke ſich keine Kunſt weiter wa- gen darf, anfaͤngt ihre Scenen ohne Regelmaͤßigkeit zu eroͤffnen. — In England tritt man oft aus einem Palaſte voll Marmor, Gemaͤlden und Gold, auf einmal in eine wilde Gegend. Dieſer Uebergang von der hoͤchſten Pracht der Kunſt zu der nachlaͤßigen Einfalt der Natur iſt zu ploͤtzlich. Der Zwiſchenraum, der zwiſchen beyden Enden liegt, ſollte durch gegenſeitige Verbindungen von Stufe zu Stufe mehr zuſammengezogen ſeyn. Es iſt mehr dem Lauf unſerer Ideen gemaͤß, wenn wir bey dem allmaͤhligen Zuruͤckweichen der Kunſt nach und nach in die angenehme Unordnung der Natur hineinirren. Man pflegte die Vorplaͤtze vor Landhaͤuſern mit Orangen und Springbrunnen zu bereichern. Sie tragen allerdings zur Anmuth und zur Kuͤhlung bey, und Fon- tainen, wenn ſie nur nicht mit der gewoͤhnlichen widrigen oder unſchicklichen Verzie- rung verunſtaltet ſind, koͤnnen als Werke der Kunſt nahe vor einem Gebaͤude immer Platz haben. Doch vielleicht macht der vormals gar zu allgemeine Gebrauch dieſer Auszierungen der Vorplaͤtze, daß man ſie jetzt weniger liebt. In heißen Laͤndern, wo die Springbrunnen ihren Urſprung genommen, und wo ſie noch am haͤufigſten angetroffen werden, beſonders in Italien und Spanien, ſind ſie eine Art von Be- duͤrfniß, das die noͤrdlichen Reiche nicht kennen. Die zunaͤchſt vor Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern liegenden Plaͤtze muͤſſen eben ſo wenig durch Hecken und Alleen, als durch Gebaͤude verſperrt werden, ſo gewoͤhnlich es auch iſt, ſich durch Vorlagen dieſer Art, beſonders durch hohe und dickbelaubte Baͤume, einzukerkern. Dieſe, die nicht allein die Luft dumpfig machen, ſondern auch das Ungeziefer, das ſie naͤhren, in die Zimmer bringen, rauben zugleich Land- haͤuſern einen ihrer erſten Vorzuͤge, die Freyheit der Ausſicht. Umzaͤunungen, wie dieſe B 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/17>, abgerufen am 28.03.2024.