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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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I.
Friedensburg.
[Spaltenumbruch] *)

Die Ehrfurcht, womit man sich den Wohnungen der Könige nähert, hat zu Frie-
densburg
ein seltenes Vorrecht; sie darf mit der natürlichen Freyheit des Le-
bens vereinigt bleiben. Kein steifes Ceremoniel, kein sclavischer Zwang fordert hier
Verstellung oder Verläugnung. Die Ehrerbietung und der Anstand folgen blos den
Gesetzen der Natur, und die Feinheit der Sitten wird von dem guten Geschmack gelei-
tet. Man ist hier frey und heiter, wie die schöne Landschaft, die ringsumher reizt.
Der Hof hat nur Würde, kein leeres Gepränge. Er hat keine Leibwache, aber die
Liebe des Volks, das ihn mit vergnügten Blicken umringt. Der Unterthan aus den
entferntesten Gegenden glaubt hier noch in seiner Heimath zu verweilen; und der Frem-
de fängt an, sein Vaterland nicht mehr zu vermissen. Die Heiterkeit des Geistes und
die anständige Freyheit der Sitten, die hier überall herrschen, sind natürlich; denn sie
sind Wirkungen der mildesten Monarchie und der persönlichen Leutseligkeit der
Königlichen Herrschaften.

Friedensburg ist sowohl des Sommeraufenthalts des Hofes, als auch der
mannichfaltigen Schönheiten der Natur, und der Anlagen des ausgebreiteten Gartens
wegen, das erste der Königl. Lustschlösser. Zwar genießt es nach seiner Lage nicht,
wie Marienlust, Sophienberg, Charlottenlund, Friedrichsberg, der herrli-
chen Aussichten auf das Meer; allein es hat dafür einen Reichthum von abwechseln-
den Annehmlichkeiten der ländlichen Natur. Die Gegend umher trägt das reizende
Gepräge der Fruchtbarkeit und der Cultur; die schönsten Wälder, in deren weiten
Zwischenräumen Kornfluren und Wiesen ruhen, erheben von allen Seiten ihre stolzen
Häupter; und von Norden nach Westen wallet in der Tiefe zwischen grünen Anhöhen
und Waldungen der ausgebreitete Essomersee.

Diese Gegend verdiente es, von Friedrich dem Vierten zuerst zum Auf-
enthalt gewählt zu werden. Er vollendete den Bau des Schlosses in dem Jahre 1720,
als hier der Friede mit Schweden unterschrieben ward, und gab ihm den Namen
von einer Begebenheit, die für das Herz eines Königs, der Vater seiner Völker ist,
mehr als hundert Eroberungen gilt. Das Monument auf dem Schloßplatze ist zu-
gleich ein Ehrendenkmal für Könige, die den Frieden lieben. An einer mit Kränzen

gezierten
*) Dieses Königl. Lustschloß gehört Ih-
ro Majestät der verwitweten Königinn
[Spaltenumbruch] Juliana Maria, und liegt fünf Meilen
von Copenhagen.
Y 2


I.
Friedensburg.
[Spaltenumbruch] *)

Die Ehrfurcht, womit man ſich den Wohnungen der Koͤnige naͤhert, hat zu Frie-
densburg
ein ſeltenes Vorrecht; ſie darf mit der natuͤrlichen Freyheit des Le-
bens vereinigt bleiben. Kein ſteifes Ceremoniel, kein ſclaviſcher Zwang fordert hier
Verſtellung oder Verlaͤugnung. Die Ehrerbietung und der Anſtand folgen blos den
Geſetzen der Natur, und die Feinheit der Sitten wird von dem guten Geſchmack gelei-
tet. Man iſt hier frey und heiter, wie die ſchoͤne Landſchaft, die ringsumher reizt.
Der Hof hat nur Wuͤrde, kein leeres Gepraͤnge. Er hat keine Leibwache, aber die
Liebe des Volks, das ihn mit vergnuͤgten Blicken umringt. Der Unterthan aus den
entfernteſten Gegenden glaubt hier noch in ſeiner Heimath zu verweilen; und der Frem-
de faͤngt an, ſein Vaterland nicht mehr zu vermiſſen. Die Heiterkeit des Geiſtes und
die anſtaͤndige Freyheit der Sitten, die hier uͤberall herrſchen, ſind natuͤrlich; denn ſie
ſind Wirkungen der mildeſten Monarchie und der perſoͤnlichen Leutſeligkeit der
Koͤniglichen Herrſchaften.

Friedensburg iſt ſowohl des Sommeraufenthalts des Hofes, als auch der
mannichfaltigen Schoͤnheiten der Natur, und der Anlagen des ausgebreiteten Gartens
wegen, das erſte der Koͤnigl. Luſtſchloͤſſer. Zwar genießt es nach ſeiner Lage nicht,
wie Marienluſt, Sophienberg, Charlottenlund, Friedrichsberg, der herrli-
chen Ausſichten auf das Meer; allein es hat dafuͤr einen Reichthum von abwechſeln-
den Annehmlichkeiten der laͤndlichen Natur. Die Gegend umher traͤgt das reizende
Gepraͤge der Fruchtbarkeit und der Cultur; die ſchoͤnſten Waͤlder, in deren weiten
Zwiſchenraͤumen Kornfluren und Wieſen ruhen, erheben von allen Seiten ihre ſtolzen
Haͤupter; und von Norden nach Weſten wallet in der Tiefe zwiſchen gruͤnen Anhoͤhen
und Waldungen der ausgebreitete Eſſomerſee.

Dieſe Gegend verdiente es, von Friedrich dem Vierten zuerſt zum Auf-
enthalt gewaͤhlt zu werden. Er vollendete den Bau des Schloſſes in dem Jahre 1720,
als hier der Friede mit Schweden unterſchrieben ward, und gab ihm den Namen
von einer Begebenheit, die fuͤr das Herz eines Koͤnigs, der Vater ſeiner Voͤlker iſt,
mehr als hundert Eroberungen gilt. Das Monument auf dem Schloßplatze iſt zu-
gleich ein Ehrendenkmal fuͤr Koͤnige, die den Frieden lieben. An einer mit Kraͤnzen

gezierten
*) Dieſes Koͤnigl. Luſtſchloß gehoͤrt Ih-
ro Majeſtaͤt der verwitweten Koͤniginn
[Spaltenumbruch] Juliana Maria, und liegt fuͤnf Meilen
von Copenhagen.
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[171/0182] I. Friedensburg. *) Die Ehrfurcht, womit man ſich den Wohnungen der Koͤnige naͤhert, hat zu Frie- densburg ein ſeltenes Vorrecht; ſie darf mit der natuͤrlichen Freyheit des Le- bens vereinigt bleiben. Kein ſteifes Ceremoniel, kein ſclaviſcher Zwang fordert hier Verſtellung oder Verlaͤugnung. Die Ehrerbietung und der Anſtand folgen blos den Geſetzen der Natur, und die Feinheit der Sitten wird von dem guten Geſchmack gelei- tet. Man iſt hier frey und heiter, wie die ſchoͤne Landſchaft, die ringsumher reizt. Der Hof hat nur Wuͤrde, kein leeres Gepraͤnge. Er hat keine Leibwache, aber die Liebe des Volks, das ihn mit vergnuͤgten Blicken umringt. Der Unterthan aus den entfernteſten Gegenden glaubt hier noch in ſeiner Heimath zu verweilen; und der Frem- de faͤngt an, ſein Vaterland nicht mehr zu vermiſſen. Die Heiterkeit des Geiſtes und die anſtaͤndige Freyheit der Sitten, die hier uͤberall herrſchen, ſind natuͤrlich; denn ſie ſind Wirkungen der mildeſten Monarchie und der perſoͤnlichen Leutſeligkeit der Koͤniglichen Herrſchaften. Friedensburg iſt ſowohl des Sommeraufenthalts des Hofes, als auch der mannichfaltigen Schoͤnheiten der Natur, und der Anlagen des ausgebreiteten Gartens wegen, das erſte der Koͤnigl. Luſtſchloͤſſer. Zwar genießt es nach ſeiner Lage nicht, wie Marienluſt, Sophienberg, Charlottenlund, Friedrichsberg, der herrli- chen Ausſichten auf das Meer; allein es hat dafuͤr einen Reichthum von abwechſeln- den Annehmlichkeiten der laͤndlichen Natur. Die Gegend umher traͤgt das reizende Gepraͤge der Fruchtbarkeit und der Cultur; die ſchoͤnſten Waͤlder, in deren weiten Zwiſchenraͤumen Kornfluren und Wieſen ruhen, erheben von allen Seiten ihre ſtolzen Haͤupter; und von Norden nach Weſten wallet in der Tiefe zwiſchen gruͤnen Anhoͤhen und Waldungen der ausgebreitete Eſſomerſee. Dieſe Gegend verdiente es, von Friedrich dem Vierten zuerſt zum Auf- enthalt gewaͤhlt zu werden. Er vollendete den Bau des Schloſſes in dem Jahre 1720, als hier der Friede mit Schweden unterſchrieben ward, und gab ihm den Namen von einer Begebenheit, die fuͤr das Herz eines Koͤnigs, der Vater ſeiner Voͤlker iſt, mehr als hundert Eroberungen gilt. Das Monument auf dem Schloßplatze iſt zu- gleich ein Ehrendenkmal fuͤr Koͤnige, die den Frieden lieben. An einer mit Kraͤnzen gezierten *) Dieſes Koͤnigl. Luſtſchloß gehoͤrt Ih- ro Majeſtaͤt der verwitweten Koͤniginn Juliana Maria, und liegt fuͤnf Meilen von Copenhagen. Y 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/182>, abgerufen am 18.04.2024.