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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Anhang. Beschreibungen

Hier laß uns ruhen, ländliche Gartenmuse, und die letzte Scene voll neuer
Schönheiten betrachten. Schau, welch ein erhabener und feyerlicher Sitz auf dieser
Höhe! Unter einer Buche, die Jahrhunderte ihres Lebens zählt, die mit ihren ausge-
breiteten starken Aesten sich fast in der Höhe dem Blick entzieht, der ihr nachstrebt, ru-
het eine von Linden geflochtene Laube. Ringsumher hat sie eine Umkränzung des klei-
nen runden Vorplatzes mit einem niedrigen Gebüsch von Ligustrum. Hinter dem Ge-
büsch sind die Abhänge dieser Höhe in drey Absätze getheilt, die herumlaufen; der ober-
ste und mittlere sind mit Malven geschmückt; und aus dem untersten erheben sich Ler-
chenbäume herauf.

Prächtiger kann keine Aussicht über die Kronen hinwallender Waldungen seyn,
als hier. Das Auge stürzt gleich in den waldigten Vorgrund hinab, woraus sich die
Häupter von mancherley Bäumen mit mannigfaltigem Grün und Gestalten erheben.
Ein seltsames, überraschendes Gemisch von Formen und Farben; die Spitzen der
Tannen mit den breiten Wölbungen der Buchen, das flatternde Laub der Birken mit
den festen Blättern der Eichen. Das Auge erhebt sich wieder aus dem Vorgrunde,
um bald über steile Spitzen, bald über wellenförmige Erhebungen des obern Laubwerks
dahin zu schweben. Ein Strich von dem Ende des Sees schimmert hinter den un-
geheuern Massen der waldigten Scenen herauf, um sie zu erfrischen, und in dieß
große Waldgemälde eine milde Erheiterung einzustreuen. Gleich hinter dem Strich
vom Wasser steigen wieder die jenseitigen Waldungen empor, und verbreiten ihren
nächtlichen Schatten in langen Strecken fort.

Und welche neue Feyer für diese Scene, wenn die Königinn hier in den mil-
den Augenblicken ruhet, wo das untergehende Licht des Tages über die Wälder dahin-
gleitet, und die goldenen Strahlen sich zwischen den dunklen Massen der belaubten
Spitzen brechen. Die stolzen Gipfel der Wälder wallen über einander dahin; ein
lautes Geräusch scheint ihre Belebung anzukündigen; sie scheinen sich zu neigen, sich
von dem Blicke der Königinn begrüßt zu fühlen. Indessen schaut Ihr erhabenes
Auge mit ruhiger Behagung über die Wälder hin, zu fernen Landschaften, die hinter
ihrem Schatten blühen, hinaus, zu den glücklichen Landschaften, wo jede Hütte sich
allmählig bereitet, Ihr das Abendopfer zu weihen.



II. Jä-
Anhang. Beſchreibungen

Hier laß uns ruhen, laͤndliche Gartenmuſe, und die letzte Scene voll neuer
Schoͤnheiten betrachten. Schau, welch ein erhabener und feyerlicher Sitz auf dieſer
Hoͤhe! Unter einer Buche, die Jahrhunderte ihres Lebens zaͤhlt, die mit ihren ausge-
breiteten ſtarken Aeſten ſich faſt in der Hoͤhe dem Blick entzieht, der ihr nachſtrebt, ru-
het eine von Linden geflochtene Laube. Ringsumher hat ſie eine Umkraͤnzung des klei-
nen runden Vorplatzes mit einem niedrigen Gebuͤſch von Liguſtrum. Hinter dem Ge-
buͤſch ſind die Abhaͤnge dieſer Hoͤhe in drey Abſaͤtze getheilt, die herumlaufen; der ober-
ſte und mittlere ſind mit Malven geſchmuͤckt; und aus dem unterſten erheben ſich Ler-
chenbaͤume herauf.

Praͤchtiger kann keine Ausſicht uͤber die Kronen hinwallender Waldungen ſeyn,
als hier. Das Auge ſtuͤrzt gleich in den waldigten Vorgrund hinab, woraus ſich die
Haͤupter von mancherley Baͤumen mit mannigfaltigem Gruͤn und Geſtalten erheben.
Ein ſeltſames, uͤberraſchendes Gemiſch von Formen und Farben; die Spitzen der
Tannen mit den breiten Woͤlbungen der Buchen, das flatternde Laub der Birken mit
den feſten Blaͤttern der Eichen. Das Auge erhebt ſich wieder aus dem Vorgrunde,
um bald uͤber ſteile Spitzen, bald uͤber wellenfoͤrmige Erhebungen des obern Laubwerks
dahin zu ſchweben. Ein Strich von dem Ende des Sees ſchimmert hinter den un-
geheuern Maſſen der waldigten Scenen herauf, um ſie zu erfriſchen, und in dieß
große Waldgemaͤlde eine milde Erheiterung einzuſtreuen. Gleich hinter dem Strich
vom Waſſer ſteigen wieder die jenſeitigen Waldungen empor, und verbreiten ihren
naͤchtlichen Schatten in langen Strecken fort.

Und welche neue Feyer fuͤr dieſe Scene, wenn die Koͤniginn hier in den mil-
den Augenblicken ruhet, wo das untergehende Licht des Tages uͤber die Waͤlder dahin-
gleitet, und die goldenen Strahlen ſich zwiſchen den dunklen Maſſen der belaubten
Spitzen brechen. Die ſtolzen Gipfel der Waͤlder wallen uͤber einander dahin; ein
lautes Geraͤuſch ſcheint ihre Belebung anzukuͤndigen; ſie ſcheinen ſich zu neigen, ſich
von dem Blicke der Koͤniginn begruͤßt zu fuͤhlen. Indeſſen ſchaut Ihr erhabenes
Auge mit ruhiger Behagung uͤber die Waͤlder hin, zu fernen Landſchaften, die hinter
ihrem Schatten bluͤhen, hinaus, zu den gluͤcklichen Landſchaften, wo jede Huͤtte ſich
allmaͤhlig bereitet, Ihr das Abendopfer zu weihen.



II. Jaͤ-
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[196/0207] Anhang. Beſchreibungen Hier laß uns ruhen, laͤndliche Gartenmuſe, und die letzte Scene voll neuer Schoͤnheiten betrachten. Schau, welch ein erhabener und feyerlicher Sitz auf dieſer Hoͤhe! Unter einer Buche, die Jahrhunderte ihres Lebens zaͤhlt, die mit ihren ausge- breiteten ſtarken Aeſten ſich faſt in der Hoͤhe dem Blick entzieht, der ihr nachſtrebt, ru- het eine von Linden geflochtene Laube. Ringsumher hat ſie eine Umkraͤnzung des klei- nen runden Vorplatzes mit einem niedrigen Gebuͤſch von Liguſtrum. Hinter dem Ge- buͤſch ſind die Abhaͤnge dieſer Hoͤhe in drey Abſaͤtze getheilt, die herumlaufen; der ober- ſte und mittlere ſind mit Malven geſchmuͤckt; und aus dem unterſten erheben ſich Ler- chenbaͤume herauf. Praͤchtiger kann keine Ausſicht uͤber die Kronen hinwallender Waldungen ſeyn, als hier. Das Auge ſtuͤrzt gleich in den waldigten Vorgrund hinab, woraus ſich die Haͤupter von mancherley Baͤumen mit mannigfaltigem Gruͤn und Geſtalten erheben. Ein ſeltſames, uͤberraſchendes Gemiſch von Formen und Farben; die Spitzen der Tannen mit den breiten Woͤlbungen der Buchen, das flatternde Laub der Birken mit den feſten Blaͤttern der Eichen. Das Auge erhebt ſich wieder aus dem Vorgrunde, um bald uͤber ſteile Spitzen, bald uͤber wellenfoͤrmige Erhebungen des obern Laubwerks dahin zu ſchweben. Ein Strich von dem Ende des Sees ſchimmert hinter den un- geheuern Maſſen der waldigten Scenen herauf, um ſie zu erfriſchen, und in dieß große Waldgemaͤlde eine milde Erheiterung einzuſtreuen. Gleich hinter dem Strich vom Waſſer ſteigen wieder die jenſeitigen Waldungen empor, und verbreiten ihren naͤchtlichen Schatten in langen Strecken fort. Und welche neue Feyer fuͤr dieſe Scene, wenn die Koͤniginn hier in den mil- den Augenblicken ruhet, wo das untergehende Licht des Tages uͤber die Waͤlder dahin- gleitet, und die goldenen Strahlen ſich zwiſchen den dunklen Maſſen der belaubten Spitzen brechen. Die ſtolzen Gipfel der Waͤlder wallen uͤber einander dahin; ein lautes Geraͤuſch ſcheint ihre Belebung anzukuͤndigen; ſie ſcheinen ſich zu neigen, ſich von dem Blicke der Koͤniginn begruͤßt zu fuͤhlen. Indeſſen ſchaut Ihr erhabenes Auge mit ruhiger Behagung uͤber die Waͤlder hin, zu fernen Landſchaften, die hinter ihrem Schatten bluͤhen, hinaus, zu den gluͤcklichen Landſchaften, wo jede Huͤtte ſich allmaͤhlig bereitet, Ihr das Abendopfer zu weihen. II. Jaͤ-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/207>, abgerufen am 25.04.2024.