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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Erster Abschnitt. Von Lustschlössern
stimmung, bey der Ausbildung, bey der Verbindung, und selbst bey der Verzierung
aller innern und äußern Theile leiten. Zur Beurtheilung und Anordnung der wich-
tigsten von diesen Theilen selbst können folgende Bemerkungen behülflich seyn.

[Abbildung]
1.

Nach Voraussetzung alles dessen, was zur Nothwendigkeit eines Wohngebäu-
des gehört und zur Bequemlichkeit seiner Einrichtung, die nach den Absichten und
Bedürfnissen des Bewohners sehr verschieden seyn kann, kommt es bey der Anordnung,
in so ferne sie den Regeln des Geschmacks unterworfen ist, zuerst auf die Form an.

Je einfacher die Form ist, und je weniger sie daher die Aufmerksamkeit zer-
theilt, desto vorzüglicher ist sie. Wir finden mehr Vergnügen an einem Quadrat,
als an einem Sechseck oder Achteck; die Regelmäßigkeit, die in allen gleich ist, kann
diesen Unterschied der Wirkung nicht erzeugen, sondern die größere Einfachheit, die
ein Quadrat hat. Jede Figur, welche die Aufmerksamkeit zu sehr zwischen Seiten
und Winkel vertheilt, hat eine geringere Wirkung, als eine andere, die durch Ein-
fachheit einen ungetheilten Eindruck macht. Keine Eigenschaft gehört mehr zu der
Schönheit der Architektur, als diese; die Kunst verliert, so bald sie in schwere und
verwickelte Formen übergeht. Die ganze Masse eines Gebäudes muß daher eine ein-
zige, ungetheilte und vollständige Figur vorstellen, die angenehm ins Auge fällt.

Für Gebäude lassen sich keine andere Figuren wählen, als die aus dem Viere-
ckigten und Runden bestehen. Die elendeste Figur eines Gebäudes, in Absicht ihrer
Wirkung auf das Auge, ist das Dreyeck.

Das

Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern
ſtimmung, bey der Ausbildung, bey der Verbindung, und ſelbſt bey der Verzierung
aller innern und aͤußern Theile leiten. Zur Beurtheilung und Anordnung der wich-
tigſten von dieſen Theilen ſelbſt koͤnnen folgende Bemerkungen behuͤlflich ſeyn.

[Abbildung]
1.

Nach Vorausſetzung alles deſſen, was zur Nothwendigkeit eines Wohngebaͤu-
des gehoͤrt und zur Bequemlichkeit ſeiner Einrichtung, die nach den Abſichten und
Beduͤrfniſſen des Bewohners ſehr verſchieden ſeyn kann, kommt es bey der Anordnung,
in ſo ferne ſie den Regeln des Geſchmacks unterworfen iſt, zuerſt auf die Form an.

Je einfacher die Form iſt, und je weniger ſie daher die Aufmerkſamkeit zer-
theilt, deſto vorzuͤglicher iſt ſie. Wir finden mehr Vergnuͤgen an einem Quadrat,
als an einem Sechseck oder Achteck; die Regelmaͤßigkeit, die in allen gleich iſt, kann
dieſen Unterſchied der Wirkung nicht erzeugen, ſondern die groͤßere Einfachheit, die
ein Quadrat hat. Jede Figur, welche die Aufmerkſamkeit zu ſehr zwiſchen Seiten
und Winkel vertheilt, hat eine geringere Wirkung, als eine andere, die durch Ein-
fachheit einen ungetheilten Eindruck macht. Keine Eigenſchaft gehoͤrt mehr zu der
Schoͤnheit der Architektur, als dieſe; die Kunſt verliert, ſo bald ſie in ſchwere und
verwickelte Formen uͤbergeht. Die ganze Maſſe eines Gebaͤudes muß daher eine ein-
zige, ungetheilte und vollſtaͤndige Figur vorſtellen, die angenehm ins Auge faͤllt.

Fuͤr Gebaͤude laſſen ſich keine andere Figuren waͤhlen, als die aus dem Viere-
ckigten und Runden beſtehen. Die elendeſte Figur eines Gebaͤudes, in Abſicht ihrer
Wirkung auf das Auge, iſt das Dreyeck.

Das
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[18/0022] Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern ſtimmung, bey der Ausbildung, bey der Verbindung, und ſelbſt bey der Verzierung aller innern und aͤußern Theile leiten. Zur Beurtheilung und Anordnung der wich- tigſten von dieſen Theilen ſelbſt koͤnnen folgende Bemerkungen behuͤlflich ſeyn. [Abbildung] 1. Nach Vorausſetzung alles deſſen, was zur Nothwendigkeit eines Wohngebaͤu- des gehoͤrt und zur Bequemlichkeit ſeiner Einrichtung, die nach den Abſichten und Beduͤrfniſſen des Bewohners ſehr verſchieden ſeyn kann, kommt es bey der Anordnung, in ſo ferne ſie den Regeln des Geſchmacks unterworfen iſt, zuerſt auf die Form an. Je einfacher die Form iſt, und je weniger ſie daher die Aufmerkſamkeit zer- theilt, deſto vorzuͤglicher iſt ſie. Wir finden mehr Vergnuͤgen an einem Quadrat, als an einem Sechseck oder Achteck; die Regelmaͤßigkeit, die in allen gleich iſt, kann dieſen Unterſchied der Wirkung nicht erzeugen, ſondern die groͤßere Einfachheit, die ein Quadrat hat. Jede Figur, welche die Aufmerkſamkeit zu ſehr zwiſchen Seiten und Winkel vertheilt, hat eine geringere Wirkung, als eine andere, die durch Ein- fachheit einen ungetheilten Eindruck macht. Keine Eigenſchaft gehoͤrt mehr zu der Schoͤnheit der Architektur, als dieſe; die Kunſt verliert, ſo bald ſie in ſchwere und verwickelte Formen uͤbergeht. Die ganze Maſſe eines Gebaͤudes muß daher eine ein- zige, ungetheilte und vollſtaͤndige Figur vorſtellen, die angenehm ins Auge faͤllt. Fuͤr Gebaͤude laſſen ſich keine andere Figuren waͤhlen, als die aus dem Viere- ckigten und Runden beſtehen. Die elendeſte Figur eines Gebaͤudes, in Abſicht ihrer Wirkung auf das Auge, iſt das Dreyeck. Das

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/22>, abgerufen am 25.04.2024.