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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Gartengebäuden.
3.

Außerdem, daß Gartengebäude überhaupt zur Belebung der Plätze beytragen,
wird ihre Wichtigkeit dadurch noch näher einleuchtend, daß sie sich theils als Gegen-
stände der Schönheit, theils als Mittel zur Bezeichnung und Verstärkung der Cha-
raktere der Gegenden, theils als Denkmäler betrachten lassen.

Als Gegenstände der Schönheit sind sie fähig, dem Auge zu schmeicheln, die
Phantasie zu ergötzen, und selbst den Verstand zu unterhalten. Die Schönheit ist
bey Gebäuden dieser Art unentbehrlich, da ihre Bestimmung selten allein auf beque-
men Gebrauch geht, sondern am meisten auf angenehme Wirkungen für das Auge;
ja in vielen Fällen hören sie auf Wohnungen zu seyn, und sind blos reizende Ge-
genstände. Und aus welchem Grunde dürfte ihnen die Schönheit entstehen? Oder
welche Entschuldigung dürfte der Architekt erwarten, der sichs einfallen ließe, im
Angesichte der schönen Natur und gleichsam in ihrem Schoos Mißgestalten zu er-
zeugen?

Gartengebäude dürfen weder durch Größe, noch durch Pracht sich auszeichnen.
Sie müssen aber durch das Gefällige und Reizende ihrer Form, durch die Simplici-
tät, Freyheit und Leichtigkeit ihrer Anordnung, durch die Uebereinstimmung ihres
Charakters mit ihrer Bestimmung, durch das Zierliche und Anmuthige ihrer Außen-
seiten recht fühlbare Eindrücke machen. Sie müssen das Auge sogleich anlocken, es
gleichsam an sich zaubern, daß es gerne bey ihnen ruhet, lange in ihrer Beschanung
verweilt. Sie müssen lebhafte Empfindungen bald von ländlicher Ruhe, bald von
Einsamkeit, bald von Freyheit, bald von gelassener Behagung, bald von heitrer
Freude erwecken.

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Gartengebaͤuden.
3.

Außerdem, daß Gartengebaͤude uͤberhaupt zur Belebung der Plaͤtze beytragen,
wird ihre Wichtigkeit dadurch noch naͤher einleuchtend, daß ſie ſich theils als Gegen-
ſtaͤnde der Schoͤnheit, theils als Mittel zur Bezeichnung und Verſtaͤrkung der Cha-
raktere der Gegenden, theils als Denkmaͤler betrachten laſſen.

Als Gegenſtaͤnde der Schoͤnheit ſind ſie faͤhig, dem Auge zu ſchmeicheln, die
Phantaſie zu ergoͤtzen, und ſelbſt den Verſtand zu unterhalten. Die Schoͤnheit iſt
bey Gebaͤuden dieſer Art unentbehrlich, da ihre Beſtimmung ſelten allein auf beque-
men Gebrauch geht, ſondern am meiſten auf angenehme Wirkungen fuͤr das Auge;
ja in vielen Faͤllen hoͤren ſie auf Wohnungen zu ſeyn, und ſind blos reizende Ge-
genſtaͤnde. Und aus welchem Grunde duͤrfte ihnen die Schoͤnheit entſtehen? Oder
welche Entſchuldigung duͤrfte der Architekt erwarten, der ſichs einfallen ließe, im
Angeſichte der ſchoͤnen Natur und gleichſam in ihrem Schoos Mißgeſtalten zu er-
zeugen?

Gartengebaͤude duͤrfen weder durch Groͤße, noch durch Pracht ſich auszeichnen.
Sie muͤſſen aber durch das Gefaͤllige und Reizende ihrer Form, durch die Simplici-
taͤt, Freyheit und Leichtigkeit ihrer Anordnung, durch die Uebereinſtimmung ihres
Charakters mit ihrer Beſtimmung, durch das Zierliche und Anmuthige ihrer Außen-
ſeiten recht fuͤhlbare Eindruͤcke machen. Sie muͤſſen das Auge ſogleich anlocken, es
gleichſam an ſich zaubern, daß es gerne bey ihnen ruhet, lange in ihrer Beſchanung
verweilt. Sie muͤſſen lebhafte Empfindungen bald von laͤndlicher Ruhe, bald von
Einſamkeit, bald von Freyheit, bald von gelaſſener Behagung, bald von heitrer
Freude erwecken.

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[43/0047] Gartengebaͤuden. 3. Außerdem, daß Gartengebaͤude uͤberhaupt zur Belebung der Plaͤtze beytragen, wird ihre Wichtigkeit dadurch noch naͤher einleuchtend, daß ſie ſich theils als Gegen- ſtaͤnde der Schoͤnheit, theils als Mittel zur Bezeichnung und Verſtaͤrkung der Cha- raktere der Gegenden, theils als Denkmaͤler betrachten laſſen. Als Gegenſtaͤnde der Schoͤnheit ſind ſie faͤhig, dem Auge zu ſchmeicheln, die Phantaſie zu ergoͤtzen, und ſelbſt den Verſtand zu unterhalten. Die Schoͤnheit iſt bey Gebaͤuden dieſer Art unentbehrlich, da ihre Beſtimmung ſelten allein auf beque- men Gebrauch geht, ſondern am meiſten auf angenehme Wirkungen fuͤr das Auge; ja in vielen Faͤllen hoͤren ſie auf Wohnungen zu ſeyn, und ſind blos reizende Ge- genſtaͤnde. Und aus welchem Grunde duͤrfte ihnen die Schoͤnheit entſtehen? Oder welche Entſchuldigung duͤrfte der Architekt erwarten, der ſichs einfallen ließe, im Angeſichte der ſchoͤnen Natur und gleichſam in ihrem Schoos Mißgeſtalten zu er- zeugen? Gartengebaͤude duͤrfen weder durch Groͤße, noch durch Pracht ſich auszeichnen. Sie muͤſſen aber durch das Gefaͤllige und Reizende ihrer Form, durch die Simplici- taͤt, Freyheit und Leichtigkeit ihrer Anordnung, durch die Uebereinſtimmung ihres Charakters mit ihrer Beſtimmung, durch das Zierliche und Anmuthige ihrer Außen- ſeiten recht fuͤhlbare Eindruͤcke machen. Sie muͤſſen das Auge ſogleich anlocken, es gleichſam an ſich zaubern, daß es gerne bey ihnen ruhet, lange in ihrer Beſchanung verweilt. Sie muͤſſen lebhafte Empfindungen bald von laͤndlicher Ruhe, bald von Einſamkeit, bald von Freyheit, bald von gelaſſener Behagung, bald von heitrer Freude erwecken. F 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/47>, abgerufen am 19.04.2024.