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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter
2.

Nach diesen Vorschlägen wird es nicht unnütz scheinen, wenn wir hier eine
kurze Uebersicht der vornehmsten Brunnen und Bäder *) folgen lassen, um zu bemer-
ken, wie viel und wie wenig man bisher zu ihrer Verschönerung gethan hat. Von
dieser Seite sind sie noch wenig bekannt, da man bisher sich nur mit Untersuchung des
Gehalts und der Kräfte ihrer Wasser beschäftigt hat.

Meienberg. **)

Die Gegend von Meienberg ist von einem sehr anmuthigen Charakter. Der
Ort liegt am Fuß eines Berges, aus welchem das mineralische Wasser entspringt;
gerade diesem Berg gegen über, den man bisher den Schanzenberg nennt, streckt
sich gegen Süden der nahe Bellenberg. Die ganze Landschaft ist gebirgigt. Doch
spreiten sich die benachbarten Berge alle aus einander, wodurch Meienberg eine freye
und offene Lage gewinnt, welche die Lüste bestreichen können. Die höhern Gebirge
heben sich, in einer Entfernung von einer starken Stunde, von Süden nach Westen;
sie sind alle vom Fuß bis an den Gipfel mit Waldung bewachsen, und schließen den
Gesichtskreis mit einer prächtigen malerischen Scene. Ihre mäßige Höhe und ihre
waldigte Bekleidung machen sie zu überaus reizenden Gegenständen; sie haben nichts
von dem Wilden, Oeden oder Fürchterlichen, das oft ein Eigenthum der Gebirge ist.
Der Velmerstoth erhebt zuerst in Süden seinen höher emporragenden Gipfel; an ihn
schließen sich andere Gebirge, besonders der Externstein, und wo dieser aufhört,
der teutonische Wald, der sich westlich bis in die Grafschaft Ravensberg erstreckt,
und durch die Niederlage der Römer unter dem Varo berühmt ist. Man genießt
aus den Zimmern der Wohngebäude die schöne Aussicht auf diese Gebirge, über die
bis zu ihnen sich verbreitenden Gefilde, die mit Gärten, Wiesen, Hügeln, Kornflu-
ren, Bächen, Gebüschen, Heerden und Landhütten auf eine lebhafte Art abwech-
seln. Schöner erscheinen sie noch in den Augenblicken des sinkenden Abendlichts, in-
dem jede landschaftliche Scene in der Milde der falben Beleuchtung kenntlicher und
sanfter dem Auge sich nähert, und die hohen Waldungen der mehr südlichen Gebirge
ihren Schatten tiefer in die Hintergründe der Landschaft verlängern.

Diese
*) Außer einigen Bädern der Schweiz
habe ich die vornehmsten Brunnenörter in
Deutschland selbst besucht, als Maien-
berg, Pyrmont, Hofgeismar, Wilhelms-
[Spaltenumbruch] bad, Ems, Schwalbach, Wisbaden, und
bey verschiedenen dieser Brunnen mich
wochenlang aufgehalten.
**) In der Grafschaft Lippe-Detmold.
Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
2.

Nach dieſen Vorſchlaͤgen wird es nicht unnuͤtz ſcheinen, wenn wir hier eine
kurze Ueberſicht der vornehmſten Brunnen und Baͤder *) folgen laſſen, um zu bemer-
ken, wie viel und wie wenig man bisher zu ihrer Verſchoͤnerung gethan hat. Von
dieſer Seite ſind ſie noch wenig bekannt, da man bisher ſich nur mit Unterſuchung des
Gehalts und der Kraͤfte ihrer Waſſer beſchaͤftigt hat.

Meienberg. **)

Die Gegend von Meienberg iſt von einem ſehr anmuthigen Charakter. Der
Ort liegt am Fuß eines Berges, aus welchem das mineraliſche Waſſer entſpringt;
gerade dieſem Berg gegen uͤber, den man bisher den Schanzenberg nennt, ſtreckt
ſich gegen Suͤden der nahe Bellenberg. Die ganze Landſchaft iſt gebirgigt. Doch
ſpreiten ſich die benachbarten Berge alle aus einander, wodurch Meienberg eine freye
und offene Lage gewinnt, welche die Luͤſte beſtreichen koͤnnen. Die hoͤhern Gebirge
heben ſich, in einer Entfernung von einer ſtarken Stunde, von Suͤden nach Weſten;
ſie ſind alle vom Fuß bis an den Gipfel mit Waldung bewachſen, und ſchließen den
Geſichtskreis mit einer praͤchtigen maleriſchen Scene. Ihre maͤßige Hoͤhe und ihre
waldigte Bekleidung machen ſie zu uͤberaus reizenden Gegenſtaͤnden; ſie haben nichts
von dem Wilden, Oeden oder Fuͤrchterlichen, das oft ein Eigenthum der Gebirge iſt.
Der Velmerſtoth erhebt zuerſt in Suͤden ſeinen hoͤher emporragenden Gipfel; an ihn
ſchließen ſich andere Gebirge, beſonders der Externſtein, und wo dieſer aufhoͤrt,
der teutoniſche Wald, der ſich weſtlich bis in die Grafſchaft Ravensberg erſtreckt,
und durch die Niederlage der Roͤmer unter dem Varo beruͤhmt iſt. Man genießt
aus den Zimmern der Wohngebaͤude die ſchoͤne Ausſicht auf dieſe Gebirge, uͤber die
bis zu ihnen ſich verbreitenden Gefilde, die mit Gaͤrten, Wieſen, Huͤgeln, Kornflu-
ren, Baͤchen, Gebuͤſchen, Heerden und Landhuͤtten auf eine lebhafte Art abwech-
ſeln. Schoͤner erſcheinen ſie noch in den Augenblicken des ſinkenden Abendlichts, in-
dem jede landſchaftliche Scene in der Milde der falben Beleuchtung kenntlicher und
ſanfter dem Auge ſich naͤhert, und die hohen Waldungen der mehr ſuͤdlichen Gebirge
ihren Schatten tiefer in die Hintergruͤnde der Landſchaft verlaͤngern.

Dieſe
*) Außer einigen Baͤdern der Schweiz
habe ich die vornehmſten Brunnenoͤrter in
Deutſchland ſelbſt beſucht, als Maien-
berg, Pyrmont, Hofgeismar, Wilhelms-
[Spaltenumbruch] bad, Ems, Schwalbach, Wisbaden, und
bey verſchiedenen dieſer Brunnen mich
wochenlang aufgehalten.
**) In der Grafſchaft Lippe-Detmold.
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[92/0100] Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter 2. Nach dieſen Vorſchlaͤgen wird es nicht unnuͤtz ſcheinen, wenn wir hier eine kurze Ueberſicht der vornehmſten Brunnen und Baͤder *) folgen laſſen, um zu bemer- ken, wie viel und wie wenig man bisher zu ihrer Verſchoͤnerung gethan hat. Von dieſer Seite ſind ſie noch wenig bekannt, da man bisher ſich nur mit Unterſuchung des Gehalts und der Kraͤfte ihrer Waſſer beſchaͤftigt hat. Meienberg. **) Die Gegend von Meienberg iſt von einem ſehr anmuthigen Charakter. Der Ort liegt am Fuß eines Berges, aus welchem das mineraliſche Waſſer entſpringt; gerade dieſem Berg gegen uͤber, den man bisher den Schanzenberg nennt, ſtreckt ſich gegen Suͤden der nahe Bellenberg. Die ganze Landſchaft iſt gebirgigt. Doch ſpreiten ſich die benachbarten Berge alle aus einander, wodurch Meienberg eine freye und offene Lage gewinnt, welche die Luͤſte beſtreichen koͤnnen. Die hoͤhern Gebirge heben ſich, in einer Entfernung von einer ſtarken Stunde, von Suͤden nach Weſten; ſie ſind alle vom Fuß bis an den Gipfel mit Waldung bewachſen, und ſchließen den Geſichtskreis mit einer praͤchtigen maleriſchen Scene. Ihre maͤßige Hoͤhe und ihre waldigte Bekleidung machen ſie zu uͤberaus reizenden Gegenſtaͤnden; ſie haben nichts von dem Wilden, Oeden oder Fuͤrchterlichen, das oft ein Eigenthum der Gebirge iſt. Der Velmerſtoth erhebt zuerſt in Suͤden ſeinen hoͤher emporragenden Gipfel; an ihn ſchließen ſich andere Gebirge, beſonders der Externſtein, und wo dieſer aufhoͤrt, der teutoniſche Wald, der ſich weſtlich bis in die Grafſchaft Ravensberg erſtreckt, und durch die Niederlage der Roͤmer unter dem Varo beruͤhmt iſt. Man genießt aus den Zimmern der Wohngebaͤude die ſchoͤne Ausſicht auf dieſe Gebirge, uͤber die bis zu ihnen ſich verbreitenden Gefilde, die mit Gaͤrten, Wieſen, Huͤgeln, Kornflu- ren, Baͤchen, Gebuͤſchen, Heerden und Landhuͤtten auf eine lebhafte Art abwech- ſeln. Schoͤner erſcheinen ſie noch in den Augenblicken des ſinkenden Abendlichts, in- dem jede landſchaftliche Scene in der Milde der falben Beleuchtung kenntlicher und ſanfter dem Auge ſich naͤhert, und die hohen Waldungen der mehr ſuͤdlichen Gebirge ihren Schatten tiefer in die Hintergruͤnde der Landſchaft verlaͤngern. Dieſe *) Außer einigen Baͤdern der Schweiz habe ich die vornehmſten Brunnenoͤrter in Deutſchland ſelbſt beſucht, als Maien- berg, Pyrmont, Hofgeismar, Wilhelms- bad, Ems, Schwalbach, Wisbaden, und bey verſchiedenen dieſer Brunnen mich wochenlang aufgehalten. **) In der Grafſchaft Lippe-Detmold.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/100>, abgerufen am 29.03.2024.