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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter
einiger Entfernung gegen den Rhein hin suchen muß. Auch fehlt es hier an schat-
tigten Spaziergängen und an merkwürdigen Anstalten zu anständigen öffentlichen Ver-
gnügungen. Wisbaden ist ein elendes Städtchen mit engen Gassen.

Für diesen Ort war ehemals ein sehr großes Brunnenhaus bestimmt, wovon
sich eine Abbildung in dem Modelhaus zu Cassel befindet, und das hier eine Anzeige
verdient. Dieses Gebäude hat eine vortheilhafte, seiner Bestimmung sehr gemäße
Anordnung, indem um beyde Stockwerke in der Runde zwey große Arcadengänge
laufen, die durch sechs gerade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnenhause,
das in der Mitte liegt, verbunden sind. Auch das geräumige flache Dach dieser
Arcaden und Gallerien dient bey kühlem Wetter zum Spazieren, und hat in seiner
Mitte eine Kupel in Form eines antiken Tempels, die Ruhesitze enthält. An den
Arcaden, die im ersten und zweyten Stockwerk rund um das Brunnenhaus sich win-
den, und es gleichsam einfassen, sind, als Wohnungen für die Brunnengäste, zwey
lange Flügel ebenfalls mit einem flachen Dach angehängt, und diese endigen sich mit
zwey Pavillons, die ein gebrochenes Dach haben. Bequeme Treppen und Thüren
verbinden alle Theile zu einem vollständigen Zusammenhang. Man wird nicht leicht
einen Entwurf zu einem großen Brunnenhaus finden, der mit der Schönheit des
äußern Ansehens zugleich so viel gute Anordnung zu seinem Zweck, so viel Bequem-
lichkeit, so viel Anmuth und Heiterkeit der innern Einrichtung vereinigte. Wie viel
hätte nicht Wisbaden durch die Ausführung eines solchen Gebäudes gewinnen
müssen!

Matlock. *)

Die natürlichen Schönheiten der Gegend um Matlock, wo die warmen Bä-
der sind, übertreffen die schönsten Plätze in England, welche die menschliche Kunst
zu verbessern gesucht hat. Es ist ein mit vielen Krümmungen versehenes Thal, wo-
durch die Derwent läuft, welche an einigen Orten ziemlich breit ist, und sanft fließt,
an andern zwischen abgebrochenen Felsen durchrauscht, und allerley kleine Cascaden
macht. An der einen Seite ist das Thal von fruchtbaren Hügeln, an der andern
von fürchterlichen mit Waldung bewachsenen Felsen umgränzt.

Um diese schöne Gegend recht in Augenschein zu nehmen, thut man am besten,
den Fluß bey dem Schlagbaume zu passiren, und dem sich schlängelnden Fußsteige

den
*) In Derbyshire in England. S.
Youngs Reisen durch die östlichen Pro-
vinzen von England etc. 3ten Th. S. 103
u. s. w. Eine andere schöne Beschreibung
[Spaltenumbruch] dieser berühmten romantischen Gegend hat
Whateley in seinen Betrachtungen über
das heutige Gartenwesen S. 125 u. f.

Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
einiger Entfernung gegen den Rhein hin ſuchen muß. Auch fehlt es hier an ſchat-
tigten Spaziergaͤngen und an merkwuͤrdigen Anſtalten zu anſtaͤndigen oͤffentlichen Ver-
gnuͤgungen. Wisbaden iſt ein elendes Staͤdtchen mit engen Gaſſen.

Fuͤr dieſen Ort war ehemals ein ſehr großes Brunnenhaus beſtimmt, wovon
ſich eine Abbildung in dem Modelhaus zu Caſſel befindet, und das hier eine Anzeige
verdient. Dieſes Gebaͤude hat eine vortheilhafte, ſeiner Beſtimmung ſehr gemaͤße
Anordnung, indem um beyde Stockwerke in der Runde zwey große Arcadengaͤnge
laufen, die durch ſechs gerade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnenhauſe,
das in der Mitte liegt, verbunden ſind. Auch das geraͤumige flache Dach dieſer
Arcaden und Gallerien dient bey kuͤhlem Wetter zum Spazieren, und hat in ſeiner
Mitte eine Kupel in Form eines antiken Tempels, die Ruheſitze enthaͤlt. An den
Arcaden, die im erſten und zweyten Stockwerk rund um das Brunnenhaus ſich win-
den, und es gleichſam einfaſſen, ſind, als Wohnungen fuͤr die Brunnengaͤſte, zwey
lange Fluͤgel ebenfalls mit einem flachen Dach angehaͤngt, und dieſe endigen ſich mit
zwey Pavillons, die ein gebrochenes Dach haben. Bequeme Treppen und Thuͤren
verbinden alle Theile zu einem vollſtaͤndigen Zuſammenhang. Man wird nicht leicht
einen Entwurf zu einem großen Brunnenhaus finden, der mit der Schoͤnheit des
aͤußern Anſehens zugleich ſo viel gute Anordnung zu ſeinem Zweck, ſo viel Bequem-
lichkeit, ſo viel Anmuth und Heiterkeit der innern Einrichtung vereinigte. Wie viel
haͤtte nicht Wisbaden durch die Ausfuͤhrung eines ſolchen Gebaͤudes gewinnen
muͤſſen!

Matlock. *)

Die natuͤrlichen Schoͤnheiten der Gegend um Matlock, wo die warmen Baͤ-
der ſind, uͤbertreffen die ſchoͤnſten Plaͤtze in England, welche die menſchliche Kunſt
zu verbeſſern geſucht hat. Es iſt ein mit vielen Kruͤmmungen verſehenes Thal, wo-
durch die Derwent laͤuft, welche an einigen Orten ziemlich breit iſt, und ſanft fließt,
an andern zwiſchen abgebrochenen Felſen durchrauſcht, und allerley kleine Caſcaden
macht. An der einen Seite iſt das Thal von fruchtbaren Huͤgeln, an der andern
von fuͤrchterlichen mit Waldung bewachſenen Felſen umgraͤnzt.

Um dieſe ſchoͤne Gegend recht in Augenſchein zu nehmen, thut man am beſten,
den Fluß bey dem Schlagbaume zu paſſiren, und dem ſich ſchlaͤngelnden Fußſteige

den
*) In Derbyshire in England. S.
Youngs Reiſen durch die oͤſtlichen Pro-
vinzen von England ꝛc. 3ten Th. S. 103
u. ſ. w. Eine andere ſchoͤne Beſchreibung
[Spaltenumbruch] dieſer beruͤhmten romantiſchen Gegend hat
Whateley in ſeinen Betrachtungen uͤber
das heutige Gartenweſen S. 125 u. f.
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[112/0120] Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter einiger Entfernung gegen den Rhein hin ſuchen muß. Auch fehlt es hier an ſchat- tigten Spaziergaͤngen und an merkwuͤrdigen Anſtalten zu anſtaͤndigen oͤffentlichen Ver- gnuͤgungen. Wisbaden iſt ein elendes Staͤdtchen mit engen Gaſſen. Fuͤr dieſen Ort war ehemals ein ſehr großes Brunnenhaus beſtimmt, wovon ſich eine Abbildung in dem Modelhaus zu Caſſel befindet, und das hier eine Anzeige verdient. Dieſes Gebaͤude hat eine vortheilhafte, ſeiner Beſtimmung ſehr gemaͤße Anordnung, indem um beyde Stockwerke in der Runde zwey große Arcadengaͤnge laufen, die durch ſechs gerade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnenhauſe, das in der Mitte liegt, verbunden ſind. Auch das geraͤumige flache Dach dieſer Arcaden und Gallerien dient bey kuͤhlem Wetter zum Spazieren, und hat in ſeiner Mitte eine Kupel in Form eines antiken Tempels, die Ruheſitze enthaͤlt. An den Arcaden, die im erſten und zweyten Stockwerk rund um das Brunnenhaus ſich win- den, und es gleichſam einfaſſen, ſind, als Wohnungen fuͤr die Brunnengaͤſte, zwey lange Fluͤgel ebenfalls mit einem flachen Dach angehaͤngt, und dieſe endigen ſich mit zwey Pavillons, die ein gebrochenes Dach haben. Bequeme Treppen und Thuͤren verbinden alle Theile zu einem vollſtaͤndigen Zuſammenhang. Man wird nicht leicht einen Entwurf zu einem großen Brunnenhaus finden, der mit der Schoͤnheit des aͤußern Anſehens zugleich ſo viel gute Anordnung zu ſeinem Zweck, ſo viel Bequem- lichkeit, ſo viel Anmuth und Heiterkeit der innern Einrichtung vereinigte. Wie viel haͤtte nicht Wisbaden durch die Ausfuͤhrung eines ſolchen Gebaͤudes gewinnen muͤſſen! Matlock. *) Die natuͤrlichen Schoͤnheiten der Gegend um Matlock, wo die warmen Baͤ- der ſind, uͤbertreffen die ſchoͤnſten Plaͤtze in England, welche die menſchliche Kunſt zu verbeſſern geſucht hat. Es iſt ein mit vielen Kruͤmmungen verſehenes Thal, wo- durch die Derwent laͤuft, welche an einigen Orten ziemlich breit iſt, und ſanft fließt, an andern zwiſchen abgebrochenen Felſen durchrauſcht, und allerley kleine Caſcaden macht. An der einen Seite iſt das Thal von fruchtbaren Huͤgeln, an der andern von fuͤrchterlichen mit Waldung bewachſenen Felſen umgraͤnzt. Um dieſe ſchoͤne Gegend recht in Augenſchein zu nehmen, thut man am beſten, den Fluß bey dem Schlagbaume zu paſſiren, und dem ſich ſchlaͤngelnden Fußſteige den *) In Derbyshire in England. S. Youngs Reiſen durch die oͤſtlichen Pro- vinzen von England ꝛc. 3ten Th. S. 103 u. ſ. w. Eine andere ſchoͤne Beſchreibung dieſer beruͤhmten romantiſchen Gegend hat Whateley in ſeinen Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen S. 125 u. f.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/120>, abgerufen am 19.04.2024.