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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,

Zu Mont-Repos bey Neuwied hat der regierende Fürst einen hohen, wei-
ten und waldigten Berg mit verschiedenen Anlagen verschönert. Aus dem Sommer-
schloß hat man den prächtigen Rhein im Gesicht.

Bey Düsseldorf ist der neue churfürstliche Garten vor dem Bergerthor ganz
im englischen Geschmack angelegt.

Zu Borbeck läßt die Aebtissinn von Essen, Maria Cunigunda, geborne
Prinzessinn von Pohlen und Chursachsen, Schwester des Churfürsten von
Trier, eine Dame von großem Geist und Geschmack, einen neuen schönen Garten
pflanzen.

In der Gegend des odern Rheins nach Maynz zu hinauf ist der Park des
Herrn Grafen von Ostein zu Niederwald merkwürdig. Er ist auf der Höhe eines
Berges, der Bingen nordwärts gegenüber liegt, angelegt. Der weite Gipfel bil-
det ein schönes flaches Thal, das sich gegen Westen senkt, und von vielen herrlichen
Eichen und Buchen dicht beschattet wird. In der Mitte sind ländliche Häuser auf ei-
nem großen freyen Platze erbauet. Die Aussichten über alle Gefilde des mit Wein und
Obst angefüllten Rheingaus, über Manz, Frankfurt und andre Städte, über
so viele nahe und ferne Landschaften und Berge umher, und auf den Rhein hinab,
diese weiten, erhabenen und romantischen Aussichten übersteigen fast die Beschreibung.
Der Wald, der vier Stunden im Umfang hat, ist mit Gängen, Rasensitzen, Ein-
siedeleyen, Lusthäusern und andern Ruheplätzen verschönert, und die Anlagen wer-
den noch fortgesetzt. Die hohe Lage mit den entzückenden Aussichten macht schon an
sich diesen Park zu einem der schönsten in Deutschland.

Zu Geisenheim, einem Dorfe im Rheingau, hat ebenfalls der Herr Graf
einen prächtigen Palast angelegt, und ihn mit einem angenehmen Garten ver-
bunden.

Bey der Stadt Creuznach hat der Kaufmann Herr Schmerz eine neue An-
lage gemacht, wobey die natürliche Beschaffenheit der Gegend mit gutem Geschmack
benutzet ist.

9.

Der Garten hinter dem Schlosse zu Darmstadt ist voll Ernst und Melan-
cholie, und hat nichts von dem Glanz und der Pracht eines fürstlichen Gartens.
Selbst der wohlgebauete runde Tempel giebt ihm wegen der nahen und dichten Um-
pflanzung nichts Heiteres. Es ist meistens ein wildes, einsames, verschlossenes
Waldstück, das mit verschiedenen fremden Baumarten durchpflanzt ist; wenigstens
hat die Pflanzung so viel Regelloses, daß sie einem Waldstück gleicht. Indessen
gefällt dieser Garten einem Herzen, das sich gern einer sanften Melancholie überläßt,

und
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,

Zu Mont-Repos bey Neuwied hat der regierende Fuͤrſt einen hohen, wei-
ten und waldigten Berg mit verſchiedenen Anlagen verſchoͤnert. Aus dem Sommer-
ſchloß hat man den praͤchtigen Rhein im Geſicht.

Bey Duͤſſeldorf iſt der neue churfuͤrſtliche Garten vor dem Bergerthor ganz
im engliſchen Geſchmack angelegt.

Zu Borbeck laͤßt die Aebtiſſinn von Eſſen, Maria Cunigunda, geborne
Prinzeſſinn von Pohlen und Churſachſen, Schweſter des Churfuͤrſten von
Trier, eine Dame von großem Geiſt und Geſchmack, einen neuen ſchoͤnen Garten
pflanzen.

In der Gegend des odern Rheins nach Maynz zu hinauf iſt der Park des
Herrn Grafen von Oſtein zu Niederwald merkwuͤrdig. Er iſt auf der Hoͤhe eines
Berges, der Bingen nordwaͤrts gegenuͤber liegt, angelegt. Der weite Gipfel bil-
det ein ſchoͤnes flaches Thal, das ſich gegen Weſten ſenkt, und von vielen herrlichen
Eichen und Buchen dicht beſchattet wird. In der Mitte ſind laͤndliche Haͤuſer auf ei-
nem großen freyen Platze erbauet. Die Ausſichten uͤber alle Gefilde des mit Wein und
Obſt angefuͤllten Rheingaus, uͤber Manz, Frankfurt und andre Staͤdte, uͤber
ſo viele nahe und ferne Landſchaften und Berge umher, und auf den Rhein hinab,
dieſe weiten, erhabenen und romantiſchen Ausſichten uͤberſteigen faſt die Beſchreibung.
Der Wald, der vier Stunden im Umfang hat, iſt mit Gaͤngen, Raſenſitzen, Ein-
ſiedeleyen, Luſthaͤuſern und andern Ruheplaͤtzen verſchoͤnert, und die Anlagen wer-
den noch fortgeſetzt. Die hohe Lage mit den entzuͤckenden Ausſichten macht ſchon an
ſich dieſen Park zu einem der ſchoͤnſten in Deutſchland.

Zu Geiſenheim, einem Dorfe im Rheingau, hat ebenfalls der Herr Graf
einen praͤchtigen Palaſt angelegt, und ihn mit einem angenehmen Garten ver-
bunden.

Bey der Stadt Creuznach hat der Kaufmann Herr Schmerz eine neue An-
lage gemacht, wobey die natuͤrliche Beſchaffenheit der Gegend mit gutem Geſchmack
benutzet iſt.

9.

Der Garten hinter dem Schloſſe zu Darmſtadt iſt voll Ernſt und Melan-
cholie, und hat nichts von dem Glanz und der Pracht eines fuͤrſtlichen Gartens.
Selbſt der wohlgebauete runde Tempel giebt ihm wegen der nahen und dichten Um-
pflanzung nichts Heiteres. Es iſt meiſtens ein wildes, einſames, verſchloſſenes
Waldſtuͤck, das mit verſchiedenen fremden Baumarten durchpflanzt iſt; wenigſtens
hat die Pflanzung ſo viel Regelloſes, daß ſie einem Waldſtuͤck gleicht. Indeſſen
gefaͤllt dieſer Garten einem Herzen, das ſich gern einer ſanften Melancholie uͤberlaͤßt,

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[342/0350] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, Zu Mont-Repos bey Neuwied hat der regierende Fuͤrſt einen hohen, wei- ten und waldigten Berg mit verſchiedenen Anlagen verſchoͤnert. Aus dem Sommer- ſchloß hat man den praͤchtigen Rhein im Geſicht. Bey Duͤſſeldorf iſt der neue churfuͤrſtliche Garten vor dem Bergerthor ganz im engliſchen Geſchmack angelegt. Zu Borbeck laͤßt die Aebtiſſinn von Eſſen, Maria Cunigunda, geborne Prinzeſſinn von Pohlen und Churſachſen, Schweſter des Churfuͤrſten von Trier, eine Dame von großem Geiſt und Geſchmack, einen neuen ſchoͤnen Garten pflanzen. In der Gegend des odern Rheins nach Maynz zu hinauf iſt der Park des Herrn Grafen von Oſtein zu Niederwald merkwuͤrdig. Er iſt auf der Hoͤhe eines Berges, der Bingen nordwaͤrts gegenuͤber liegt, angelegt. Der weite Gipfel bil- det ein ſchoͤnes flaches Thal, das ſich gegen Weſten ſenkt, und von vielen herrlichen Eichen und Buchen dicht beſchattet wird. In der Mitte ſind laͤndliche Haͤuſer auf ei- nem großen freyen Platze erbauet. Die Ausſichten uͤber alle Gefilde des mit Wein und Obſt angefuͤllten Rheingaus, uͤber Manz, Frankfurt und andre Staͤdte, uͤber ſo viele nahe und ferne Landſchaften und Berge umher, und auf den Rhein hinab, dieſe weiten, erhabenen und romantiſchen Ausſichten uͤberſteigen faſt die Beſchreibung. Der Wald, der vier Stunden im Umfang hat, iſt mit Gaͤngen, Raſenſitzen, Ein- ſiedeleyen, Luſthaͤuſern und andern Ruheplaͤtzen verſchoͤnert, und die Anlagen wer- den noch fortgeſetzt. Die hohe Lage mit den entzuͤckenden Ausſichten macht ſchon an ſich dieſen Park zu einem der ſchoͤnſten in Deutſchland. Zu Geiſenheim, einem Dorfe im Rheingau, hat ebenfalls der Herr Graf einen praͤchtigen Palaſt angelegt, und ihn mit einem angenehmen Garten ver- bunden. Bey der Stadt Creuznach hat der Kaufmann Herr Schmerz eine neue An- lage gemacht, wobey die natuͤrliche Beſchaffenheit der Gegend mit gutem Geſchmack benutzet iſt. 9. Der Garten hinter dem Schloſſe zu Darmſtadt iſt voll Ernſt und Melan- cholie, und hat nichts von dem Glanz und der Pracht eines fuͤrſtlichen Gartens. Selbſt der wohlgebauete runde Tempel giebt ihm wegen der nahen und dichten Um- pflanzung nichts Heiteres. Es iſt meiſtens ein wildes, einſames, verſchloſſenes Waldſtuͤck, das mit verſchiedenen fremden Baumarten durchpflanzt iſt; wenigſtens hat die Pflanzung ſo viel Regelloſes, daß ſie einem Waldſtuͤck gleicht. Indeſſen gefaͤllt dieſer Garten einem Herzen, das ſich gern einer ſanften Melancholie uͤberlaͤßt, und

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/350>, abgerufen am 28.03.2024.