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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
lichsten Aussichten auf das Riesengebirge hat, in einen angenehmen Volksgarten
verwandelte. *)

17.

Dem neuen herzoglichen Garten zu Gotha, einem der vorzüglichen in ganz
Deutschland **), verdient noch die kleine reizende Anlage beygefügt zu werden, die
von der regierenden Frau Herzoginn, einer feinen Kennerinn der Künste, angelegt
ist. Außer den malerischen Aussichten in eine von der Natur und dem Anbau reich ge-
schmückte Ebene, und außer den anmuthigen Lustgebüschen, Gängen und verschie-
denen Scenen, erblickt man hier noch besonders mit Vergnügen das Wohngebäude,
das die Gestalt einer Kapelle im altgothischen Geschmack hat. ***)

Der Garten zu Wörlitz bey Dessau gehört, im Ganzen betrachtet, zu den
edelsten Anlagen in Deutschland, wie der Besitzer zu den besten Fürsten, ein Vater
seiner Unterthanen, ein Freund der Menschen und ein Kenner der Künste. Er hat
sein Land mit Gebäuden und Gärten verschönert, die lange Denkmäler seines eben
so feinen als männlichen Geschmacks seyn werden. Das Landhaus ist sehr schön, in
einem edlen Stil, der, einige Kleinigkeiten ausgenommen, mit einer reizenden Har-
monie im Ganzen und in einzelnen Theilen herrscht. Der Garten hat allerdings auch
viele Schönheiten, die zum Theil ein Werk der Ueberlegung sind, zum Theil aber
der Lage und den zufälligen Umständen zugehören. Er ist ganz zu der Klasse der
angenehmen zu rechnen, reich an Munterkeit und Heiterkeit der Durchsichten. Der
Fluß mit seinen verschiedenen abgeleiteten Gewässern, die Inseln, die Brücken, die
Ueberfahrten, die Pflanzungen, und die in freyen und edlen Wendungen zwischen
ihnen fortlaufenden Gänge wetteifern, die Reize dieses Gartens zu vollenden. Nur
Schade, daß er anfängt, sich hie und da in das Seltsame zu verirren. Man
braucht den rohen Eisenstein so häufig, und versucht dadurch Felsen nachzuahmen,
oder bringt ihn mit behauenen Steinen oder platten Wänden in einen ganz besondern
Contrast. Auch liebt man das Gothische mehr, als der Charakter der Anlage zu
verstatten scheint; fast alle Gebäude, große und kleine, werden nach dieser Bauart
aufgeführt. ****)

18. Die
*) Eine Beschreibung davon findet sich
in meinem Gartenkalender auf 1785.
**) S. 4ten B. S. 234--238.
***) Eine Abbildung davon ist im Gar-
tenkalender auf 1782 zu sehen.
****) Eine ausführliche Beschreibung
des Gartens ist lange angekündigt, und
[Spaltenumbruch] wird auch vielleicht erscheinen. Indessen
sind eben jetzt fünf große und schöne Ku-
pfertafeln vorausgegangen, welche den
Plan des Gartens, den Aufriß, Grund-
riß und Durchschnitt des Landhauses und
einige Theile der Architecturverzierungen
vorstellen.

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
lichſten Ausſichten auf das Rieſengebirge hat, in einen angenehmen Volksgarten
verwandelte. *)

17.

Dem neuen herzoglichen Garten zu Gotha, einem der vorzuͤglichen in ganz
Deutſchland **), verdient noch die kleine reizende Anlage beygefuͤgt zu werden, die
von der regierenden Frau Herzoginn, einer feinen Kennerinn der Kuͤnſte, angelegt
iſt. Außer den maleriſchen Ausſichten in eine von der Natur und dem Anbau reich ge-
ſchmuͤckte Ebene, und außer den anmuthigen Luſtgebuͤſchen, Gaͤngen und verſchie-
denen Scenen, erblickt man hier noch beſonders mit Vergnuͤgen das Wohngebaͤude,
das die Geſtalt einer Kapelle im altgothiſchen Geſchmack hat. ***)

Der Garten zu Woͤrlitz bey Deſſau gehoͤrt, im Ganzen betrachtet, zu den
edelſten Anlagen in Deutſchland, wie der Beſitzer zu den beſten Fuͤrſten, ein Vater
ſeiner Unterthanen, ein Freund der Menſchen und ein Kenner der Kuͤnſte. Er hat
ſein Land mit Gebaͤuden und Gaͤrten verſchoͤnert, die lange Denkmaͤler ſeines eben
ſo feinen als maͤnnlichen Geſchmacks ſeyn werden. Das Landhaus iſt ſehr ſchoͤn, in
einem edlen Stil, der, einige Kleinigkeiten ausgenommen, mit einer reizenden Har-
monie im Ganzen und in einzelnen Theilen herrſcht. Der Garten hat allerdings auch
viele Schoͤnheiten, die zum Theil ein Werk der Ueberlegung ſind, zum Theil aber
der Lage und den zufaͤlligen Umſtaͤnden zugehoͤren. Er iſt ganz zu der Klaſſe der
angenehmen zu rechnen, reich an Munterkeit und Heiterkeit der Durchſichten. Der
Fluß mit ſeinen verſchiedenen abgeleiteten Gewaͤſſern, die Inſeln, die Bruͤcken, die
Ueberfahrten, die Pflanzungen, und die in freyen und edlen Wendungen zwiſchen
ihnen fortlaufenden Gaͤnge wetteifern, die Reize dieſes Gartens zu vollenden. Nur
Schade, daß er anfaͤngt, ſich hie und da in das Seltſame zu verirren. Man
braucht den rohen Eiſenſtein ſo haͤufig, und verſucht dadurch Felſen nachzuahmen,
oder bringt ihn mit behauenen Steinen oder platten Waͤnden in einen ganz beſondern
Contraſt. Auch liebt man das Gothiſche mehr, als der Charakter der Anlage zu
verſtatten ſcheint; faſt alle Gebaͤude, große und kleine, werden nach dieſer Bauart
aufgefuͤhrt. ****)

18. Die
*) Eine Beſchreibung davon findet ſich
in meinem Gartenkalender auf 1785.
**) S. 4ten B. S. 234—238.
***) Eine Abbildung davon iſt im Gar-
tenkalender auf 1782 zu ſehen.
****) Eine ausfuͤhrliche Beſchreibung
des Gartens iſt lange angekuͤndigt, und
[Spaltenumbruch] wird auch vielleicht erſcheinen. Indeſſen
ſind eben jetzt fuͤnf große und ſchoͤne Ku-
pfertafeln vorausgegangen, welche den
Plan des Gartens, den Aufriß, Grund-
riß und Durchſchnitt des Landhauſes und
einige Theile der Architecturverzierungen
vorſtellen.
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[360/0368] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, lichſten Ausſichten auf das Rieſengebirge hat, in einen angenehmen Volksgarten verwandelte. *) 17. Dem neuen herzoglichen Garten zu Gotha, einem der vorzuͤglichen in ganz Deutſchland **), verdient noch die kleine reizende Anlage beygefuͤgt zu werden, die von der regierenden Frau Herzoginn, einer feinen Kennerinn der Kuͤnſte, angelegt iſt. Außer den maleriſchen Ausſichten in eine von der Natur und dem Anbau reich ge- ſchmuͤckte Ebene, und außer den anmuthigen Luſtgebuͤſchen, Gaͤngen und verſchie- denen Scenen, erblickt man hier noch beſonders mit Vergnuͤgen das Wohngebaͤude, das die Geſtalt einer Kapelle im altgothiſchen Geſchmack hat. ***) Der Garten zu Woͤrlitz bey Deſſau gehoͤrt, im Ganzen betrachtet, zu den edelſten Anlagen in Deutſchland, wie der Beſitzer zu den beſten Fuͤrſten, ein Vater ſeiner Unterthanen, ein Freund der Menſchen und ein Kenner der Kuͤnſte. Er hat ſein Land mit Gebaͤuden und Gaͤrten verſchoͤnert, die lange Denkmaͤler ſeines eben ſo feinen als maͤnnlichen Geſchmacks ſeyn werden. Das Landhaus iſt ſehr ſchoͤn, in einem edlen Stil, der, einige Kleinigkeiten ausgenommen, mit einer reizenden Har- monie im Ganzen und in einzelnen Theilen herrſcht. Der Garten hat allerdings auch viele Schoͤnheiten, die zum Theil ein Werk der Ueberlegung ſind, zum Theil aber der Lage und den zufaͤlligen Umſtaͤnden zugehoͤren. Er iſt ganz zu der Klaſſe der angenehmen zu rechnen, reich an Munterkeit und Heiterkeit der Durchſichten. Der Fluß mit ſeinen verſchiedenen abgeleiteten Gewaͤſſern, die Inſeln, die Bruͤcken, die Ueberfahrten, die Pflanzungen, und die in freyen und edlen Wendungen zwiſchen ihnen fortlaufenden Gaͤnge wetteifern, die Reize dieſes Gartens zu vollenden. Nur Schade, daß er anfaͤngt, ſich hie und da in das Seltſame zu verirren. Man braucht den rohen Eiſenſtein ſo haͤufig, und verſucht dadurch Felſen nachzuahmen, oder bringt ihn mit behauenen Steinen oder platten Waͤnden in einen ganz beſondern Contraſt. Auch liebt man das Gothiſche mehr, als der Charakter der Anlage zu verſtatten ſcheint; faſt alle Gebaͤude, große und kleine, werden nach dieſer Bauart aufgefuͤhrt. ****) 18. Die *) Eine Beſchreibung davon findet ſich in meinem Gartenkalender auf 1785. **) S. 4ten B. S. 234—238. ***) Eine Abbildung davon iſt im Gar- tenkalender auf 1782 zu ſehen. ****) Eine ausfuͤhrliche Beſchreibung des Gartens iſt lange angekuͤndigt, und wird auch vielleicht erſcheinen. Indeſſen ſind eben jetzt fuͤnf große und ſchoͤne Ku- pfertafeln vorausgegangen, welche den Plan des Gartens, den Aufriß, Grund- riß und Durchſchnitt des Landhauſes und einige Theile der Architecturverzierungen vorſtellen.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/368>, abgerufen am 28.03.2024.