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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.

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Fünftes Buch/ Kuchen- und Artzney-Garten.
Cap. CXXVI.
Von der Signatur der Kräuter.
[Spaltenumbruch]

JCh bin lang in Zweifel gestanden/ ob ich von
diesem etwas anregen solte; Nicht allein/
weil solche Erkänntnis mehr einem Medico als
Oeconomo nohtwendig; sondern auch/ weil
diese Quaestion zwar nicht in genere, sondern bey
vielen Gewächsen nur in specie, von vortrefflichen der
Artzney Doctoren und Professoren unterschiedlich be-
haubtet/ und gleichmässig widersprochen wird. Drit-
tens/ weil die Signaturen der Kräuter/ von unwis-
senden/ wahnsüchtigen/ und verwegenen Aertzten offt
mit den Haaren herbey gezogen; da doch ihre Wir-
ckungen gantz widerwärtig mit ihrer Signatur befun-
den werden/ also/ daß man nicht weiß/ ob ihr wei-
sendes Natur-Jnsigel/ dem Theil des Leibes/ darauf
sie scheinen zu deuten/ mehr zu fliehen oder zu brau-
chen sey/ oder eine gute oder böse Vorbedeutung ha-
be. Die bekannten und langbewährten Kräuter/ ha-
ben ihr Examen schon ausgestanden; Unbekannte a-
ber und neue; oder aber auch vorbekannte/ zu einem
fremden Gebrauch nehmen wollen/ hat nicht geringen
Fürwitz/ und grössere Gefahr auf sich/ als man glauben
kan/ daher ein Haußvatter von solchen Kräutern/
die innerlich des Leibes zu gebrauchen/ ohne Rath ei-
nes vernünfftigen erfahrnen Medici nie einnehmen
soll.

Diese Characteres und Signaturen nun/ werden von
der Gestalt/ Farbe/ Proportion, Geschmack und Geruch
genommen/ als die Saffrangelbe Farbe soll die Galle/
die weisse/ die zähen Schleime und Pituitam, die rothe/
das Geblüt/ und die schwartze Farbe die Melancholie
auszuführen/ oder die daher entstandene Kranckheiten
abzuwehren dienen/ und dieser Meynung sind vornem-
lich die Chymici. Da auch die Alten wol davon gewust
und geglaubt haben/ wie Plinius lib. 22. c. 6. meldet:
Naturae providentiam satis admirari amplectique
non est, pinxerat remedia in floribus, visuque
ipso animos invitaverat, etiam deliciis auxilia
permiscens.

Galenus hingegen/ und seine Nachfolger vermey-
nen/ daß der Gewächse Tugenden und Eigenschafften zu
erkennen/ auf die Farben und andere zufällige Dinge nicht
sonderlich viel zu bauen sey/ weil offt die Wirckung de-
nen äusserlichen Zeichen und Anzeigungen gantz entgegen
lauffen/ also/ daß sie so offt fehlschlagen als zutreffen.
Wiewol es andere limitiren/ und das für die Signatur
halten/ die von den dreyen Principiis der Chymico-
rum
herrühren; und meynen/ der Geschmack entstehe
vom Saltz/ der Geruch vom Schwefel/ und die Farb
von allen beeden/ am meisten aber vom Mercurio,
daher wo eines oder das andere vorschlägt/ und ent-
weder im höchsten/ geringesten oder mittelmässigen
Grad ist/ daraus sey es in einem oder dem andern Zu-
stand zu appliciren oder zu meiden.

[Spaltenumbruch]

Vornemlich aber ist Ratio & Experientia der
Vernunfft-Schluß und Erfahrung vor allen zu beob-
achten/ wiewol der letzern am gewissesten zu folgen/ weil
die Vernunfft ohne Experienz mehr im Wahn als
in der Warheit bestehen kan/ und ein jeder glaubt/ sei-
ne starck-gefasste Meynung sey auf die Vernunfft ge-
gründet/ deren doch ohne Erfahrenheit übel zu trauen
ist; darum sie auch rerum omnium Magistra &
Fundamentum
genennet wird.

Also nun wann die verborgenen oder offenbahren
Eigenschafften und Wirckungen der Kräuter zu erfor-
schen sind/ ist vor allen die Erfahrung zu beobachten.
Die verborgenen Kräfften werden allein durch die Er-
fahrung erlernet/ die offenbaren aber ex ratione &
experientia,
doch ist der ersten weniger als der andern
zu trauen/ denn diese ist gewiß/ die andere mißlich.
Die Erfahrung zeigt offt etwas/ dem der Vernunfft-
Schluß widerspricht/ darum welche Sachen die ration
erfindet/ müssen solche durch die Sinnen und Erfahrung
gegründet werden; wann diese mit jenen einstimmen/
sind sie anzunehmen; wann sie das Gegenspiel zeigen/
sind sie zu verwerffen/ wie der alte Herr Sebizius be-
zeuget.

Wiewol auch die Erfahrung sehr genau zu beden-
cken/ nachdem sie von einem Ort herkommt; sie ist offt
eine Tochter der Verwegenheit/ und ein eitler Ruhm
der Landstreicher/ die auf des Patienten Gefahr/ was
ihnen einmal gerathen/ alles liederlich wagen/ und
die Zufälle der Zeit/ der Complexion des Zustandes
und dergleichen/ weniger zu Gemühte ziehen/ als den
Gewinn/ darauf ihr einiges Datum gerichtet ist/
darum ist aus einem Wolgerathen/ und Exempel nicht
darum verwegen von des Gewächses Krafft/ unfehl-
barer Grund zu setzen/ sondern es muß öffters wieder-
holt und die Wirckung beständig und gewiß seyn ge-
funden worden.

Darnach muß man das wirckende Kraut/ und das
Subjectum, darinn es operiren solle/ betrachten;
weil die Gewächse durch die Zeit der Sammlung/ durch
die Quantitet, und von dem Ort/ wo sie gesammlet
sind/ sehr unterschiedlich/ die Menschlichen Leiber aber am
Alter/ Geschlecht/ Temperament und Constitution
des Leibes/ selten zusammen stimmen.

Also ist so wol in der Signatur, als in der Expe-
rienz
nichts haubtsächliches/ ohn eines guten Medici
Raht vorzunehmen/ ausser in Erkennung seiner Na-
tur/ was man von langer Hand her weiß/ was seiner
Natur und Temperament tauglich oder undienlich
ist; was die blosse Signatur anlanget/ ist derselben/
ohne die langbewährte und von guten berühmten Me-
dicis approbir
te Erfahrung/ übel zu trauen/ denn ob

sie wol
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Fuͤnftes Buch/ Kuchen- und Artzney-Garten.
Cap. CXXVI.
Von der Signatur der Kraͤuter.
[Spaltenumbruch]

JCh bin lang in Zweifel geſtanden/ ob ich von
dieſem etwas anregen ſolte; Nicht allein/
weil ſolche Erkaͤnntnis mehr einem Medico als
Oeconomo nohtwendig; ſondern auch/ weil
dieſe Quæſtion zwar nicht in genere, ſondern bey
vielen Gewaͤchſen nur in ſpecie, von vortrefflichen der
Artzney Doctoren und Profeſſoren unterſchiedlich be-
haubtet/ und gleichmaͤſſig widerſprochen wird. Drit-
tens/ weil die Signaturen der Kraͤuter/ von unwiſ-
ſenden/ wahnſuͤchtigen/ und verwegenen Aertzten offt
mit den Haaren herbey gezogen; da doch ihre Wir-
ckungen gantz widerwaͤrtig mit ihrer Signatur befun-
den werden/ alſo/ daß man nicht weiß/ ob ihr wei-
ſendes Natur-Jnſigel/ dem Theil des Leibes/ darauf
ſie ſcheinen zu deuten/ mehr zu fliehen oder zu brau-
chen ſey/ oder eine gute oder boͤſe Vorbedeutung ha-
be. Die bekannten und langbewaͤhrten Kraͤuter/ ha-
ben ihr Examen ſchon ausgeſtanden; Unbekannte a-
ber und neue; oder aber auch vorbekannte/ zu einem
fremden Gebrauch nehmen wollen/ hat nicht geringen
Fuͤrwitz/ und groͤſſere Gefahr auf ſich/ als man glauben
kan/ daher ein Haußvatter von ſolchen Kraͤutern/
die innerlich des Leibes zu gebrauchen/ ohne Rath ei-
nes vernuͤnfftigen erfahrnen Medici nie einnehmen
ſoll.

Dieſe Characteres und Signaturen nun/ werden von
der Geſtalt/ Farbe/ Proportion, Geſchmack und Geruch
genommen/ als die Saffrangelbe Farbe ſoll die Galle/
die weiſſe/ die zaͤhen Schleime und Pituitam, die rothe/
das Gebluͤt/ und die ſchwartze Farbe die Melancholie
auszufuͤhren/ oder die daher entſtandene Kranckheiten
abzuwehren dienen/ und dieſer Meynung ſind vornem-
lich die Chymici. Da auch die Alten wol davon gewuſt
und geglaubt haben/ wie Plinius lib. 22. c. 6. meldet:
Naturæ providentiam ſatis admirari amplectiquè
non eſt, pinxerat remedia in floribus, viſuquè
ipſo animos invitaverat, etiam deliciis auxilia
permiſcens.

Galenus hingegen/ und ſeine Nachfolger vermey-
nen/ daß der Gewaͤchſe Tugenden und Eigenſchafften zu
erkennen/ auf die Farben und andere zufaͤllige Dinge nicht
ſonderlich viel zu bauen ſey/ weil offt die Wirckung de-
nen aͤuſſerlichen Zeichen und Anzeigungen gantz entgegen
lauffen/ alſo/ daß ſie ſo offt fehlſchlagen als zutreffen.
Wiewol es andere limitiren/ und das fuͤr die Signatur
halten/ die von den dreyen Principiis der Chymico-
rum
herruͤhren; und meynen/ der Geſchmack entſtehe
vom Saltz/ der Geruch vom Schwefel/ und die Farb
von allen beeden/ am meiſten aber vom Mercurio,
daher wo eines oder das andere vorſchlaͤgt/ und ent-
weder im hoͤchſten/ geringeſten oder mittelmaͤſſigen
Grad iſt/ daraus ſey es in einem oder dem andern Zu-
ſtand zu appliciren oder zu meiden.

[Spaltenumbruch]

Vornemlich aber iſt Ratio & Experientia der
Vernunfft-Schluß und Erfahrung vor allen zu beob-
achten/ wiewol der letzern am gewiſſeſten zu folgen/ weil
die Vernunfft ohne Experienz mehr im Wahn als
in der Warheit beſtehen kan/ und ein jeder glaubt/ ſei-
ne ſtarck-gefaſſte Meynung ſey auf die Vernunfft ge-
gruͤndet/ deren doch ohne Erfahrenheit uͤbel zu trauen
iſt; darum ſie auch rerum omnium Magiſtra &
Fundamentum
genennet wird.

Alſo nun wann die verborgenen oder offenbahren
Eigenſchafften und Wirckungen der Kraͤuter zu erfor-
ſchen ſind/ iſt vor allen die Erfahrung zu beobachten.
Die verborgenen Kraͤfften werden allein durch die Er-
fahrung erlernet/ die offenbaren aber ex ratione &
experientiâ,
doch iſt der erſten weniger als der andern
zu trauen/ denn dieſe iſt gewiß/ die andere mißlich.
Die Erfahrung zeigt offt etwas/ dem der Vernunfft-
Schluß widerſpricht/ darum welche Sachen die ration
erfindet/ muͤſſen ſolche durch die Sinnen und Erfahrung
gegruͤndet werden; wann dieſe mit jenen einſtimmen/
ſind ſie anzunehmen; wann ſie das Gegenſpiel zeigen/
ſind ſie zu verwerffen/ wie der alte Herr Sebizius be-
zeuget.

Wiewol auch die Erfahrung ſehr genau zu beden-
cken/ nachdem ſie von einem Ort herkommt; ſie iſt offt
eine Tochter der Verwegenheit/ und ein eitler Ruhm
der Landſtreicher/ die auf des Patienten Gefahr/ was
ihnen einmal gerathen/ alles liederlich wagen/ und
die Zufaͤlle der Zeit/ der Complexion des Zuſtandes
und dergleichen/ weniger zu Gemuͤhte ziehen/ als den
Gewinn/ darauf ihr einiges Datum gerichtet iſt/
darum iſt aus einem Wolgerathen/ und Exempel nicht
darum verwegen von des Gewaͤchſes Krafft/ unfehl-
barer Grund zu ſetzen/ ſondern es muß oͤffters wieder-
holt und die Wirckung beſtaͤndig und gewiß ſeyn ge-
funden worden.

Darnach muß man das wirckende Kraut/ und das
Subjectum, darinn es operiren ſolle/ betrachten;
weil die Gewaͤchſe durch die Zeit der Sammlung/ durch
die Quantitet, und von dem Ort/ wo ſie geſammlet
ſind/ ſehr unterſchiedlich/ die Menſchlichen Leiber aber am
Alter/ Geſchlecht/ Temperament und Conſtitution
des Leibes/ ſelten zuſammen ſtimmen.

Alſo iſt ſo wol in der Signatur, als in der Expe-
rienz
nichts haubtſaͤchliches/ ohn eines guten Medici
Raht vorzunehmen/ auſſer in Erkennung ſeiner Na-
tur/ was man von langer Hand her weiß/ was ſeiner
Natur und Temperament tauglich oder undienlich
iſt; was die bloſſe Signatur anlanget/ iſt derſelben/
ohne die langbewaͤhrte und von guten beruͤhmten Me-
dicis approbir
te Erfahrung/ uͤbel zu trauen/ denn ob

ſie wol
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[571[569]/0587] Fuͤnftes Buch/ Kuchen- und Artzney-Garten. Cap. CXXVI. Von der Signatur der Kraͤuter. JCh bin lang in Zweifel geſtanden/ ob ich von dieſem etwas anregen ſolte; Nicht allein/ weil ſolche Erkaͤnntnis mehr einem Medico als Oeconomo nohtwendig; ſondern auch/ weil dieſe Quæſtion zwar nicht in genere, ſondern bey vielen Gewaͤchſen nur in ſpecie, von vortrefflichen der Artzney Doctoren und Profeſſoren unterſchiedlich be- haubtet/ und gleichmaͤſſig widerſprochen wird. Drit- tens/ weil die Signaturen der Kraͤuter/ von unwiſ- ſenden/ wahnſuͤchtigen/ und verwegenen Aertzten offt mit den Haaren herbey gezogen; da doch ihre Wir- ckungen gantz widerwaͤrtig mit ihrer Signatur befun- den werden/ alſo/ daß man nicht weiß/ ob ihr wei- ſendes Natur-Jnſigel/ dem Theil des Leibes/ darauf ſie ſcheinen zu deuten/ mehr zu fliehen oder zu brau- chen ſey/ oder eine gute oder boͤſe Vorbedeutung ha- be. Die bekannten und langbewaͤhrten Kraͤuter/ ha- ben ihr Examen ſchon ausgeſtanden; Unbekannte a- ber und neue; oder aber auch vorbekannte/ zu einem fremden Gebrauch nehmen wollen/ hat nicht geringen Fuͤrwitz/ und groͤſſere Gefahr auf ſich/ als man glauben kan/ daher ein Haußvatter von ſolchen Kraͤutern/ die innerlich des Leibes zu gebrauchen/ ohne Rath ei- nes vernuͤnfftigen erfahrnen Medici nie einnehmen ſoll. Dieſe Characteres und Signaturen nun/ werden von der Geſtalt/ Farbe/ Proportion, Geſchmack und Geruch genommen/ als die Saffrangelbe Farbe ſoll die Galle/ die weiſſe/ die zaͤhen Schleime und Pituitam, die rothe/ das Gebluͤt/ und die ſchwartze Farbe die Melancholie auszufuͤhren/ oder die daher entſtandene Kranckheiten abzuwehren dienen/ und dieſer Meynung ſind vornem- lich die Chymici. Da auch die Alten wol davon gewuſt und geglaubt haben/ wie Plinius lib. 22. c. 6. meldet: Naturæ providentiam ſatis admirari amplectiquè non eſt, pinxerat remedia in floribus, viſuquè ipſo animos invitaverat, etiam deliciis auxilia permiſcens. Galenus hingegen/ und ſeine Nachfolger vermey- nen/ daß der Gewaͤchſe Tugenden und Eigenſchafften zu erkennen/ auf die Farben und andere zufaͤllige Dinge nicht ſonderlich viel zu bauen ſey/ weil offt die Wirckung de- nen aͤuſſerlichen Zeichen und Anzeigungen gantz entgegen lauffen/ alſo/ daß ſie ſo offt fehlſchlagen als zutreffen. Wiewol es andere limitiren/ und das fuͤr die Signatur halten/ die von den dreyen Principiis der Chymico- rum herruͤhren; und meynen/ der Geſchmack entſtehe vom Saltz/ der Geruch vom Schwefel/ und die Farb von allen beeden/ am meiſten aber vom Mercurio, daher wo eines oder das andere vorſchlaͤgt/ und ent- weder im hoͤchſten/ geringeſten oder mittelmaͤſſigen Grad iſt/ daraus ſey es in einem oder dem andern Zu- ſtand zu appliciren oder zu meiden. Vornemlich aber iſt Ratio & Experientia der Vernunfft-Schluß und Erfahrung vor allen zu beob- achten/ wiewol der letzern am gewiſſeſten zu folgen/ weil die Vernunfft ohne Experienz mehr im Wahn als in der Warheit beſtehen kan/ und ein jeder glaubt/ ſei- ne ſtarck-gefaſſte Meynung ſey auf die Vernunfft ge- gruͤndet/ deren doch ohne Erfahrenheit uͤbel zu trauen iſt; darum ſie auch rerum omnium Magiſtra & Fundamentum genennet wird. Alſo nun wann die verborgenen oder offenbahren Eigenſchafften und Wirckungen der Kraͤuter zu erfor- ſchen ſind/ iſt vor allen die Erfahrung zu beobachten. Die verborgenen Kraͤfften werden allein durch die Er- fahrung erlernet/ die offenbaren aber ex ratione & experientiâ, doch iſt der erſten weniger als der andern zu trauen/ denn dieſe iſt gewiß/ die andere mißlich. Die Erfahrung zeigt offt etwas/ dem der Vernunfft- Schluß widerſpricht/ darum welche Sachen die ration erfindet/ muͤſſen ſolche durch die Sinnen und Erfahrung gegruͤndet werden; wann dieſe mit jenen einſtimmen/ ſind ſie anzunehmen; wann ſie das Gegenſpiel zeigen/ ſind ſie zu verwerffen/ wie der alte Herr Sebizius be- zeuget. Wiewol auch die Erfahrung ſehr genau zu beden- cken/ nachdem ſie von einem Ort herkommt; ſie iſt offt eine Tochter der Verwegenheit/ und ein eitler Ruhm der Landſtreicher/ die auf des Patienten Gefahr/ was ihnen einmal gerathen/ alles liederlich wagen/ und die Zufaͤlle der Zeit/ der Complexion des Zuſtandes und dergleichen/ weniger zu Gemuͤhte ziehen/ als den Gewinn/ darauf ihr einiges Datum gerichtet iſt/ darum iſt aus einem Wolgerathen/ und Exempel nicht darum verwegen von des Gewaͤchſes Krafft/ unfehl- barer Grund zu ſetzen/ ſondern es muß oͤffters wieder- holt und die Wirckung beſtaͤndig und gewiß ſeyn ge- funden worden. Darnach muß man das wirckende Kraut/ und das Subjectum, darinn es operiren ſolle/ betrachten; weil die Gewaͤchſe durch die Zeit der Sammlung/ durch die Quantitet, und von dem Ort/ wo ſie geſammlet ſind/ ſehr unterſchiedlich/ die Menſchlichen Leiber aber am Alter/ Geſchlecht/ Temperament und Conſtitution des Leibes/ ſelten zuſammen ſtimmen. Alſo iſt ſo wol in der Signatur, als in der Expe- rienz nichts haubtſaͤchliches/ ohn eines guten Medici Raht vorzunehmen/ auſſer in Erkennung ſeiner Na- tur/ was man von langer Hand her weiß/ was ſeiner Natur und Temperament tauglich oder undienlich iſt; was die bloſſe Signatur anlanget/ iſt derſelben/ ohne die langbewaͤhrte und von guten beruͤhmten Me- dicis approbirte Erfahrung/ uͤbel zu trauen/ denn ob ſie wol C c c c

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Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 571[569]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/587>, abgerufen am 28.03.2024.