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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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so in der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt das
begeisterte Gefühl an und berührt uns, gleich wie ein sanfter Wind
vom blauen Himmel weht.

Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur, besonders
der exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poesie descri-
ptive
. Es ist nicht zu verkennen, daß man hierbei mitunter
auf Abwege gerathen ist, insofern eine gezierte Schwülstigkeit gar
oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß. Es ist immer
gefährlich, bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen
des Schmucks der Rede zu bedienen, wenn auch der Hauch der Poesie
niemals fehlen sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß der, wel-
cher das Bild aufstellt, ganz in demselben aufgeht, und sich selbst
der Betrachtung entzieht.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht
übergehen, insofern sie sich mit dem Characteristischen der ein-
zelnen Pflanzenformen und der Physiognomik der Natur über-
haupt beschäftigt.

Bei den Alten war dieß nur Nebenwerk und sie bedienten
sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser fest-
stehender Typen, wie wir dieß auch an den neuaufgefundenen
Werken größerer Meister bemerken, welche vor kurzem aus
Pompeji und Herkulanum ans Licht gefördert worden und mit
welchen uns die treuen Abbildungen des Architecten Zahn
bekannt machen.

Zur Zeit des Auflebens der italischen Kunst finden wir den

so in der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt das
begeisterte Gefühl an und berührt uns, gleich wie ein sanfter Wind
vom blauen Him̃el weht.

Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur, besonders
der exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poesie descri-
ptive
. Es ist nicht zu verkennen, daß man hierbei mitunter
auf Abwege gerathen ist, insofern eine gezierte Schwülstigkeit gar
oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß. Es ist im̃er
gefährlich, bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen
des Schmucks der Rede zu bedienen, weñ auch der Hauch der Poesie
niemals fehlen sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß der, wel-
cher das Bild aufstellt, ganz in demselben aufgeht, und sich selbst
der Betrachtung entzieht.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht
übergehen, insofern sie sich mit dem Characteristischen der ein-
zelnen Pflanzenformen und der Physiognomik der Natur über-
haupt beschäftigt.

Bei den Alten war dieß nur Nebenwerk und sie bedienten
sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser fest-
stehender Typen, wie wir dieß auch an den neuaufgefundenen
Werken größerer Meister bemerken, welche vor kurzem aus
Pompeji und Herkulanum ans Licht gefördert worden und mit
welchen uns die treuen Abbildungen des Architecten Zahn
bekannt machen.

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[152/0156] so in der Reise, in der Metamorphose der Pflanzen, überall klingt das begeisterte Gefühl an u berührt uns, gleich wie ein sanfter Wind vom blauen Him̃el weht. Bei den Franzosen bilden diese Schilderungen der Natur, besonders der exotischen, einen eignen Zweig der Litteratur, die poesie descri- ptive. Es ist nicht zu verkennen, daß man hierbei mitunter auf Abwege gerathen ist, insofern eine gezierte Schwülstigkeit gar oft den Mangel des innern Gefühls ersetzen muß. Es ist im̃er gefährlich, bei der Schilderung großer Gegenstände sich ungemessen des Schmucks der Rede zu bedienen, weñ auch der Hauch der Poesie niemals fehlen sollte. Eine Hauptsache liegt darin, daß der, wel- cher das Bild aufstellt, ganz in demselben aufgeht, und sich selbst der Betrachtung entzieht. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftsmalerei nicht übergehen, insofern sie sich mit dem Characteristischen der ein- zelnen Pflanzenformen und der Physiognomik der Natur über- haupt beschäftigt. Bei den Alten war dieß nur Nebenwerk und sie bedienten sich zur Darstellung der anorganischen Natur gewisser fest- stehender Typen, wie wir dieß auch an den neuaufgefundenen Werken größerer Meister bemerken, welche vor kurzem aus Pompeji u Herkulanum ans Licht gefördert worden u mit welchen uns die treuen Abbildungen des Architecten Zahn bekannt machen. Zur Zeit des Auflebens der italischen Kunst finden wir den

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/156>, abgerufen am 25.04.2024.