Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Proserpina bedürfte. Mr. Simmes hat sich ganz kürzlich an den Magi-
strat von Augsburg gewendet, um ihn zur Hülfeleistung bei seinem
Unternehmen aufzufordern.

Die Erdrinde zieigt eine so große Mannigfaltigkeit in ihrem Bau, daß
die Geognosten sich berechtigt halten, mehrere große Abtheilungen zu un-
terscheiden und eine successive Bildung anzunehmen. Die Grundlage der
verschiedenen Geschosse bilden:

1. Die Urgebirge. Alle Glieder dieser Abtheilung tragen das Gepräge einer
chemischen Bildung, sie sind crystallinisch, alles ist, wie aus einem Gusse.
Es ist wahrscheinlich, daß diese Massen durch einen Oxydationsprozeß
entstanden sind und nicht uranfänglich so waren. Versteinerungen,
als Denkmäler organischer lebender Wesen finden sich in ihnen gar
nicht. Granit, Gneiß, Glimmerschiefer, Urkalk, Urthonschiefer und eine
Formation, die ihre Stelle einnimmt, auf der Grenze der Ur- und
Uebergangsgebirge: der Gabbro des Herrn v. Buch, der Euphothyd des Herrn
Haugy, der Ophiolit des Herrn Brogniart, den man früher mit dem
Namen serpentinartiger Urgrünstein bezeichnete. Das älteste Gebil-
de aus dem Gebiete der Urzeit, deren Beobachtung vergönnt ge-
wesen, ist der Granit. Diese Gebirgs-Art ist aus Quarz, Feldspath
und Glimmer zusammengesetzt, so, daß sie in ihrer Structur vom grob-
körnigen bis zum sehr feinkörnigen vorkommt. Der Granit bildet
die höchsten und steilsten Punkte auf der Oberfläche der Erde, und dehnt
sich in Gestalt von Ketten und Gebirgsgruppen über den ganzen Pla-
neten aus. Der Gipfel der Andeskette, der Chimborasso, den man
lange für den höchsten der Gebirgsrücken gehalten, besteht jedoch

Proserpina bedürfte. Mr. Simmes hat sich ganz kürzlich an den Magi-
strat von Augsburg gewendet, um ihn zur Hülfeleistung bei seinem
Unternehmen aufzufordern.

Die Erdrinde zieigt eine so große Mannigfaltigkeit in ihrem Bau, daß
die Geognosten sich berechtigt halten, mehrere große Abtheilungen zu un-
terscheiden und eine successive Bildung anzunehmen. Die Grundlage der
verschiedenen Geschosse bilden:

1. Die Urgebirge. Alle Glieder dieser Abtheilung tragen das Gepräge einer
chemischen Bildung, sie sind crystallinisch, alles ist, wie aus einem Gusse.
Es ist wahrscheinlich, daß diese Massen durch einen Oxydationsprozeß
entstanden sind und nicht uranfänglich so waren. Versteinerungen,
als Denkmäler organischer lebender Wesen finden sich in ihnen gar
nicht. Granit, Gneiß, Glim̃erschiefer, Urkalk, Urthonschiefer und eine
Formation, die ihre Stelle einnim̃t, auf der Grenze der Ur- und
Uebergangsgebirge: der Gabbro des Herrn v. Buch, der Euphothyd des Herrn
Haugy, der Ophiolit des Herrn Brogniart, den man früher mit dem
Namen serpentinartiger Urgrünstein bezeichnete. Das älteste Gebil-
de aus dem Gebiete der Urzeit, deren Beobachtung vergöñt ge-
wesen, ist der Granit. Diese Gebirgs-Art ist aus Quarz, Feldspath
und Glim̃er zusam̃engesetzt, so, daß sie in ihrer Structur vom grob-
körnigen bis zum sehr feinkörnigen vorkom̃t. Der Granit bildet
die höchsten und steilsten Punkte auf der Oberfläche der Erde, und dehnt
sich in Gestalt von Ketten und Gebirgsgruppen über den ganzen Pla-
neten aus. Der Gipfel der Andeskette, der Chimborasso, den man
lange für den höchsten der Gebirgsrücken gehalten, besteht jedoch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="5">
        <p><pb facs="#f0039" n="35"/>
Proserpina bedürfte. <hi rendition="#aq">Mr. <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-139820744 http://d-nb.info/gnd/139820744">Simmes</persName></hi> hat sich ganz kürzlich an den Magi-<lb/>
strat von Augsburg gewendet, um ihn zur Hülfeleistung bei seinem<lb/>
Unternehmen aufzufordern.</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#u">Erdrinde z<subst><del rendition="#ow">i</del><add place="across">e</add></subst>igt eine so große Mannigfaltigkeit</hi> in ihrem Bau, daß<lb/>
die Geognosten sich berechtigt halten, mehrere große Abtheilungen zu un-<lb/>
terscheiden und eine successive Bildung anzunehmen. Die Grundlage der<lb/>
verschiedenen Geschosse bilden:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#u">1. Die Urgebirge.</hi> Alle Glieder dieser Abtheilung tragen das Gepräge einer<lb/>
chemischen Bildung, sie sind crystallinisch, alles ist, wie aus einem Gusse.<lb/>
Es ist wahrscheinlich, daß diese Massen durch einen Oxydationsprozeß<lb/>
entstanden sind und nicht <choice><orig>uranfanglich</orig><reg resp="#TK">uranfänglich</reg></choice> so waren. Versteinerungen,<lb/>
als <choice><orig>Denkmaler</orig><reg resp="#TK">Denkmäler</reg></choice> organischer lebender Wesen finden sich in ihnen gar<lb/>
nicht. Granit, Gneiß, Glim&#x0303;erschiefer, Urkalk, Urthonschiefer und eine<lb/>
Formation, die ihre Stelle einnim&#x0303;t, auf der Grenze der Ur- und<lb/>
Uebergangsgebirge: der <hi rendition="#aq">Gabbro</hi> des <choice><abbr><hi rendition="#aq">H&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#TK">Herrn</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116817569 http://d-nb.info/gnd/116817569">v. Buch</persName></hi>,<note resp="#BF" type="editorial"><bibl>Leopold von Buch: Über den Gabbro, mit einigen Bemerkungen über den Begriff einer Gebirgsart. Gelesen in der Academie der Wissenschaften den 12ten October 1809. In: Der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuesten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 4. Jahrgang, Berlin 1810, S. 128&#x2013;149. Online verfügbar: <ref target="https://books.google.de/books?id=xDzRF77v3CAC&amp;pg=PA128">Google Books, abgerufen am 16.02.2015.</ref></bibl></note> der <hi rendition="#aq">Euphothyd</hi> des <choice><abbr>H&#xFFFC;</abbr><expan resp="#TK">Herrn</expan></choice><lb/><hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119097125 http://d-nb.info/gnd/119097125">Hau<subst><del rendition="#ow">g</del><add place="across">y</add></subst></persName></hi>, der <hi rendition="#aq">Ophiolit</hi> des <choice><abbr><hi rendition="#aq">H&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#TK">Herrn</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116685298 http://d-nb.info/gnd/116685298">Brogniart</persName></hi>,<note resp="#BF" type="editorial">Vgl. <bibl>Brongniart, Alexandre: Classification et Caractères minéralogiques des Roches homogènes et hétérogènes. Levrault, Paris 1827, insbesondere S. 94&#x2013;95.</bibl> Online verfügbar: <ref target="http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10283100-8">MDZ München, abgerufen am 29.12.2015</ref>.</note> den man früher mit dem<lb/>
Namen serpentinartiger Urgrünstein bezeichnete. Das älteste Gebil-<lb/>
de aus dem Gebiete der Urzeit, deren Beobachtung vergön&#x0303;t ge-<lb/>
wesen, ist der Granit. Diese <choice><orig>GebirgsArt</orig><reg resp="#TK">Gebirgs-Art</reg></choice> ist aus Quarz, Feldspath<lb/><choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> Glim&#x0303;er zusam&#x0303;engesetzt, so, daß sie in ihrer Structur vom grob-<lb/>
körnigen bis zum sehr feinkörnigen vorkom&#x0303;t. Der Granit bildet<lb/>
die höchsten <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> steilsten Punkte auf der Oberfläche der Erde, und dehnt<lb/>
sich in Gestalt von Ketten <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> Gebirgsgruppen über den ganzen Pla-<lb/>
neten aus. Der Gipfel der Andeskette, der <hi rendition="#aq">Chimborasso</hi>, den man<lb/>
lange für den höchsten der Gebirgsrücken gehalten, besteht jedoch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0039] Proserpina bedürfte. Mr. Simmes hat sich ganz kürzlich an den Magi- strat von Augsburg gewendet, um ihn zur Hülfeleistung bei seinem Unternehmen aufzufordern. Die Erdrinde zieigt eine so große Mannigfaltigkeit in ihrem Bau, daß die Geognosten sich berechtigt halten, mehrere große Abtheilungen zu un- terscheiden und eine successive Bildung anzunehmen. Die Grundlage der verschiedenen Geschosse bilden: 1. Die Urgebirge. Alle Glieder dieser Abtheilung tragen das Gepräge einer chemischen Bildung, sie sind crystallinisch, alles ist, wie aus einem Gusse. Es ist wahrscheinlich, daß diese Massen durch einen Oxydationsprozeß entstanden sind und nicht uranfanglich so waren. Versteinerungen, als Denkmaler organischer lebender Wesen finden sich in ihnen gar nicht. Granit, Gneiß, Glim̃erschiefer, Urkalk, Urthonschiefer und eine Formation, die ihre Stelle einnim̃t, auf der Grenze der Ur- und Uebergangsgebirge: der Gabbro des H v. Buch, der Euphothyd des H Haugy, der Ophiolit des H Brogniart, den man früher mit dem Namen serpentinartiger Urgrünstein bezeichnete. Das älteste Gebil- de aus dem Gebiete der Urzeit, deren Beobachtung vergöñt ge- wesen, ist der Granit. Diese GebirgsArt ist aus Quarz, Feldspath u Glim̃er zusam̃engesetzt, so, daß sie in ihrer Structur vom grob- körnigen bis zum sehr feinkörnigen vorkom̃t. Der Granit bildet die höchsten u steilsten Punkte auf der Oberfläche der Erde, und dehnt sich in Gestalt von Ketten u Gebirgsgruppen über den ganzen Pla- neten aus. Der Gipfel der Andeskette, der Chimborasso, den man lange für den höchsten der Gebirgsrücken gehalten, besteht jedoch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/39
Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/39>, abgerufen am 19.04.2024.