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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Mehr als 2/3 der Oberfläche unsres Planeten wird von einer Wasserhülle2. Wasser

bedeckt, die durch Berührung mit der Athmosphäre den wichtigsten Einfluß
ausübt, sowohl auf das Clima der Continentalmassen als auch auf die thieri-
sche Schöpfung. Man hatte früher angenommen, daß die Lebensfunction der
Thiere erhalten werde durch eine Zersetzung des Wassers. Dies ist jedoch
nicht richtig, und es hat sich ergeben, daß sowohl die Fische, als die mit Kiemen
begabten Molusken, die dem Wasser beigemengte atmosphärische Luft athmen.
Die Untersuchungen über die Respiration der Fische, sind lange der Gegenstand
meiner Arbeiten gewesen und ich habe gefunden, daß die Fische der athmosphä-
rischen Luft zum Leben unumgänglich bedürfen. Es klingt auffallend und
doch ist es richtig, daß, nachdem es mir gelungen war, ein vollkommen
luftleeres Wasser darzustellen, die Fische darin ersaufen mußten. Das
luftfreie Wasser ist für sie eben so tödtend, als Chlor oder andere ihrer
Natur entgegenwirkende Substanzen. Lange hat man dem wunderbaren
Organ der Fische, der Schwimmblase eine Bedeutung zugelegt, mit der neuere
Untersuchungen nicht übereinstimmen. Man hatte angenommen, daß durch ver-
mehrtes oder vermindertes Ausfüllen der Blase mit Luft, die Fische im Stande
wären, ihr Volumen zu verändern und hiermit im Wasser sich willkühr-
lich auf und nieder zu bewegen. Man ist jetzt vielmehr geneigt, die Blase
im Zusammenhange mit dem Gehörorgan dieser Thiergattung zu glauben.
Eine neue, sehr merkwürdige Beobachtung lehrt, daß die Schwimmblase der
Fische, die an der Oberfläche des Wassers gefangen werden, Stickstoffgas
enthält, dagegen bei Fischen, die man aus einer Tiefe von 2 bis 3000 Fuß
heraus holte, der Inhalt aus reinem Sauerstoff besteht. - Eine noch keines-
wegs erklärte merkwürdige Thatsache! - Wenn zur Zeit des Aristoteles und
Aelian, wo man sich schon angelegentlichst mit dirder Respiration der Fische
beschäftigte, die zufällige Äusserung eines Lichts, oder ein anderer Umstand,
auf die ausgezeichnete Beschaffenheit des in der Schwimmblase enthaltenen
Gases aufmerksam gemacht hätte, so würden nicht 1800 Jahre haben vergehen

Mehr als ⅔ der Oberfläche unsres Planeten wird von einer Wasserhülle2. Wasser

bedeckt, die durch Berührung mit der Athmosphäre den wichtigsten Einfluß
ausübt, sowohl auf das Clima der Continentalmassen als auch auf die thieri-
sche Schöpfung. Man hatte früher angenom̃en, daß die Lebensfunction der
Thiere erhalten werde durch eine Zersetzung des Wassers. Dies ist jedoch
nicht richtig, und es hat sich ergeben, daß sowohl die Fische, als die mit Kiemen
begabten Molusken, die dem Wasser beigemengte atmosphärische Luft athmen.
Die Untersuchungen über die Respiration der Fische, sind lange der Gegenstand
meiner Arbeiten gewesen und ich habe gefunden, daß die Fische der athmosphä-
rischen Luft zum Leben unumgänglich bedürfen. Es klingt auffallend und
doch ist es richtig, daß, nachdem es mir gelungen war, ein vollkommen
luftleeres Wasser darzustellen, die Fische darin ersaufen mußten. Das
luftfreie Wasser ist für sie eben so tödtend, als Chlor oder andere ihrer
Natur entgegenwirkende Substanzen. Lange hat man dem wunderbaren
Organ der Fische, der Schwimmblase eine Bedeutung zugelegt, mit der neuere
Untersuchungen nicht übereinstimmen. Man hatte angenom̃en, daß durch ver-
mehrtes oder vermindertes Ausfüllen der Blase mit Luft, die Fische im Stande
wären, ihr Volumen zu verändern und hiermit im Wasser sich willkühr-
lich auf und nieder zu bewegen. Man ist jetzt vielmehr geneigt, die Blase
im Zusam̃enhange mit dem Gehörorgan dieser Thiergattung zu glauben.
Eine neue, sehr merkwürdige Beobachtung lehrt, daß die Schwim̃blase der
Fische, die an der Oberfläche des Wassers gefangen werden, Stickstoffgas
enthält, dagegen bei Fischen, die man aus einer Tiefe von 2 bis 3000 Fuß
heraus holte, der Inhalt aus reinem Sauerstoff besteht. – Eine noch keines-
wegs erklärte merkwürdige Thatsache! – Wenn zur Zeit des Aristoteles und
Aelian, wo man sich schon angelegentlichst mit dirder Respiration der Fische
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auf die ausgezeichnete Beschaffenheit des in der Schwim̃blase enthaltenen
Gases aufmerksam gemacht hätte, so würden nicht 1800 Jahre haben vergehen

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[53/0057] Mehr als ⅔ der Oberfläche unsres Planeten wird von einer Wasserhülle bedeckt, die durch Berührung mit der Athmosphäre den wichtigsten Einfluß ausübt, sowohl auf das Clima der Continentalmassen als auch auf die thieri- sche Schöpfung. Man hatte früher angenom̃en, daß die Lebensfunction der Thiere erhalten werde durch eine Zersetzung des Wassers. Dies ist jedoch nicht richtig, u es hat sich ergeben, daß sowohl die Fische, als die mit Kiemen begabten Molusken, die dem Wasser beigemengte atmosphärische Luft athmen. Die Untersuchungen über die Respiration der Fische, sind lange der Gegenstand meiner Arbeiten gewesen u ich habe gefunden, daß die Fische der athmosphä- rischen Luft zum Leben unumgänglich bedürfen. Es klingt auffallend und doch ist es richtig, daß, nachdem es mir gelungen war, ein vollkommen luftleeres Wasser darzustellen, die Fische darin ersaufen mußten. Das luftfreie Wasser ist für sie eben so tödtend, als Chlor oder andere ihrer Natur entgegenwirkende Substanzen. Lange hat man dem wunderbaren Organ der Fische, der Schwimmblase eine Bedeutung zugelegt, mit der neuere Untersuchungen nicht übereinstimmen. Man hatte angenom̃en, daß durch ver- mehrtes oder vermindertes Ausfüllen der Blase mit Luft, die Fische im Stande wären, ihr Volumen zu verändern u hiermit im Wasser sich willkühr- lich auf und niederzubewegen. Man ist jetzt vielmehr geneigt, die Blase im Zusam̃enhange mit dem Gehörorgan dieser Thiergattung zu glauben. Eine neue, sehr merkwürdige Beobachtung lehrt, daß die Schwim̃blase der Fische, die an der Oberfläche des Wassers gefangen werden, Stickstoffgas enthält, dagegen bei Fischen, die man aus einer Tiefe von 2 bis 3000 Fuß heraus holte, der Inhalt aus reinem Sauerstoff besteht. – Eine noch keines- wegs erklärte merkwürdige Thatsache! – Wenn zur Zeit des Aristoteles u Aelian, wo man sich schon angelegentlichst mit dirder Respiration der Fische beschäftigte, die zufällige Äusserung eines Lichts, oder ein anderer Umstand, auf die ausgezeichnete Beschaffenheit des in der Schwim̃blase enthaltenen Gases aufmerksam gemacht hätte, so würden nicht 1800 Jahre haben vergehen 2. Wasser

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/57>, abgerufen am 28.03.2024.