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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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müssen, ehe durch die Entdeckung des oxyg[en], dieses verbreiteten, für den
Haushalt der Natur so wichtigen Grundstoffes, der Wissenschaft ein so bedeuten-
der Vortheil erwachsen konnte.

Seit 1782 hat man angefangen, die[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]ß die Erdoberfläche und den Ocean selbst
umgebende Luftmeer zu beschiffen. Man hatte sich von dieser Entdeckung be-
deutende Vortheile, besonders für die Meteorologie, versprochen, die aber dieser
Wissenschaft nicht in dem erwarteten Maasse zugeflossen sind. Der Versuch ist
mit zu vielen Schwierigkeiten verbunden, ist zu kostbar und die Zeit, welche
man in den höhern Regionen zubringen kann, ist zu kurz, um mit Muße und
Umsicht Beobachtungen zu machen, die flüchtig unternommenen, eher zu unsichern,
Resultaten führen, indem man auf Zufälligkeiten zu viel Gewicht legt. Dazu
kommt noch, daß man diese Luftreisen sämmtlich von Ebnen aus unternommen
hat, und sich auf diese Weise kaum so hoch aufschwang, als man auf hohen Ber-
gen zu gelangen im Stande ist. Die bedeutendste, auch für die Wissenschaft
wichtigste Ascension ist die von Gay-Lussac im Jahre 1804 in Paris unternommene.
Er gelangte bis zu der Höhe von 21600 Fuß, 4000 Fuß niedriger, als der
weisse Berg Dhawalagiri. Die Luft, welche er mit herabbrachte, und die ich
gemeinschaftlich mit ihm untersucht habe, gab durch ihre ungemeine Dilatation
einen Beweis der Höhe, aus der sie entnommen war, enthielt übrigens
alle Bestandtheile der uns umgebenden, dieselben 21 Theile Sauerstoff und
selbst einen Antheil Kohlensäure, obgleich diese Gasart schwerer ist, als die
athmosphärische Luft. In der weiten Einöde jener Höhen sind die letzten
lebenden Wesen, denen wir begegnen - Schmetterlinge, wahrschein-
lich unwillkürlich durch Luftströme in diese Regionen geführt. Ramond
hat auf dem Gipfel der Pyrenäen, Saussure auf den Alpen, und ich
selbst habe auch auf den Höhen der Andes, 20000 Fuß über dem Meere,
wo längst jede Spur von Vegetation aufhörte, diese und andere kleine
Insecten angetroffen.

Wenn je die freiere Cultur des menschlichen Geistes, wie man es

müssen, ehe durch die Entdeckung des oxyg[en], dieses verbreiteten, für den
Haushalt der Natur so wichtigen Grundstoffes, der Wissenschaft ein so bedeuten-
der Vortheil erwachsen konnte.

Seit 1782 hat man angefangen, die[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]ß die Erdoberfläche und den Ocean selbst
umgebende Luftmeer zu beschiffen. Man hatte sich von dieser Entdeckung be-
deutende Vortheile, besonders für die Meteorologie, versprochen, die aber dieser
Wissenschaft nicht in dem erwarteten Maasse zugeflossen sind. Der Versuch ist
mit zu vielen Schwierigkeiten verbunden, ist zu kostbar und die Zeit, welche
man in den höhern Regionen zubringen kann, ist zu kurz, um mit Muße und
Umsicht Beobachtungen zu machen, die flüchtig unternom̃enen, eher zu unsichern,
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hat, und sich auf diese Weise kaum so hoch aufschwang, als man auf hohen Ber-
gen zu gelangen im Stande ist. Die bedeutendste, auch für die Wissenschaft
wichtigste Ascension ist die von Gay-Lussac im Jahre 1804 in Paris unternom̃ene.
Er gelangte bis zu der Höhe von 21600 Fuß, 4000 Fuß niedriger, als der
weisse Berg Dhawalagiri. Die Luft, welche er mit herabbrachte, und die ich
gemeinschaftlich mit ihm untersucht habe, gab durch ihre ungemeine Dilatation
einen Beweis der Höhe, aus der sie entnommen war, enthielt übrigens
alle Bestandtheile der uns umgebenden, dieselben 21 Theile Sauerstoff und
selbst einen Antheil Kohlensäure, obgleich diese Gasart schwerer ist, als die
athmosphärische Luft. In der weiten Einöde jener Höhen sind die letzten
lebenden Wesen, denen wir begegnen – Schmetterlinge, wahrschein-
lich unwillkürlich durch Luftströme in diese Regionen geführt. Ramond
hat auf dem Gipfel der Pyrenäen, Saussure auf den Alpen, und ich
selbst habe auch auf den Höhen der Andes, 20000 Fuß über dem Meere,
wo längst jede Spur von Vegetation aufhörte, diese und andere kleine
Insecten angetroffen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/58>, abgerufen am 28.03.2024.