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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Man könnte die Capcolonie eine Menagerie der übrigen Welt nennen.
Vom 30 bis 35° in der Erst[r]eckung vom Vorgebirge bis zum Orangeriver
einem Raum kaum größer, als Frankreich, zählt Rob. Brown nach Burchil
allein 6000 Pflanzen, Lichtenstein führt 70 Säugethiere und 500 Vögelarten
auf.

Es möge sich hieran eine Betrachtung schliessen über den Contrast der Massen,
welcher auch bei den Thieren Statt findet[...]. Ich will hier nicht einmal jener
microscopischen Infusorien erwähnen, deren Durchmesser nicht 1/1000 einer Linie
beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insect gegen die elephanten-
artigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallend-
ste Unterschied und wenn wir keine microscopischen Fische kennen, so ist doch die
Differenz bedeutend zwischen dem in der Ost- und Nordsee gemeinen 11/2 Zoll
langen Stichling mit dem 30 bis 40 Fuß langen Riesenhay, nicht dem ge-
frässigen und gefährlichen Squalus carcharias, sondern dem gutmüthigen,
sich von Seetang und Würmern nährenden Squalus maximus. Noch auf-
fallender aber ist der Contrast, wenn man die kleinsten Nagethiere gegen
die Säugethiere des Oceans stellt. Es herrscht zwar über die eigentliche
Größe der Wallfische noch immer Unsicherheit und wenn Lacepede ihnen
eine Länge von 280 bis 300 Fuß beilegt, und dem Fluge seiner Einbildungs-
kraft folgend sie mit den höchsten Thürmen vergleicht, so möchte nach
neuern verificirten Angaben diese Größe wohl auf den dritten Theil
zu reduciren sein. Die sichersten Nachrichten danken wir dem um
die Naturkunde vielfach verdienten Herrn Scoresby, der, mehrjährig sei-
nem Berufe als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur
Beobachtung gehabt hat. Unter mehr, als 300 Wallfischen, welche von
seinen Leuten getödtet wurden, haben die größern nie das Maaß
von 60 bis 70 Fuß überschritten, und Scoresby ist der Meinung, daß sich
schwerlich Thiere von größerm Umfange vorfinden mögten. Die An-
nahme, daß sie in früherer Zeit größer gewesen, ehe man diese

Man könnte die Capcolonie eine Menagerie der übrigen Welt nennen.
Vom 30 bis 35° in der Erst[r]eckung vom Vorgebirge bis zum Orangeriver
einem Raum kaum größer, als Frankreich, zählt Rob. Brown nach Burchil
allein 6000 Pflanzen, Lichtenstein führt 70 Säugethiere und 500 Vögelarten
auf.

Es möge sich hieran eine Betrachtung schliessen über den Contrast der Massen,
welcher auch bei den Thieren Statt findet[…]. Ich will hier nicht einmal jener
microscopischen Infusorien erwähnen, deren Durchmesser nicht 1/1000 einer Linie
beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insect gegen die elephanten-
artigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallend-
ste Unterschied und weñ wir keine microscopischen Fische keñen, so ist doch die
Differenz bedeutend zwischen dem in der Ost- und Nordsee gemeinen 1½ Zoll
langen Stichling mit dem 30 bis 40 Fuß langen Riesenhay, nicht dem ge-
frässigen und gefährlichen Squalus carcharias, sondern dem gutmüthigen,
sich von Seetang und Würmern nährenden Squalus maximus. Noch auf-
fallender aber ist der Contrast, weñ man die kleinsten Nagethiere gegen
die Säugethiere des Oceans stellt. Es herrscht zwar über die eigentliche
Größe der Wallfische noch im̃er Unsicherheit und weñ Lacepède ihnen
eine Länge von 280 bis 300 Fuß beilegt, und dem Fluge seiner Einbildungs-
kraft folgend sie mit den höchsten Thürmen vergleicht, so möchte nach
neuern verificirten Angaben diese Größe wohl auf den dritten Theil
zu reduciren sein. Die sichersten Nachrichten danken wir dem um
die Naturkunde vielfach verdienten Herrn Scoresby, der, mehrjährig sei-
nem Berufe als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur
Beobachtung gehabt hat. Unter mehr, als 300 Wallfischen, welche von
seinen Leuten getödtet wurden, haben die größern nie das Maaß
von 60 bis 70 Fuß überschritten, und Scoresby ist der Meinung, daß sich
schwerlich Thiere von größerm Umfange vorfinden mögten. Die An-
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[77/0081] Man könnte die Capcolonie eine Menagerie der übrigen Welt nennen. Vom 30 bis 35° in der Erstreckung vom Vorgebirge bis zum Orangeriver einem Raum kaum größer, als Frankreich, zählt Rob. Brown nach Burchil allein 6000 Pflanzen, Lichtenstein führt 70 Säugethiere und 500 Vögelarten auf. Es möge sich hieran eine Betrachtung schliessen über den Contrast der Massen, welcher auch bei den Thieren Statt findet. Ich will hier nicht einmal jener microscopischen Infusorien erwähnen, deren Durchmesser nicht 1/1000 einer Linie beträgt, sondern nur das kleinste ungeflügelte Insect gegen die elephanten- artigen Thiere stellen. Selbst in einer Familie findet sich der auffallend- ste Unterschied u weñ wir keine microscopischen Fische keñen, so ist doch die Differenz bedeutend zwischen dem in der Ost u Nordsee gemeinen 1½ Zoll langen Stichling mit dem 30 bis 40 Fuß langen Riesenhay, nicht dem ge- frässigen u gefährlichen Squalus carcharias, sondern dem gutmüthigen, sich von Seetang u Würmern nährenden Squalus maximus. Noch auf- fallender aber ist der Contrast, weñ man die kleinsten Nagethiere gegen die Säugethiere des Oceans stellt. Es herrscht zwar über die eigentliche Größe der Wallfische noch im̃er Unsicherheit und weñ Lacepède ihnen eine Länge von 280 bis 300 Fuß beilegt, u dem Fluge seiner Einbildungs- kraft folgend sie mit den höchsten Thürmen vergleicht, so möchte nach neuern verificirten Angaben diese Größe wohl auf den dritten Theil zu reduciren sein. Die sichersten Nachrichten danken wir dem um die Naturkunde vielfach verdienten H Scoresby, der, mehrjährig sei- nem Berufe als Wallfischfänger folgend, die beste Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat. Unter mehr, als 300 Wallfischen, welche von seinen Leuten getödtet wurden, haben die größern nie das Maaß von 60 bis 70 Fuß überschritten, u Scoresby ist der Meinung, daß sich schwerlich Thiere von größerm Umfange vorfinden mögten. Die An- nahme, daß sie in früherer Zeit größer gewesen, ehe man diese

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/81>, abgerufen am 19.04.2024.