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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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schwarze Menschenrace dafür erkennen müsse, aus der nachmals die
edelste Form, die circassische entwickelt habe - eine Ansicht, die aber kei-
neswegs allgemeinen Beifall gefunden hat und ebensowenig den Neger-
völkern gefallen würde, weil sie die caucasische Race unstreitig für
eine Ausartung der ihrigen zu halten geneigt sind. - So erzählte mir
Denham, daß der Anblick seiner weissen Farbe in Bornu allgemein den
Eindruck des Entsetzens und Ekels erregt habe, der bei Frauen bis zum
Erbrechen und Ohnmächtig werden sich gesteigert habe, und daß es zuletzt ihm
oft unangenehm gewesen sei, die stete Ursache von Abscheu und Wider-
willen zu sein.

Wie relativ aber die Begriffe von Schönheit und Häßlichkeit auch s[ein]
mögen, wie verschieden modificirt nach Nationalvorurtheilen und der
eignen Individualität, so müssen wir doch einen abstracten Urtypus
der Schönheit anerkennen, unabhängig von den conventionellen Be-
griffen der Anmuth und des Ebenmasses, einer schönern Ideeenwelt ange-
hörend. - Die Haut des Negers möge noch so weich und fein sein, die
schwarze Farbe wird den Begriff von Schönheit ausschliessen, denn ihr
fehlt der belebende Ausdruck - das Erröthen. - Bei Kindern und jungen
Negerinnen will man zwar die Röthe durch die Wangen durchschei-
nend bemerkt haben, es ist dieß aber immer nur ein sehr unvoll-
kommenes Erröthen. Im allgemeinen bezeichnet sich Jugend und Frische
bei den Negern durch ein tieferes Schwarz, die Blässe verräth Al-
ter und Krankheit.

Der Geschichtsforscher der Natur bedarf es nicht, mehrere Menschen-
arten anzunehmen; er würde willkührlich das Vermögen der Na-
tur beschränken, den Körper zu verändern, wenn er die Möglichkeit,
ja die Wahrscheinlichkeit der Abstammung von einem Urstamme
läugn[e]n wollte. Haut und Haare sind nicht wichtig genug, um deshalb
den gemeinsamen Ursprung zu verkennen, für den deutlich
zeugt die allen Stämmen gemeine, wenn auch verschieden entwickelte

schwarze Menschenrace dafür erkeñen müsse, aus der nachmals die
edelste Form, die circassische entwickelt habe – eine Ansicht, die aber kei-
neswegs allgemeinen Beifall gefunden hat und ebensowenig den Neger-
völkern gefallen würde, weil sie die caucasische Race unstreitig für
eine Ausartung der ihrigen zu halten geneigt sind. – So erzählte mir
Denham, daß der Anblick seiner weissen Farbe in Bornu allgemein den
Eindruck des Entsetzens und Ekels erregt habe, der bei Frauen bis zum
Erbrechen und Ohnmächtig werden sich gesteigert habe, und daß es zuletzt ihm
oft unangenehm gewesen sei, die stete Ursache von Abscheu und Wider-
willen zu sein.

Wie relativ aber die Begriffe von Schönheit und Häßlichkeit auch s[ein]
mögen, wie verschieden modificirt nach Nationalvorurtheilen und der
eignen Individualität, so müssen wir doch einen abstracten Urtypus
der Schönheit anerkennen, unabhängig von den conventionellen Be-
griffen der Anmuth und des Ebenmasses, einer schönern Ideeenwelt ange-
hörend. – Die Haut des Negers möge noch so weich und fein sein, die
schwarze Farbe wird den Begriff von Schönheit ausschliessen, deñ ihr
fehlt der belebende Ausdruck – das Erröthen. – Bei Kindern und jungen
Negerinnen will man zwar die Röthe durch die Wangen durchschei-
nend bemerkt haben, es ist dieß aber im̃er nur ein sehr unvoll-
kom̃enes Erröthen. Im allgemeinen bezeichnet sich Jugend und Frische
bei den Negern durch ein tieferes Schwarz, die Blässe verräth Al-
ter und Krankheit.

Der Geschichtsforscher der Natur bedarf es nicht, mehrere Menschen-
arten anzunehmen; er würde willkührlich das Vermögen der Na-
tur beschränken, den Körper zu verändern, weñ er die Möglichkeit,
ja die Wahrscheinlichkeit der Abstam̃ung von einem Urstam̃e
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[80/0084] schwarze Menschenrace dafür erkeñen müsse, aus der nachmals die edelste Form, die circassische entwickelt habe – eine Ansicht, die aber kei- neswegs allgemeinen Beifall gefunden hat u ebensowenig den Neger- völkern gefallen würde, weil sie die caucasische Race unstreitig für eine Ausartung der ihrigen zu halten geneigt sind. – So erzählte mir Denham, daß der Anblick seiner weissen Farbe in Bornu allgemein den Eindruck des Entsetzens u Ekels erregt habe, der bei Frauen bis zum Erbrechen u Ohnmächtig werden sich gesteigert habe, u daß es zuletzt ihm oft unangenehm gewesen sei, die stete Ursache von Abscheu u Wider- willen zu sein. Wie relativ aber die Begriffe von Schönheit u Häßlichkeit auch sein mögen, wie verschieden modificirt nach Nationalvorurtheilen u der eignen Individualität, so müssen wir doch einen abstracten Urtypus der Schönheit anerkennen, unabhängig von den conventionellen Be- griffen der Anmuth u des Ebenmasses, einer schönern Ideeenwelt ange- hörend. – Die Haut des Negers möge noch so weich und fein sein, die schwarze Farbe wird den Begriff von Schönheit ausschliessen, deñ ihr fehlt der belebende Ausdruck – das Erröthen. – Bei Kindern u jungen Negerinnen will man zwar die Röthe durch die Wangen durchschei- nend bemerkt haben, es ist dieß aber im̃er nur ein sehr unvoll- kom̃enes Erröthen. Im allgemeinen bezeichnet sich Jugend u Frische bei den Negern durch ein tieferes Schwarz, die Blässe verräth Al- ter u Krankheit. Der Geschichtsforscher der Natur bedarf es nicht, mehrere Menschen- arten anzunehmen; er würde willkührlich das Vermögen der Na- tur beschränken, den Körper zu verändern, weñ er die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit der Abstam̃ung von einem Urstam̃e läugnen wollte. Haut u Haare sind nicht wichtig genug, um deshalb den gemeinsamen Ursprung zu verkennen, für den deutlich zeugt die allen Stäm̃en gemeine, weñ auch verschieden entwickelte

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/84>, abgerufen am 25.04.2024.