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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Auch in viel neuerer Zeit 1682 und 1684 sind zweimal lebendige Eskimo's
in ihren Fellbooten, die nicht umfallen können, weil sie, wie ein Schlauch,
die Schiffenden umgeben, auf den Orkney-Inseln Eda und Westram angekom-
men und das eine Boot wird noch jetzt in der Kirche eines kleinen Städt-
chens aufbewahrt. Necker, ein Genfer, hat Nachricht hiervon gegeben. -
Die Entfernung der Küste ist keineswegs so übermässig und möchte etwa
3/4 des mittelländischen Meeres betragen. Capit. Sabine, der lange sich an der
Baffinsbay aufgehalten, und den ich darüber befragte, hält das Factum
gar nicht für unmöglich. Er versichert, daß die Fellboote niemals durch-
näßt würden, und daß die Eskimo's von einer Küste der Hudsonsbay zur andern zu
rudern pflegen, indem das Fahrzeug sogar gestatte, einige Provision
mitzuführen.

Aber auch das Beispiel weißlicher Racen kommt in Amerika vor, wie
die Guacaricos blancos, welche wahrscheinlich herstammen von den Quellen
des Orinoco, zu denen noch kein Europäer vorgedrungen ist. Dieser
Menschenstamm ist weiß, wie die Mestizen, und doch kann bei diesem abge-
sonderten Stamm keine Vermischung Statt gefunden haben. Auffallend ist
der Contrast zwischen diesem Stamm und den fast schwarzen Ottomaken.
Die lichtere und dunklere Hautfarbe steht aber in keinem Zusammen-
hange mit der Höhe über dem Meere oder mit der Breite gegen
den Aequator. So sind die Zacaticos im nördlichen Mexico ungleich
gebräunter, als die Völker zwischen dem Amazonenstrom und dem
Orinoco.

Ein sehr merkwürdiges Factum ist das Vorkommen von blonden,
blauäugigen Menschen an der Nordwestküste von Amerika in
der Gegend von Norfolksound. Marchand hat zuerst darauf aufmerk-
sam gemacht und v. Chabelsky, ein sehr unterrichteter Russe, bestä-
tigt das Vorkommen europäischer Gesichtszüge, in einer Gegend, wo
sie durch keine Vermischung hervorgerufen sein können. Man
möchte hierbei an den von Klapproth nachgewiesenen germa-

Auch in viel neuerer Zeit 1682 und 1684 sind zweimal lebendige Eskimo’s
in ihren Fellbooten, die nicht umfallen können, weil sie, wie ein Schlauch,
die Schiffenden umgeben, auf den Orkney-Inseln Eda und Westram angekom-
men und das eine Boot wird noch jetzt in der Kirche eines kleinen Städt-
chens aufbewahrt. Necker, ein Genfer, hat Nachricht hiervon gegeben.
Die Entfernung der Küste ist keineswegs so übermässig und möchte etwa
¾ des mittelländischen Meeres betragen. Capit. Sabine, der lange sich an der
Baffinsbay aufgehalten, und den ich darüber befragte, hält das Factum
gar nicht für unmöglich. Er versichert, daß die Fellboote niemals durch-
näßt würden, und daß die Eskimo’s von einer Küste der Hudsonsbay zur andern zu
rudern pflegen, indem das Fahrzeug sogar gestatte, einige Provision
mitzuführen.

Aber auch das Beispiel weißlicher Racen kom̃t in Amerika vor, wie
die Guacaricos blancos, welche wahrscheinlich herstam̃en von den Quellen
des Orinoco, zu denen noch kein Europäer vorgedrungen ist. Dieser
Menschenstam̃ ist weiß, wie die Mestizen, und doch kañ bei diesem abge-
sonderten Stam̃ keine Vermischung Statt gefunden haben. Auffallend ist
der Contrast zwischen diesem Stam̃ und den fast schwarzen Ottomaken.
Die lichtere und dunklere Hautfarbe steht aber in keinem Zusam̃en-
hange mit der Höhe über dem Meere oder mit der Breite gegen
den Aequator. So sind die Zacaticos im nördlichen Mexico ungleich
gebräunter, als die Völker zwischen dem Amazonenstrom und dem
Orinoco.

Ein sehr merkwürdiges Factum ist das Vorkom̃en von blonden,
blauäugigen Menschen an der Nordwestküste von Amerika in
der Gegend von Norfolksound. Marchand hat zuerst darauf aufmerk-
sam gemacht und v. Chabelsky, ein sehr unterrichteter Russe, bestä-
tigt das Vorkom̃en europäischer Gesichtszüge, in einer Gegend, wo
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[89/0093] Auch in viel neuerer Zeit 1682 u 1684 sind zweimal lebendige Eskimo’s in ihren Fellbooten, die nicht umfallen können, weil sie, wie ein Schlauch, die Schiffenden umgeben, auf den Orkney Inseln Eda u Westram angekom- men und das eine Boot wird noch jetzt in der Kirche eines kleinen Städt- chens aufbewahrt. Necker, ein Genfer, hat Nachricht hiervon gegeben. – Die Entfernung der Küste ist keineswegs so übermässig u möchte etwa ¾ des mittelländischen Meeres betragen. Capit. Sabine, der lange sich an der Baffinsbay aufgehalten, u den ich darüber befragte, hält das Factum gar nicht für unmöglich. Er versichert, daß die Fellboote niemals durch- näßt würden, u daß die Eskimo’s von einer Küste der Hudsonsbay zur andern zu rudern pflegen, indem das Fahrzeug sogar gestatte, einige Provision mitzuführen. Aber auch das Beispiel weißlicher Racen kom̃t in Amerika vor, wie die Guacaricos blancos, welche wahrscheinlich herstam̃en von den Quellen des Orinoco, zu denen noch kein Europäer vorgedrungen ist. Dieser Menschenstam̃ ist weiß, wie die Mestizen, u doch kañ bei diesem abge- sonderten Stam̃ keine Vermischung Statt gefunden haben. Auffallend ist der Contrast zwischen diesem Stam̃ u den fast schwarzen Ottomaken. Die lichtere u dunklere Hautfarbe steht aber in keinem Zusam̃en- hange mit der Höhe über dem Meere oder mit der Breite gegen den Aequator. So sind die Zacaticos im nördlichen Mexico ungleich gebräunter, als die Völker zwischen dem Amazonenstrom u dem Orinoco. Ein sehr merkwürdiges Factum ist das Vorkom̃en von blonden, blauäugigen Menschen an der Nordwestküste von Amerika in der Gegend von Norfolksound. Marchand hat zuerst darauf aufmerk- sam gemacht u v. Chabelsky, ein sehr unterrichteter Russe, bestä- tigt das Vorkom̃en europäischer Gesichtszüge, in einer Gegend, wo sie durch keine Vermischung hervorgerufen sein können. Man möchte hierbei an den von Klapproth nachgewiesenen germa-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/93>, abgerufen am 25.04.2024.