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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Verhältniß desselben zu den Nerven. Doch finden auch hier Abweichungen
Statt und Meckel hat bei den Negern die Nerven des fünften Paares beträcht-
lich dick gefunden im Verhältniß zum Gehirn.

Man hat in dem Eigenthum des Kinnes einen menschlichen Vorzug ge-
sucht, man hat die Abnwesenheit des Hirnsandes angeführt, (der sich unter
allen Thieren beim Dammhirsch allein auch findet), man hat die schiefe La-
ge des Herzens erwähnt, man hat auch das Vortreten der Nase vor
dem Kinne als characteristisches Kennzeichen darstellen wollen. Diese
zuletzt angeführte Bildung ist uns aber mit einigen Affen zum Beispiel mit
Simia rostratus gemein, wenn wir auch nicht mit einem französischen
Gelehrten annehmen wollen, daß die Entwicklung der Nase hauptsäch-
lich vom Schnauben herrühre, obgleich der Gebrauch eines Organs aller-
dings wohl die Anlage desselben verstärkt.

Wenn wir alles zusammenfassen, so werden wir den Hauptcharacter
des Menschen
erkennen in dem Uebergewicht des Gehirns, in der auf-
rechten Stellung und in der Sprache, nicht als Folge der Stimmwerkzeuge,
sondern als Ausdruck der höhern Intelligenz.

[12. Vorlesung] [(28. Februar 1828)]
2te Abtheilung

Wenn bei Aufstellung des Naturgemäldes, dessen Entwurf mich bis-
her beschäftigte, die einzelnen Theile der großen Gesammtheit gleichsam
als coexistirend betrachtet wurden, so möge sich jetzt die Untersuchung
anschliessen, wie durch den Lauf der Jahrhunderte wir zu den Kenntnissen
gelangt sind
, deren wir uns jetzt erfreuen. Eine geschichtliche Ent-
wicklung dieses Fortschreitens kann nicht entwickelt werden, und ich begnü-
ge mich mit der Andeutung, wie sich allmälich die Idee von der Ein-
heit des großen Naturganzen verbreitet hat.

Ein dunkles Gefühl, eine begeisterte Ahndung derselben müssen
wir selbst bei den sogenannten wilden Völkern voraussetzen;
das vernunftmässige Begreifen jenes Naturganzen kann sich aber
nur bei gebildetern Nationen vorfinden; so wie der Horizont
der Erkenntniß sich in allen Wissenschaften erweitert, so rückt auch

Verhältniß desselben zu den Nerven. Doch finden auch hier Abweichungen
Statt und Meckel hat bei den Negern die Nerven des fünften Paares beträcht-
lich dick gefunden im Verhältniß zum Gehirn.

Man hat in dem Eigenthum des Kinnes einen menschlichen Vorzug ge-
sucht, man hat die Abnwesenheit des Hirnsandes angeführt, (der sich unter
allen Thieren beim Dam̃hirsch allein auch findet), man hat die schiefe La-
ge des Herzens erwähnt, man hat auch das Vortreten der Nase vor
dem Kinne als characteristisches Keñzeichen darstellen wollen. Diese
zuletzt angeführte Bildung ist uns aber mit einigen Affen zum Beispiel mit
Simia rostratus gemein, weñ wir auch nicht mit einem französischen
Gelehrten annehmen wollen, daß die Entwicklung der Nase hauptsäch-
lich vom Schnauben herrühre, obgleich der Gebrauch eines Organs aller-
dings wohl die Anlage desselben verstärkt.

Weñ wir alles zusam̃enfassen, so werden wir den Hauptcharacter
des Menschen
erkennen in dem Uebergewicht des Gehirns, in der auf-
rechten Stellung und in der Sprache, nicht als Folge der Stim̃werkzeuge,
sondern als Ausdruck der höhern Intelligenz.

[12. Vorlesung] [(28. Februar 1828)]
2te Abtheilung

Weñ bei Aufstellung des Naturgemäldes, dessen Entwurf mich bis-
her beschäftigte, die einzelnen Theile der großen Gesam̃theit gleichsam
als coexistirend betrachtet wurden, so möge sich jetzt die Untersuchung
anschliessen, wie durch den Lauf der Jahrhunderte wir zu den Keñtnissen
gelangt sind
, deren wir uns jetzt erfreuen. Eine geschichtliche Ent-
wicklung dieses Fortschreitens kañ nicht entwickelt werden, und ich begnü-
ge mich mit der Andeutung, wie sich allmälich die Idee von der Ein-
heit des großen Naturganzen verbreitet hat.

Ein dunkles Gefühl, eine begeisterte Ahndung derselben müssen
wir selbst bei den sogenañten wilden Völkern voraussetzen;
das vernunftmässige Begreifen jenes Naturganzen kañ sich aber
nur bei gebildetern Nationen vorfinden; so wie der Horizont
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[93/0097] Verhältniß desselben zu den Nerven. Doch finden auch hier Abweichungen Statt u Meckel hat bei den Negern die Nerven des fünften Paares beträcht- lich dick gefunden im Verhältniß zum Gehirn. Man hat in dem Eigenthum des Kinnes einen menschlichen Vorzug ge- sucht, man hat die Abnwesenheit des Hirnsandes angeführt, /der sich unter allen Thieren beim Dam̃hirsch allein auch findet/, man hat die schiefe La- ge des Herzens erwähnt, man hat auch das Vortreten der Nase vor dem Kinne als characteristisches Keñzeichen darstellen wollen. Diese zuletzt angeführte Bildung ist uns aber mit einigen Affen zB mit Simia rostratus gemein, weñ wir auch nicht mit einem französischen Gelehrten annehmen wollen, daß die Entwicklung der Nase hauptsäch- lich vom Schnauben herrühre, obgleich der Gebrauch eines Organs aller- dings wohl die Anlage desselben verstärkt. Weñ wir alles zusam̃enfassen, so werden wir den Hauptcharacter des Menschen erkennen in dem Uebergewicht des Gehirns, in der auf- rechten Stellung u in der Sprache, nicht als Folge der Stim̃werkzeuge, sondern als Ausdruck der höhern Intelligenz. 12. Vorlesung (28. Februar 1828) 2te Abtheilung Weñ bei Aufstellung des Naturgemäldes, dessen Entwurf mich bis- her beschäftigte, die einzelnen Theile der großen Gesam̃theit gleichsam als coexistirend betrachtet wurden, so möge sich jetzt die Untersuchung anschliessen, wie durch den Lauf der Jahrhunderte wir zu den Keñtnissen gelangt sind, deren wir uns jetzt erfreuen. Eine geschichtliche Ent- wicklung dieses Fortschreitens kañ nicht entwickelt werden, u ich begnü- ge mich mit der Andeutung, wie sich allmälich die Idee von der Ein- heit des großen Naturganzen verbreitet hat. Ein dunkles Gefühl, eine begeisterte Ahndung derselben müssen wir selbst bei den sogenañten wilden Völkern voraussetzen; das vernunftmässige Begreifen jenes Naturganzen kañ sich aber nur bei gebildetern Nationen vorfinden; so wie der Horizont der Erkeñtniß sich in allen Wissenschaften erweitert, so rückt auch

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/97>, abgerufen am 29.03.2024.