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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Orinoko bis in das Herz von Südamerika gekommen sein?
Man trifft sie dort in allen Jahreszeiten an, und keine Spur
scheint anzudeuten, daß sie zu bestimmten Zeiten wandern wie
die Lachse.

Während es bereits rings um uns donnerte, zeigten sich
am Himmel nur einzelne Wolken, die langsam, und zwar in
entgegengesetzter Richtung dem Zenith zuzogen. Delucs Hygro-
meter stand auf 53°, der Thermometer auf 23,7°; der Elektro-
meter mit rauchendem Docht zeigte keine Spur von Elektri-
zität. Während das Gewitter sich zusammenzog, wurde die
Farbe des Himmels zuerst dunkelblau und dann grau. Die
Dunstbläschen wurden sichtbar, und der Thermometer stieg um
3°, wie fast immer unter den Tropen bei bedecktem Himmel,
weil dieser die strahlende Wärme des Bodens zurückwirft.
Jetzt goß der Regen in Strömen nieder. Wir waren hin-
länglich an das Klima gewöhnt, um von einem tropischen
Regen keinen Nachteil fürchten zu dürfen; so blieben wir denn
am Ufer, um den Gang des Elektrometers genau zu beobachten.
Ich hielt ihn 2 m über dem Boden 20 Minuten lang in der
Hand und sah die Fliedermarkkügelchen meist nur wenige
Sekunden vor dem Blitz auseinandergehen, und zwar 8 mm.
Die elektrische Ladung blieb sich mehrere Minuten lang gleich;
wir hatten Zeit, mittels einer Siegellackstange die Elektrizität
zu untersuchen, und so sah ich hier, wie später oft auf dem
Rücken der Anden während eines Gewitters, daß die Luft-
elektrizität zuerst positiv war, dann Null und endlich negativ
wurde. Dieser Wechsel zwischen Positiv und Negativ (zwischen
Glas- und Harzelektrizität) wiederholte sich öfters. Indessen
zeigte der Elektrometer ein wenig vor dem Blitz immer nur
Null oder positive Elektrizität, niemals negative. Gegen das
Ende des Gewitters wurde der Westwind sehr heftig. Die
Wolken zerstreuten sich und der Thermometer fiel auf 22°
infolge der Verdunstung am Boden und der freieren Wärme-
strahlung gegen den Himmel.

Ich bin hier näher auf einzelnes über elektrische Span-
nung der Luft eingegangen, weil die Reisenden sich meist
darauf beschränken, den Eindruck zu beschreiben, den ein tro-
pisches Gewitter auf einen neu angekommenen Europäer macht.
In einem Land, wo das Jahr in zwei große Hälften zerfällt,
in die trockene und in die nasse Jahreszeit, oder, wie die
Indianer in ihrer ausdrucksvollen Sprache sagen, in Sonnen-
zeit
und in Regenzeit, ist es von großem Interesse, den

Orinoko bis in das Herz von Südamerika gekommen ſein?
Man trifft ſie dort in allen Jahreszeiten an, und keine Spur
ſcheint anzudeuten, daß ſie zu beſtimmten Zeiten wandern wie
die Lachſe.

Während es bereits rings um uns donnerte, zeigten ſich
am Himmel nur einzelne Wolken, die langſam, und zwar in
entgegengeſetzter Richtung dem Zenith zuzogen. Delucs Hygro-
meter ſtand auf 53°, der Thermometer auf 23,7°; der Elektro-
meter mit rauchendem Docht zeigte keine Spur von Elektri-
zität. Während das Gewitter ſich zuſammenzog, wurde die
Farbe des Himmels zuerſt dunkelblau und dann grau. Die
Dunſtbläschen wurden ſichtbar, und der Thermometer ſtieg um
3°, wie faſt immer unter den Tropen bei bedecktem Himmel,
weil dieſer die ſtrahlende Wärme des Bodens zurückwirft.
Jetzt goß der Regen in Strömen nieder. Wir waren hin-
länglich an das Klima gewöhnt, um von einem tropiſchen
Regen keinen Nachteil fürchten zu dürfen; ſo blieben wir denn
am Ufer, um den Gang des Elektrometers genau zu beobachten.
Ich hielt ihn 2 m über dem Boden 20 Minuten lang in der
Hand und ſah die Fliedermarkkügelchen meiſt nur wenige
Sekunden vor dem Blitz auseinandergehen, und zwar 8 mm.
Die elektriſche Ladung blieb ſich mehrere Minuten lang gleich;
wir hatten Zeit, mittels einer Siegellackſtange die Elektrizität
zu unterſuchen, und ſo ſah ich hier, wie ſpäter oft auf dem
Rücken der Anden während eines Gewitters, daß die Luft-
elektrizität zuerſt poſitiv war, dann Null und endlich negativ
wurde. Dieſer Wechſel zwiſchen Poſitiv und Negativ (zwiſchen
Glas- und Harzelektrizität) wiederholte ſich öfters. Indeſſen
zeigte der Elektrometer ein wenig vor dem Blitz immer nur
Null oder poſitive Elektrizität, niemals negative. Gegen das
Ende des Gewitters wurde der Weſtwind ſehr heftig. Die
Wolken zerſtreuten ſich und der Thermometer fiel auf 22°
infolge der Verdunſtung am Boden und der freieren Wärme-
ſtrahlung gegen den Himmel.

Ich bin hier näher auf einzelnes über elektriſche Span-
nung der Luft eingegangen, weil die Reiſenden ſich meiſt
darauf beſchränken, den Eindruck zu beſchreiben, den ein tro-
piſches Gewitter auf einen neu angekommenen Europäer macht.
In einem Land, wo das Jahr in zwei große Hälften zerfällt,
in die trockene und in die naſſe Jahreszeit, oder, wie die
Indianer in ihrer ausdrucksvollen Sprache ſagen, in Sonnen-
zeit
und in Regenzeit, iſt es von großem Intereſſe, den

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[9/0017] Orinoko bis in das Herz von Südamerika gekommen ſein? Man trifft ſie dort in allen Jahreszeiten an, und keine Spur ſcheint anzudeuten, daß ſie zu beſtimmten Zeiten wandern wie die Lachſe. Während es bereits rings um uns donnerte, zeigten ſich am Himmel nur einzelne Wolken, die langſam, und zwar in entgegengeſetzter Richtung dem Zenith zuzogen. Delucs Hygro- meter ſtand auf 53°, der Thermometer auf 23,7°; der Elektro- meter mit rauchendem Docht zeigte keine Spur von Elektri- zität. Während das Gewitter ſich zuſammenzog, wurde die Farbe des Himmels zuerſt dunkelblau und dann grau. Die Dunſtbläschen wurden ſichtbar, und der Thermometer ſtieg um 3°, wie faſt immer unter den Tropen bei bedecktem Himmel, weil dieſer die ſtrahlende Wärme des Bodens zurückwirft. Jetzt goß der Regen in Strömen nieder. Wir waren hin- länglich an das Klima gewöhnt, um von einem tropiſchen Regen keinen Nachteil fürchten zu dürfen; ſo blieben wir denn am Ufer, um den Gang des Elektrometers genau zu beobachten. Ich hielt ihn 2 m über dem Boden 20 Minuten lang in der Hand und ſah die Fliedermarkkügelchen meiſt nur wenige Sekunden vor dem Blitz auseinandergehen, und zwar 8 mm. Die elektriſche Ladung blieb ſich mehrere Minuten lang gleich; wir hatten Zeit, mittels einer Siegellackſtange die Elektrizität zu unterſuchen, und ſo ſah ich hier, wie ſpäter oft auf dem Rücken der Anden während eines Gewitters, daß die Luft- elektrizität zuerſt poſitiv war, dann Null und endlich negativ wurde. Dieſer Wechſel zwiſchen Poſitiv und Negativ (zwiſchen Glas- und Harzelektrizität) wiederholte ſich öfters. Indeſſen zeigte der Elektrometer ein wenig vor dem Blitz immer nur Null oder poſitive Elektrizität, niemals negative. Gegen das Ende des Gewitters wurde der Weſtwind ſehr heftig. Die Wolken zerſtreuten ſich und der Thermometer fiel auf 22° infolge der Verdunſtung am Boden und der freieren Wärme- ſtrahlung gegen den Himmel. Ich bin hier näher auf einzelnes über elektriſche Span- nung der Luft eingegangen, weil die Reiſenden ſich meiſt darauf beſchränken, den Eindruck zu beſchreiben, den ein tro- piſches Gewitter auf einen neu angekommenen Europäer macht. In einem Land, wo das Jahr in zwei große Hälften zerfällt, in die trockene und in die naſſe Jahreszeit, oder, wie die Indianer in ihrer ausdrucksvollen Sprache ſagen, in Sonnen- zeit und in Regenzeit, iſt es von großem Intereſſe, den

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/17>, abgerufen am 29.03.2024.