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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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bei Nacht 25 bis 26°. Diese Abnahme der Wärme am Ata-
bapo, Tuamini und Rio Negro rührt ohne Zweifel davon her,
daß bei dem beständig bedeckten Himmel die Sonne so wenig
scheint und die Verdunstung auf dem nassen Boden so stark
ist. Ich spreche nicht vom erkältenden Einflusse der Wälder,
wo die zahllosen Blätter ebenso viele dünne Flächen sind, die
sich durch Strahlung gegen den Himmel abkühlen. Bei dem
mit Wolken umzogenen Himmel kann dieses Moment nicht
viel ausmachen. Auch scheint die Meereshöhe von Javita
etwas dazu beizutragen, daß die Temperatur niedriger ist.
Maypures liegt wahrscheinlich 117 bis 136 m, San Fernando
de Atabapo 238, Javita 323 m über dem Meere. Da die
kleine atmosphärische Ebbe und Flut an der Küste (in Cu-
mana) von einem Tag zum anderen um 1,6 bis 4 mm variiert,
und ich das Unglück hatte, das Instrument zu zerbrechen, ehe
ich wieder an die See kam, so sind diese Resultate nicht ganz
zuverlässig. Als ich in Javita die stündlichen Variationen
des Luftdruckes beobachtete, bemerkte ich, daß eine kleine Luft-
blase die Quecksilbersäule zum Teil sperrte1 und durch ihre
thermometrische Ausdehnung auf das Steigen und Fallen
Einfluß äußerte. Auf den elenden Fahrzeugen, in die wir
eingezwängt waren, ließ sich der Barometer fast unmöglich
senkrecht oder doch stark aufwärts geneigt halten. Ich benützte
unseren Aufenthalt in Javita, um das Instrument auszu-
bessern und zu berichtigen. Nachdem ich das Niveau gehörig
rektifiziert, stand der Thermometer bei 23,4° Temperatur
morgens 111/2 Uhr 40 cm hoch. Ich lege einiges Gewicht
auf diese Beobachtung, da es für die Kenntnis der Boden-
bildung eines Kontinents von größerem Belang ist, die Meeres-
höhe der Ebenen 900 bis 1300 km von der Küste zu bestimmen,
als die Gipfel der Kordilleren zu messen. Barometrische Be-
obachtungen in Segu am Nigir, in Bornu oder auf den
Hochebenen von Khoten und Hami wären für die Geologie
wichtiger als die Bestimmung der Höhe der Gebirge in Abes-
sinien und im Musart. Die stündlichen Variationen des

1 Ich führe diesen geringfügigen Umstand hier an, um die
Reisenden darauf aufmerksam zu machen, wie nötig es ist, nur
solche Barometer zu haben, bei denen die Röhre der ganzen Länge
nach sichtbar ist. Eine ganz kleine Luftblase kann das Quecksilber
zum Teil oder ganz sperren, ohne daß der Ton beim Anschlagen
des Quecksilbers am Ende der Röhre sich veränderte.

bei Nacht 25 bis 26°. Dieſe Abnahme der Wärme am Ata-
bapo, Tuamini und Rio Negro rührt ohne Zweifel davon her,
daß bei dem beſtändig bedeckten Himmel die Sonne ſo wenig
ſcheint und die Verdunſtung auf dem naſſen Boden ſo ſtark
iſt. Ich ſpreche nicht vom erkältenden Einfluſſe der Wälder,
wo die zahlloſen Blätter ebenſo viele dünne Flächen ſind, die
ſich durch Strahlung gegen den Himmel abkühlen. Bei dem
mit Wolken umzogenen Himmel kann dieſes Moment nicht
viel ausmachen. Auch ſcheint die Meereshöhe von Javita
etwas dazu beizutragen, daß die Temperatur niedriger iſt.
Maypures liegt wahrſcheinlich 117 bis 136 m, San Fernando
de Atabapo 238, Javita 323 m über dem Meere. Da die
kleine atmoſphäriſche Ebbe und Flut an der Küſte (in Cu-
mana) von einem Tag zum anderen um 1,6 bis 4 mm variiert,
und ich das Unglück hatte, das Inſtrument zu zerbrechen, ehe
ich wieder an die See kam, ſo ſind dieſe Reſultate nicht ganz
zuverläſſig. Als ich in Javita die ſtündlichen Variationen
des Luftdruckes beobachtete, bemerkte ich, daß eine kleine Luft-
blaſe die Queckſilberſäule zum Teil ſperrte1 und durch ihre
thermometriſche Ausdehnung auf das Steigen und Fallen
Einfluß äußerte. Auf den elenden Fahrzeugen, in die wir
eingezwängt waren, ließ ſich der Barometer faſt unmöglich
ſenkrecht oder doch ſtark aufwärts geneigt halten. Ich benützte
unſeren Aufenthalt in Javita, um das Inſtrument auszu-
beſſern und zu berichtigen. Nachdem ich das Niveau gehörig
rektifiziert, ſtand der Thermometer bei 23,4° Temperatur
morgens 11½ Uhr 40 cm hoch. Ich lege einiges Gewicht
auf dieſe Beobachtung, da es für die Kenntnis der Boden-
bildung eines Kontinents von größerem Belang iſt, die Meeres-
höhe der Ebenen 900 bis 1300 km von der Küſte zu beſtimmen,
als die Gipfel der Kordilleren zu meſſen. Barometriſche Be-
obachtungen in Segu am Nigir, in Bornu oder auf den
Hochebenen von Khoten und Hami wären für die Geologie
wichtiger als die Beſtimmung der Höhe der Gebirge in Abeſ-
ſinien und im Muſart. Die ſtündlichen Variationen des

1 Ich führe dieſen geringfügigen Umſtand hier an, um die
Reiſenden darauf aufmerkſam zu machen, wie nötig es iſt, nur
ſolche Barometer zu haben, bei denen die Röhre der ganzen Länge
nach ſichtbar iſt. Eine ganz kleine Luftblaſe kann das Queckſilber
zum Teil oder ganz ſperren, ohne daß der Ton beim Anſchlagen
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[226/0234] bei Nacht 25 bis 26°. Dieſe Abnahme der Wärme am Ata- bapo, Tuamini und Rio Negro rührt ohne Zweifel davon her, daß bei dem beſtändig bedeckten Himmel die Sonne ſo wenig ſcheint und die Verdunſtung auf dem naſſen Boden ſo ſtark iſt. Ich ſpreche nicht vom erkältenden Einfluſſe der Wälder, wo die zahlloſen Blätter ebenſo viele dünne Flächen ſind, die ſich durch Strahlung gegen den Himmel abkühlen. Bei dem mit Wolken umzogenen Himmel kann dieſes Moment nicht viel ausmachen. Auch ſcheint die Meereshöhe von Javita etwas dazu beizutragen, daß die Temperatur niedriger iſt. Maypures liegt wahrſcheinlich 117 bis 136 m, San Fernando de Atabapo 238, Javita 323 m über dem Meere. Da die kleine atmoſphäriſche Ebbe und Flut an der Küſte (in Cu- mana) von einem Tag zum anderen um 1,6 bis 4 mm variiert, und ich das Unglück hatte, das Inſtrument zu zerbrechen, ehe ich wieder an die See kam, ſo ſind dieſe Reſultate nicht ganz zuverläſſig. Als ich in Javita die ſtündlichen Variationen des Luftdruckes beobachtete, bemerkte ich, daß eine kleine Luft- blaſe die Queckſilberſäule zum Teil ſperrte 1 und durch ihre thermometriſche Ausdehnung auf das Steigen und Fallen Einfluß äußerte. Auf den elenden Fahrzeugen, in die wir eingezwängt waren, ließ ſich der Barometer faſt unmöglich ſenkrecht oder doch ſtark aufwärts geneigt halten. Ich benützte unſeren Aufenthalt in Javita, um das Inſtrument auszu- beſſern und zu berichtigen. Nachdem ich das Niveau gehörig rektifiziert, ſtand der Thermometer bei 23,4° Temperatur morgens 11½ Uhr 40 cm hoch. Ich lege einiges Gewicht auf dieſe Beobachtung, da es für die Kenntnis der Boden- bildung eines Kontinents von größerem Belang iſt, die Meeres- höhe der Ebenen 900 bis 1300 km von der Küſte zu beſtimmen, als die Gipfel der Kordilleren zu meſſen. Barometriſche Be- obachtungen in Segu am Nigir, in Bornu oder auf den Hochebenen von Khoten und Hami wären für die Geologie wichtiger als die Beſtimmung der Höhe der Gebirge in Abeſ- ſinien und im Muſart. Die ſtündlichen Variationen des 1 Ich führe dieſen geringfügigen Umſtand hier an, um die Reiſenden darauf aufmerkſam zu machen, wie nötig es iſt, nur ſolche Barometer zu haben, bei denen die Röhre der ganzen Länge nach ſichtbar iſt. Eine ganz kleine Luftblaſe kann das Queckſilber zum Teil oder ganz ſperren, ohne daß der Ton beim Anſchlagen des Queckſilbers am Ende der Röhre ſich veränderte.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/234>, abgerufen am 29.03.2024.