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Humboldt, Alexander von: Über die Hochebene von Bogota. In: Ders.: Kleinere Schriften. Erster Band. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Stuttgart und Tübingen, 1853, S. 100-132.

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von Funzha in einen Alpensee um. So war es, laut der Tradition der Eingebornen, im Anfange der Dinge. Ehe der Mond der Begleiter unseres Planeten wurde, lebte das Volk der Muyscas oder Mozcas in roher Sitte, ohne Pflanzenbau und ohne Götterverehrung. Der eigentliche Name des Volks war Schibscha; denn Muysca bedeutet in der Schibscha-Sprache Menschen, Leute. Da erschien, von dem Gebirge hinter Bogota herabgestiegen, ein langbärtiger Mann anderen Geschlechts als die Muyscas. Er hatte drei Namen, unter denen der Name Botschika (Bochica) der gefeiertste war. Der heilige Mann kam also, wie Manco Capac, von Osten her aus den Grasfluren des Rio Meta, vielleicht aus der Waldgegend des Orinoco, wo hohe Felswände bis zum Rupunuri und Essequibo hin mit symbolischen Zeichen und Bildern bedeckt sind. Wie Manco Capac (und so beginnen alle Mythen, die den Völkern das unbegriffene Phänomen eines Ueberganges zur Ansiedelung und Gesittung lösen sollen), lehrte Botschika die Gebirgsbewohner sich kleiden, Mais und Quinoa (eine Art Chenopodium) säen und, gesellt durch religiösen Cultus wie durch Glauben an die Heiligkeit gewisser Orte, sich in Ein Volk verschmelzen.

Botschika war begleitet von einem Weibe, das, wie er, drei Namen führte, das aber alles bösartig störte, was der heilige Mann zum Glücke der Menschen ersonnen hatte. Durch ihre Zauberkünste ließ Huythaca oder Schia den Fluß Funzha anschwellen. Die ganze Hochebene wurde ein See, und nur wenige Menschen retteten sich auf das nahe Gebirge. Da erzürnte der Alte und verjagte das unglückbringende Weib. Huythaca verließ die Erde und wurde der Mond, welcher

von Funzha in einen Alpensee um. So war es, laut der Tradition der Eingebornen, im Anfange der Dinge. Ehe der Mond der Begleiter unseres Planeten wurde, lebte das Volk der Muyscas oder Mozcas in roher Sitte, ohne Pflanzenbau und ohne Götterverehrung. Der eigentliche Name des Volks war Schibscha; denn Muysca bedeutet in der Schibscha-Sprache Menschen, Leute. Da erschien, von dem Gebirge hinter Bogota herabgestiegen, ein langbärtiger Mann anderen Geschlechts als die Muyscas. Er hatte drei Namen, unter denen der Name Botschika (Bochica) der gefeiertste war. Der heilige Mann kam also, wie Manco Capac, von Osten her aus den Grasfluren des Rio Meta, vielleicht aus der Waldgegend des Orinoco, wo hohe Felswände bis zum Rupunuri und Essequibo hin mit symbolischen Zeichen und Bildern bedeckt sind. Wie Manco Capac (und so beginnen alle Mythen, die den Völkern das unbegriffene Phänomen eines Ueberganges zur Ansiedelung und Gesittung lösen sollen), lehrte Botschika die Gebirgsbewohner sich kleiden, Mais und Quinoa (eine Art Chenopodium) säen und, gesellt durch religiösen Cultus wie durch Glauben an die Heiligkeit gewisser Orte, sich in Ein Volk verschmelzen.

Botschika war begleitet von einem Weibe, das, wie er, drei Namen führte, das aber alles bösartig störte, was der heilige Mann zum Glücke der Menschen ersonnen hatte. Durch ihre Zauberkünste ließ Huythaca oder Schia den Fluß Funzha anschwellen. Die ganze Hochebene wurde ein See, und nur wenige Menschen retteten sich auf das nahe Gebirge. Da erzürnte der Alte und verjagte das unglückbringende Weib. Huythaca verließ die Erde und wurde der Mond, welcher

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[115/0017] von Funzha in einen Alpensee um. So war es, laut der Tradition der Eingebornen, im Anfange der Dinge. Ehe der Mond der Begleiter unseres Planeten wurde, lebte das Volk der Muyscas oder Mozcas in roher Sitte, ohne Pflanzenbau und ohne Götterverehrung. Der eigentliche Name des Volks war Schibscha; denn Muysca bedeutet in der Schibscha-Sprache Menschen, Leute. Da erschien, von dem Gebirge hinter Bogota herabgestiegen, ein langbärtiger Mann anderen Geschlechts als die Muyscas. Er hatte drei Namen, unter denen der Name Botschika (Bochica) der gefeiertste war. Der heilige Mann kam also, wie Manco Capac, von Osten her aus den Grasfluren des Rio Meta, vielleicht aus der Waldgegend des Orinoco, wo hohe Felswände bis zum Rupunuri und Essequibo hin mit symbolischen Zeichen und Bildern bedeckt sind. Wie Manco Capac (und so beginnen alle Mythen, die den Völkern das unbegriffene Phänomen eines Ueberganges zur Ansiedelung und Gesittung lösen sollen), lehrte Botschika die Gebirgsbewohner sich kleiden, Mais und Quinoa (eine Art Chenopodium) säen und, gesellt durch religiösen Cultus wie durch Glauben an die Heiligkeit gewisser Orte, sich in Ein Volk verschmelzen. Botschika war begleitet von einem Weibe, das, wie er, drei Namen führte, das aber alles bösartig störte, was der heilige Mann zum Glücke der Menschen ersonnen hatte. Durch ihre Zauberkünste ließ Huythaca oder Schia den Fluß Funzha anschwellen. Die ganze Hochebene wurde ein See, und nur wenige Menschen retteten sich auf das nahe Gebirge. Da erzürnte der Alte und verjagte das unglückbringende Weib. Huythaca verließ die Erde und wurde der Mond, welcher

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Hochebene von Bogota. In: Ders.: Kleinere Schriften. Erster Band. Geognostische und physikalische Erinnerungen. Stuttgart und Tübingen, 1853, S. 100-132, hier S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bogota_1853/17>, abgerufen am 24.04.2024.