Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Kriege zu bilden, oder ihnen, wenn sie denn, wie z. B.
Waffenübungen der Bürger, schlechterdings nothwendig
sind, eine solche Richtung geben, dass sie derselben nicht
blos die Tapferkeit, Fertigkeit und Subordination eines
Soldaten beibringen, sondern den Geist wahrer Krieger,
oder vielmehr edler Bürger einhauchen, welche für ihr
Vaterland zu fechten immer bereit sind.


VI.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander.
Mittel, diesen Endzweck zu erreichen. Veranstaltungen, welche
auf die Umformung des Geistes und Charakters der Bürger
gerichtet sind. Oeffentliche Erziehung.

Möglicher Umfang der Mittel, diese Sicherheit zu befördern. -- Moralische Mittel.
-- Oeffentliche Erziehung. -- Ist nachtheilig, vorzüglich weil sie die Mannigfal-
tigkeit der Ausbildung hindert; -- unnütz, weil es in einer Nation, die einer gehö-
rigen Freiheit geniesst, an guter Privaterziehung nicht fehlen wird; -- wirkt zu
viel, weil die Sorgfalt für die Sicherheit nicht gänzliche Umformung der Sitten
nothwendig macht; -- liegt daher ausser den Gränzen der Wirksamkeit des
Staats.

Eine tiefere und ausführlichere Prüfung erfordert die Sorg-
falt des Staats für die innere Sicherheit der Bürger unter ein-
ander, zu der ich mich jetzt wende. Denn es scheint mir nicht
hinlänglich, demselben blos allgemein die Erhaltung derselben
zur Pflicht zu machen, sondern ich halte es vielmehr für noth-
wendig, die besondern Gränzen dabei zu bestimmen, oder wenn
dies allgemein nicht möglich sein sollte, wenigstens die Gründe
dieser Unmöglichkeit auseinanderzusetzen, und die Merkmale
anzugeben, an welchen sie in gegebenen Fällen zu erkennen
sein möchten. Schon eine sehr mangelhafte Erfahrung lehrt,
dass diese Sorgfalt mehr oder minder weit ausgreifen kann,
ihren Endzweck zu erreichen. Sie kann sich begnügen, began-
gene Unordnungen wieder herzustellen, und zu bestrafen. Sie
kann schon ihre Begehung überhaupt zu verhüten suchen, und

Kriege zu bilden, oder ihnen, wenn sie denn, wie z. B.
Waffenübungen der Bürger, schlechterdings nothwendig
sind, eine solche Richtung geben, dass sie derselben nicht
blos die Tapferkeit, Fertigkeit und Subordination eines
Soldaten beibringen, sondern den Geist wahrer Krieger,
oder vielmehr edler Bürger einhauchen, welche für ihr
Vaterland zu fechten immer bereit sind.


VI.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander.
Mittel, diesen Endzweck zu erreichen. Veranstaltungen, welche
auf die Umformung des Geistes und Charakters der Bürger
gerichtet sind. Oeffentliche Erziehung.

Möglicher Umfang der Mittel, diese Sicherheit zu befördern. — Moralische Mittel.
— Oeffentliche Erziehung. — Ist nachtheilig, vorzüglich weil sie die Mannigfal-
tigkeit der Ausbildung hindert; — unnütz, weil es in einer Nation, die einer gehö-
rigen Freiheit geniesst, an guter Privaterziehung nicht fehlen wird; — wirkt zu
viel, weil die Sorgfalt für die Sicherheit nicht gänzliche Umformung der Sitten
nothwendig macht; — liegt daher ausser den Gränzen der Wirksamkeit des
Staats.

Eine tiefere und ausführlichere Prüfung erfordert die Sorg-
falt des Staats für die innere Sicherheit der Bürger unter ein-
ander, zu der ich mich jetzt wende. Denn es scheint mir nicht
hinlänglich, demselben blos allgemein die Erhaltung derselben
zur Pflicht zu machen, sondern ich halte es vielmehr für noth-
wendig, die besondern Gränzen dabei zu bestimmen, oder wenn
dies allgemein nicht möglich sein sollte, wenigstens die Gründe
dieser Unmöglichkeit auseinanderzusetzen, und die Merkmale
anzugeben, an welchen sie in gegebenen Fällen zu erkennen
sein möchten. Schon eine sehr mangelhafte Erfahrung lehrt,
dass diese Sorgfalt mehr oder minder weit ausgreifen kann,
ihren Endzweck zu erreichen. Sie kann sich begnügen, began-
gene Unordnungen wieder herzustellen, und zu bestrafen. Sie
kann schon ihre Begehung überhaupt zu verhüten suchen, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0089" n="53"/>
Kriege zu bilden, oder ihnen, wenn sie denn, wie z. B.<lb/>
Waffenübungen der Bürger, schlechterdings nothwendig<lb/>
sind, eine solche Richtung geben, dass sie derselben nicht<lb/>
blos die Tapferkeit, Fertigkeit und Subordination eines<lb/>
Soldaten beibringen, sondern den Geist wahrer Krieger,<lb/>
oder vielmehr edler Bürger einhauchen, welche für ihr<lb/>
Vaterland zu fechten immer bereit sind.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">VI.<lb/>
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander.<lb/>
Mittel, diesen Endzweck zu erreichen. Veranstaltungen, welche<lb/>
auf die Umformung des Geistes und Charakters der Bürger<lb/>
gerichtet sind. Oeffentliche Erziehung.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p>Möglicher Umfang der Mittel, diese Sicherheit zu befördern. &#x2014; Moralische Mittel.<lb/>
&#x2014; Oeffentliche Erziehung. &#x2014; Ist nachtheilig, vorzüglich weil sie die Mannigfal-<lb/>
tigkeit der Ausbildung hindert; &#x2014; unnütz, weil es in einer Nation, die einer gehö-<lb/>
rigen Freiheit geniesst, an guter Privaterziehung nicht fehlen wird; &#x2014; wirkt zu<lb/>
viel, weil die Sorgfalt für die Sicherheit nicht gänzliche Umformung der Sitten<lb/>
nothwendig macht; &#x2014; liegt daher ausser den Gränzen der Wirksamkeit des<lb/>
Staats.</p>
        </argument><lb/>
        <p>Eine tiefere und ausführlichere Prüfung erfordert die Sorg-<lb/>
falt des Staats für die innere Sicherheit der Bürger unter ein-<lb/>
ander, zu der ich mich jetzt wende. Denn es scheint mir nicht<lb/>
hinlänglich, demselben blos allgemein die Erhaltung derselben<lb/>
zur Pflicht zu machen, sondern ich halte es vielmehr für noth-<lb/>
wendig, die besondern Gränzen dabei zu bestimmen, oder wenn<lb/>
dies allgemein nicht möglich sein sollte, wenigstens die Gründe<lb/>
dieser Unmöglichkeit auseinanderzusetzen, und die Merkmale<lb/>
anzugeben, an welchen sie in gegebenen Fällen zu erkennen<lb/>
sein möchten. Schon eine sehr mangelhafte Erfahrung lehrt,<lb/>
dass diese Sorgfalt mehr oder minder weit ausgreifen kann,<lb/>
ihren Endzweck zu erreichen. Sie kann sich begnügen, began-<lb/>
gene Unordnungen wieder herzustellen, und zu bestrafen. Sie<lb/>
kann schon ihre Begehung überhaupt zu verhüten suchen, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0089] Kriege zu bilden, oder ihnen, wenn sie denn, wie z. B. Waffenübungen der Bürger, schlechterdings nothwendig sind, eine solche Richtung geben, dass sie derselben nicht blos die Tapferkeit, Fertigkeit und Subordination eines Soldaten beibringen, sondern den Geist wahrer Krieger, oder vielmehr edler Bürger einhauchen, welche für ihr Vaterland zu fechten immer bereit sind. VI. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander. Mittel, diesen Endzweck zu erreichen. Veranstaltungen, welche auf die Umformung des Geistes und Charakters der Bürger gerichtet sind. Oeffentliche Erziehung. Möglicher Umfang der Mittel, diese Sicherheit zu befördern. — Moralische Mittel. — Oeffentliche Erziehung. — Ist nachtheilig, vorzüglich weil sie die Mannigfal- tigkeit der Ausbildung hindert; — unnütz, weil es in einer Nation, die einer gehö- rigen Freiheit geniesst, an guter Privaterziehung nicht fehlen wird; — wirkt zu viel, weil die Sorgfalt für die Sicherheit nicht gänzliche Umformung der Sitten nothwendig macht; — liegt daher ausser den Gränzen der Wirksamkeit des Staats. Eine tiefere und ausführlichere Prüfung erfordert die Sorg- falt des Staats für die innere Sicherheit der Bürger unter ein- ander, zu der ich mich jetzt wende. Denn es scheint mir nicht hinlänglich, demselben blos allgemein die Erhaltung derselben zur Pflicht zu machen, sondern ich halte es vielmehr für noth- wendig, die besondern Gränzen dabei zu bestimmen, oder wenn dies allgemein nicht möglich sein sollte, wenigstens die Gründe dieser Unmöglichkeit auseinanderzusetzen, und die Merkmale anzugeben, an welchen sie in gegebenen Fällen zu erkennen sein möchten. Schon eine sehr mangelhafte Erfahrung lehrt, dass diese Sorgfalt mehr oder minder weit ausgreifen kann, ihren Endzweck zu erreichen. Sie kann sich begnügen, began- gene Unordnungen wieder herzustellen, und zu bestrafen. Sie kann schon ihre Begehung überhaupt zu verhüten suchen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/89
Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/89>, abgerufen am 29.03.2024.