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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.

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3 Verlöschens und sich Entzündens. Jede Flamme hat wie die Sonnenflamme in ihrem Werden ihr Sein. S. die Philosophie Heraklitos des Dunkeln von Ephesos dargestellt von Ferd. Lassalle 1858 Bd. I. S. 157-163, Bd. II. S. 104 bis 110. In diesem Buche zeigt der Darsteller auch den merkwürdigen Einfluß von Heraklit dem Dunklen auf Hippocrates de diaeta; s. Lassalle Bd. I. S. 165-171. Hegel (Geschichte der Philosophie, herausg. von Michelet, Bd. I. 1833 S. 333) sagt: "es ist ein großer Gedanke von Heraklit, vom Sein zum Werden überzugehn". Auch Aristoteles erkennt, daß alles Werden und Vergehen, alle Veränderung gegensätzlich sich entwickelt durch das Mittel der sogenannten Beraubung (Aristoteles und seine akademischen Zeitgenossen von Aug. Brandis in der Geschichte der Philosophie Th. II. Abth. 2. 1857 S. 704 und 716). Schon nach den uralten Sprüchen (Gathas) des bactrischen Zarathustra (übersetzt von Martin Haug I. S. 101) "ist der Gesammt-Inhalt des Erdenlebens der Gegensatz von Seyn und Nichtseyn".
4 (S. 7.) Empedocles wird von Aristoteles nach einer Stelle im 1ten Buche der Metaphysik (I, 4 p. 985, a 32; wie auch I, 3 p. 984, a 8) als der eigentliche Urheber der bestimmten Vierzahl von Elementen (Wurzeln der Dinge) bezeichnet: einer Vierzahl, die in solcher numerischen Bestimmtheit den Milesiern Anaximander und Anaximenes fremd war (Brandis Th. I. 1835 S. 196).
5 (S. 7.) Um im Werden die qualitativen Veränderungen oder die Uebergänge der Beschaffenheit zu erklären, nahm Anaxagoras, von Aristoteles getadelt, statt der Vierzahl von Urstoffen "eine unermeßliche Mannigfaltigkeit einfacher, qualitativ bestimmter, von einander verschiedener Urstoffe (Saamen der Dinge) an: so daß Entgegengesetztes sich aus dem Entgegengesetzten entwickeln könne". Nach Angabe des Simplicius tadelt der Klazomenier die Hellenen wegen der gemeinen Ansicht von Werden
3 Verlöschens und sich Entzündens. Jede Flamme hat wie die Sonnenflamme in ihrem Werden ihr Sein. S. die Philosophie Heraklitos des Dunkeln von Ephesos dargestellt von Ferd. Lassalle 1858 Bd. I. S. 157–163, Bd. II. S. 104 bis 110. In diesem Buche zeigt der Darsteller auch den merkwürdigen Einfluß von Heraklit dem Dunklen auf Hippocrates de diaeta; s. Lassalle Bd. I. S. 165–171. Hegel (Geschichte der Philosophie, herausg. von Michelet, Bd. I. 1833 S. 333) sagt: „es ist ein großer Gedanke von Heraklit, vom Sein zum Werden überzugehn“. Auch Aristoteles erkennt, daß alles Werden und Vergehen, alle Veränderung gegensätzlich sich entwickelt durch das Mittel der sogenannten Beraubung (Aristoteles und seine akademischen Zeitgenossen von Aug. Brandis in der Geschichte der Philosophie Th. II. Abth. 2. 1857 S. 704 und 716). Schon nach den uralten Sprüchen (Gâthâs) des bactrischen Zarathustra (übersetzt von Martin Haug I. S. 101) „ist der Gesammt-Inhalt des Erdenlebens der Gegensatz von Seyn und Nichtseyn“.
4 (S. 7.) Empedocles wird von Aristoteles nach einer Stelle im 1ten Buche der Metaphysik (I, 4 p. 985, a 32; wie auch I, 3 p. 984, a 8) als der eigentliche Urheber der bestimmten Vierzahl von Elementen (Wurzeln der Dinge) bezeichnet: einer Vierzahl, die in solcher numerischen Bestimmtheit den Milesiern Anaximander und Anaximenes fremd war (Brandis Th. I. 1835 S. 196).
5 (S. 7.) Um im Werden die qualitativen Veränderungen oder die Uebergänge der Beschaffenheit zu erklären, nahm Anaxagoras, von Aristoteles getadelt, statt der Vierzahl von Urstoffen „eine unermeßliche Mannigfaltigkeit einfacher, qualitativ bestimmter, von einander verschiedener Urstoffe (Saamen der Dinge) an: so daß Entgegengesetztes sich aus dem Entgegengesetzten entwickeln könne“. Nach Angabe des Simplicius tadelt der Klazomenier die Hellenen wegen der gemeinen Ansicht von Werden
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[20/0027] ³ Verlöschens und sich Entzündens. Jede Flamme hat wie die Sonnenflamme in ihrem Werden ihr Sein. S. die Philosophie Heraklitos des Dunkeln von Ephesos dargestellt von Ferd. Lassalle 1858 Bd. I. S. 157–163, Bd. II. S. 104 bis 110. In diesem Buche zeigt der Darsteller auch den merkwürdigen Einfluß von Heraklit dem Dunklen auf Hippocrates de diaeta; s. Lassalle Bd. I. S. 165–171. Hegel (Geschichte der Philosophie, herausg. von Michelet, Bd. I. 1833 S. 333) sagt: „es ist ein großer Gedanke von Heraklit, vom Sein zum Werden überzugehn“. Auch Aristoteles erkennt, daß alles Werden und Vergehen, alle Veränderung gegensätzlich sich entwickelt durch das Mittel der sogenannten Beraubung (Aristoteles und seine akademischen Zeitgenossen von Aug. Brandis in der Geschichte der Philosophie Th. II. Abth. 2. 1857 S. 704 und 716). Schon nach den uralten Sprüchen (Gâthâs) des bactrischen Zarathustra (übersetzt von Martin Haug I. S. 101) „ist der Gesammt-Inhalt des Erdenlebens der Gegensatz von Seyn und Nichtseyn“. ⁴ (S. 7.) Empedocles wird von Aristoteles nach einer Stelle im 1ten Buche der Metaphysik (I, 4 p. 985, a 32; wie auch I, 3 p. 984, a 8) als der eigentliche Urheber der bestimmten Vierzahl von Elementen (Wurzeln der Dinge) bezeichnet: einer Vierzahl, die in solcher numerischen Bestimmtheit den Milesiern Anaximander und Anaximenes fremd war (Brandis Th. I. 1835 S. 196). ⁵ (S. 7.) Um im Werden die qualitativen Veränderungen oder die Uebergänge der Beschaffenheit zu erklären, nahm Anaxagoras, von Aristoteles getadelt, statt der Vierzahl von Urstoffen „eine unermeßliche Mannigfaltigkeit einfacher, qualitativ bestimmter, von einander verschiedener Urstoffe (Saamen der Dinge) an: so daß Entgegengesetztes sich aus dem Entgegengesetzten entwickeln könne“. Nach Angabe des Simplicius tadelt der Klazomenier die Hellenen wegen der gemeinen Ansicht von Werden

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/27>, abgerufen am 19.04.2024.