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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.

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"inveniuntur lapides quidam tantae porositatis, ut natent super aquam, sicut lapides quos ejicit vulcanus" (Liber de Mineralibus cap. VI Tract. primi libri, ed. Venet. 1494). Hier ist das mythische Wesen fast mit dem Berge bildlich verwechselt.

Um die Gliederung und den inneren historischen Zusammenhang unsrer geologischen Erkenntnisse schärfer zu ergründen, muß hier in Erinnerung gebracht werden, daß das Auffinden fossiler organischer Meerproducte, in den Gesteinschichten eingeschlossen, früh und fast überall dieselben Fragen hervorrief, deren voreilige Beantwortung noch sichtbare Spuren in unsren jetzigen systematischen Eintheilungen und der wissenschaftlichen Nomenclatur gelassen hat. Es handelte sich, wie bei Apulejus17, um die Allgemeinheit der Deucalionischen Fluth und ihre Wiederkehr; um das frühere Trockenlegen der höheren Erdtheile, und auf diesen um die Entstehung der ältesten Pflanzen- und Thiergattungen wie bei Trogus Pompejus18: um die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer keim- und mutterlosen Zeugung (generatio aequivoca, spontanea, primaria), welche selbst in christlichen Zeiten den großen Augustinus, Bischof von Hippo19, beunruhigte; um die strenge Scheidung von fossilienreichen, secundären Gesteinsbildungen und den uranfänglichen, stets fossilienleeren: weil dieselben schon zu einer Zeit erhärtet sind, wo Erde und Meer noch ohne Pflanzen und Thiere waren. Von diesen Fragen rief eine die andere hervor; und der scharfsinnige Forscher, der die Verschiedenheit der Fossilien in auf einander folgenden Schichten am lebhaftsten angeregt hatte, Nicolaus Steno20, war auch der, welcher unter den sechs von ihm angenommenen Epochen der Bodenbildung in Toscana die älteste Bildung aus einem Urmeere ohne Organismen, vor deren Entstehung, sich niederschlagen ließ: und hat so mit den

»inveniuntur lapides quidam tantae porositatis, ut natent super aquam, sicut lapides quos ejicit vulcanus« (Liber de Mineralibus cap. VI Tract. primi libri, ed. Venet. 1494). Hier ist das mythische Wesen fast mit dem Berge bildlich verwechselt.

Um die Gliederung und den inneren historischen Zusammenhang unsrer geologischen Erkenntnisse schärfer zu ergründen, muß hier in Erinnerung gebracht werden, daß das Auffinden fossiler organischer Meerproducte, in den Gesteinschichten eingeschlossen, früh und fast überall dieselben Fragen hervorrief, deren voreilige Beantwortung noch sichtbare Spuren in unsren jetzigen systematischen Eintheilungen und der wissenschaftlichen Nomenclatur gelassen hat. Es handelte sich, wie bei Apulejus17, um die Allgemeinheit der Deucalionischen Fluth und ihre Wiederkehr; um das frühere Trockenlegen der höheren Erdtheile, und auf diesen um die Entstehung der ältesten Pflanzen- und Thiergattungen wie bei Trogus Pompejus18: um die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer keim- und mutterlosen Zeugung (generatio aequivoca, spontanea, primaria), welche selbst in christlichen Zeiten den großen Augustinus, Bischof von Hippo19, beunruhigte; um die strenge Scheidung von fossilienreichen, secundären Gesteinsbildungen und den uranfänglichen, stets fossilienleeren: weil dieselben schon zu einer Zeit erhärtet sind, wo Erde und Meer noch ohne Pflanzen und Thiere waren. Von diesen Fragen rief eine die andere hervor; und der scharfsinnige Forscher, der die Verschiedenheit der Fossilien in auf einander folgenden Schichten am lebhaftsten angeregt hatte, Nicolaus Steno20, war auch der, welcher unter den sechs von ihm angenommenen Epochen der Bodenbildung in Toscana die älteste Bildung aus einem Urmeere ohne Organismen, vor deren Entstehung, sich niederschlagen ließ: und hat so mit den

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[66/0073] »inveniuntur lapides quidam tantae porositatis, ut natent super aquam, sicut lapides quos ejicit vulcanus« (Liber de Mineralibus cap. VI Tract. primi libri, ed. Venet. 1494). Hier ist das mythische Wesen fast mit dem Berge bildlich verwechselt. Um die Gliederung und den inneren historischen Zusammenhang unsrer geologischen Erkenntnisse schärfer zu ergründen, muß hier in Erinnerung gebracht werden, daß das Auffinden fossiler organischer Meerproducte, in den Gesteinschichten eingeschlossen, früh und fast überall dieselben Fragen hervorrief, deren voreilige Beantwortung noch sichtbare Spuren in unsren jetzigen systematischen Eintheilungen und der wissenschaftlichen Nomenclatur gelassen hat. Es handelte sich, wie bei Apulejus ¹⁷ , um die Allgemeinheit der Deucalionischen Fluth und ihre Wiederkehr; um das frühere Trockenlegen der höheren Erdtheile, und auf diesen um die Entstehung der ältesten Pflanzen- und Thiergattungen wie bei Trogus Pompejus ¹⁸ : um die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer keim- und mutterlosen Zeugung (generatio aequivoca, spontanea, primaria), welche selbst in christlichen Zeiten den großen Augustinus, Bischof von Hippo ¹⁹ , beunruhigte; um die strenge Scheidung von fossilienreichen, secundären Gesteinsbildungen und den uranfänglichen, stets fossilienleeren: weil dieselben schon zu einer Zeit erhärtet sind, wo Erde und Meer noch ohne Pflanzen und Thiere waren. Von diesen Fragen rief eine die andere hervor; und der scharfsinnige Forscher, der die Verschiedenheit der Fossilien in auf einander folgenden Schichten am lebhaftsten angeregt hatte, Nicolaus Steno ²⁰ , war auch der, welcher unter den sechs von ihm angenommenen Epochen der Bodenbildung in Toscana die älteste Bildung aus einem Urmeere ohne Organismen, vor deren Entstehung, sich niederschlagen ließ: und hat so mit den

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/73>, abgerufen am 19.04.2024.