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Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42.

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sind angestellt worden, als sich Dr. Wollaston mit die-
sem Gegenstande in England beschäftigte.

Ist die Ursach, welche ich für die nächtliche Zu-
nahme des Schalls angebe, die wahre, so darf man
sich nicht verwundern, dass diese Zunahme zwischen
den Wendekreisen grösser im Jnnern des Landes als
auf offenem Meere, und grösser in den Ebenen als auf
dem Rücken der Cordilleren ist. Die Oberfläche der
Meere um den Aequator wird gleichförmig von der
Sonne erwärmt, und nicht bis über 29° C., indess die
verschiedenfarbige, aus Materien von verschiedener
wärmestrahlenden Kraft bestehende Oberfläche des fe-
sten Landes hier Temperaturen annimmt, die von 30°
bis 52°C. reichen. In den tropischen Ländern bleibt all-
gemein die Erde während der Nacht wärmer als die
Luft. In den gemässigten Zonen wird dagegen der
Erdboden in ruhigen und hellen Nächten um 4 bis 5°
C. kälter als die Luft, und es nimmt dann die Tempe-
ratur nicht vom Boden aufwärts ab, sondern anfangs
zu, bis in Höhen von 50 bis 60 Fuss, daher manch-
mal die irdische Strahlenbrechung hier Nachts fast
eben so stark als am Tage ist. Horizontale Luftschich-
ten von verschiedener Dichtigkeit sind über einander
immer vorhanden; aber die Streifen wärmerer Luft,
welche durch die Atmosphäre in schiefer Richtung auf-
steigen, sind Nachts seltner als am Tage. Jn dem un-
ter dem Aequator liegenden Theile der Andes beträgt
in 3000 Meter Höhe die mittlere Temperatur der Luft
nur 14° C., und die Wärme-Ausstrahlung nach dem
wolkenlosen Himmel, durch eine sehr trockene und

ſind angeſtellt worden, als ſich Dr. Wollaſton mit die-
ſem Gegenſtande in England beſchäftigte.

Iſt die Urſach, welche ich für die nächtliche Zu-
nahme des Schalls angebe, die wahre, ſo darf man
ſich nicht verwundern, daſs dieſe Zunahme zwiſchen
den Wendekreiſen gröſser im Jnnern des Landes als
auf offenem Meere, und gröſser in den Ebenen als auf
dem Rücken der Cordilleren iſt. Die Oberfläche der
Meere um den Aequator wird gleichförmig von der
Sonne erwärmt, und nicht bis über 29° C., indeſs die
verſchiedenfarbige, aus Materien von verſchiedener
wärmeſtrahlenden Kraft beſtehende Oberfläche des fe-
ſten Landes hier Temperaturen annimmt, die von 30°
bis 52°C. reichen. In den tropiſchen Ländern bleibt all-
gemein die Erde während der Nacht wärmer als die
Luft. In den gemäſsigten Zonen wird dagegen der
Erdboden in ruhigen und hellen Nächten um 4 bis 5°
C. kälter als die Luft, und es nimmt dann die Tempe-
ratur nicht vom Boden aufwärts ab, ſondern anfangs
zu, bis in Höhen von 50 bis 60 Fuſs, daher manch-
mal die irdiſche Strahlenbrechung hier Nachts faſt
eben ſo ſtark als am Tage iſt. Horizontale Luftſchich-
ten von verſchiedener Dichtigkeit ſind über einander
immer vorhanden; aber die Streifen wärmerer Luft,
welche durch die Atmoſphäre in ſchiefer Richtung auf-
ſteigen, ſind Nachts ſeltner als am Tage. Jn dem un-
ter dem Aequator liegenden Theile der Andes beträgt
in 3000 Meter Höhe die mittlere Temperatur der Luft
nur 14° C., und die Wärme-Ausſtrahlung nach dem
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[39/0011] ſind angeſtellt worden, als ſich Dr. Wollaſton mit die- ſem Gegenſtande in England beſchäftigte. Iſt die Urſach, welche ich für die nächtliche Zu- nahme des Schalls angebe, die wahre, ſo darf man ſich nicht verwundern, daſs dieſe Zunahme zwiſchen den Wendekreiſen gröſser im Jnnern des Landes als auf offenem Meere, und gröſser in den Ebenen als auf dem Rücken der Cordilleren iſt. Die Oberfläche der Meere um den Aequator wird gleichförmig von der Sonne erwärmt, und nicht bis über 29° C., indeſs die verſchiedenfarbige, aus Materien von verſchiedener wärmeſtrahlenden Kraft beſtehende Oberfläche des fe- ſten Landes hier Temperaturen annimmt, die von 30° bis 52°C. reichen. In den tropiſchen Ländern bleibt all- gemein die Erde während der Nacht wärmer als die Luft. In den gemäſsigten Zonen wird dagegen der Erdboden in ruhigen und hellen Nächten um 4 bis 5° C. kälter als die Luft, und es nimmt dann die Tempe- ratur nicht vom Boden aufwärts ab, ſondern anfangs zu, bis in Höhen von 50 bis 60 Fuſs, daher manch- mal die irdiſche Strahlenbrechung hier Nachts faſt eben ſo ſtark als am Tage iſt. Horizontale Luftſchich- ten von verſchiedener Dichtigkeit ſind über einander immer vorhanden; aber die Streifen wärmerer Luft, welche durch die Atmoſphäre in ſchiefer Richtung auf- ſteigen, ſind Nachts ſeltner als am Tage. Jn dem un- ter dem Aequator liegenden Theile der Andes beträgt in 3000 Meter Höhe die mittlere Temperatur der Luft nur 14° C., und die Wärme-Ausſtrahlung nach dem wolkenloſen Himmel, durch eine ſehr trockene und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42, hier S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820/11>, abgerufen am 28.03.2024.