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Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42.

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he der Wolken als Wirkung aufsteigender Strömun-
gen und dergl. mehr enthält, und wenn man dabei
bedenkt, wie unvollkommen der Zustand der Natur-
lehre bei den Alten war, die in gänzlicher Un-
bekanntschaft mit der experimentalen Methode
waren*).

Die Bewohner der Alpen und der Andes halten
eine ungewöhnliche Verstärkung des Schalls während
ruhiger Nacht für ein sicheres Vorzeichen eintreten-
der Veränderung der Witterung. "Es wird regnen,
sagen sie, weil man das Rauschen der Ströme näher

*) Man sehe meine Samml. astron. Beobb. Th 1 S. 127. We-
der in Aristoxenes Buch von der Musik, noch in Sene-
ca's
quaest. natur., noch bei Theophylactus Simocat-
ta
kömmt die Frage vor, wohl aber bei Plutarch (Ed.
Paris. 1624 t. 2 p. 721 D.) Der erste der mit einander Reden-
den, behauptet, die Kälte der Nacht figire und verdichte die
Luft, und man höre den Schall am Tage schlecht, weil es
weniger leere Räume gebe. Der zweite Redende verwirft
diese leere Räume und nimmt mit Anaxagoras an, während
Tags setze die Sonne die Luft in eine zitternde und schlagen-
de Bewegung, man höre am Tage schlecht, wegen des vielen
Staubes, der dann in der Luft zische und murmele, in der
Nacht aber höre die Erschütterung, und folglich auch das Zi-
schen des Staubes auf. Doch müsse Anaxagoras darin berich-
tigt werden, dass man auf diesen Schall der kleinen Körper-
chen in der Erklärung Verzicht leiste, indem es hinreiche die
Erschütterung und Bewegung derselben anzunehmen. Die Be-
wegung der Luft nehme von der Stimme immer etwas fort
und entführe etwas von ihrer Stärke und Grösse. Der grosse
Regierer und Heerführer am Himmel, die Sonne, setze alles,
bis auf die kleinsten Lufttheilchen in Bewegung, und so bald
er sich zeige, errege und bewege er alles."    v. H.

he der Wolken als Wirkung aufſteigender Strömun-
gen und dergl. mehr enthält, und wenn man dabei
bedenkt, wie unvollkommen der Zuſtand der Natur-
lehre bei den Alten war, die in gänzlicher Un-
bekanntſchaft mit der experimentalen Methode
waren*).

Die Bewohner der Alpen und der Andes halten
eine ungewöhnliche Verſtärkung des Schalls während
ruhiger Nacht für ein ſicheres Vorzeichen eintreten-
der Veränderung der Witterung. „Es wird regnen,
ſagen ſie, weil man das Rauſchen der Ströme näher

*) Man ſehe meine Samml. aſtron. Beobb. Th 1 S. 127. We-
der in Ariſtoxenes Buch von der Muſik, noch in Sene-
ca's
quaeſt. natur., noch bei Theophylactus Simocat-
ta
kömmt die Frage vor, wohl aber bei Plutarch (Ed.
Pariſ. 1624 t. 2 p. 721 D.) Der erſte der mit einander Reden-
den, behauptet, die Kälte der Nacht figire und verdichte die
Luft, und man höre den Schall am Tage ſchlecht, weil es
weniger leere Räume gebe. Der zweite Redende verwirft
dieſe leere Räume und nimmt mit Anaxagoras an, während
Tags ſetze die Sonne die Luft in eine zitternde und ſchlagen-
de Bewegung, man höre am Tage ſchlecht, wegen des vielen
Staubes, der dann in der Luft ziſche und murmele, in der
Nacht aber höre die Erſchütterung, und folglich auch das Zi-
ſchen des Staubes auf. Doch müſſe Anaxagoras darin berich-
tigt werden, daſs man auf dieſen Schall der kleinen Körper-
chen in der Erklärung Verzicht leiſte, indem es hinreiche die
Erſchütterung und Bewegung derſelben anzunehmen. Die Be-
wegung der Luft nehme von der Stimme immer etwas fort
und entführe etwas von ihrer Stärke und Gröſse. Der groſse
Regierer und Heerführer am Himmel, die Sonne, ſetze alles,
bis auf die kleinſten Lufttheilchen in Bewegung, und ſo bald
er ſich zeige, errege und bewege er alles.“    v. H.
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[41/0013] he der Wolken als Wirkung aufſteigender Strömun- gen und dergl. mehr enthält, und wenn man dabei bedenkt, wie unvollkommen der Zuſtand der Natur- lehre bei den Alten war, die in gänzlicher Un- bekanntſchaft mit der experimentalen Methode waren *). Die Bewohner der Alpen und der Andes halten eine ungewöhnliche Verſtärkung des Schalls während ruhiger Nacht für ein ſicheres Vorzeichen eintreten- der Veränderung der Witterung. „Es wird regnen, ſagen ſie, weil man das Rauſchen der Ströme näher *) Man ſehe meine Samml. aſtron. Beobb. Th 1 S. 127. We- der in Ariſtoxenes Buch von der Muſik, noch in Sene- ca's quaeſt. natur., noch bei Theophylactus Simocat- ta kömmt die Frage vor, wohl aber bei Plutarch (Ed. Pariſ. 1624 t. 2 p. 721 D.) Der erſte der mit einander Reden- den, behauptet, die Kälte der Nacht figire und verdichte die Luft, und man höre den Schall am Tage ſchlecht, weil es weniger leere Räume gebe. Der zweite Redende verwirft dieſe leere Räume und nimmt mit Anaxagoras an, während Tags ſetze die Sonne die Luft in eine zitternde und ſchlagen- de Bewegung, man höre am Tage ſchlecht, wegen des vielen Staubes, der dann in der Luft ziſche und murmele, in der Nacht aber höre die Erſchütterung, und folglich auch das Zi- ſchen des Staubes auf. Doch müſſe Anaxagoras darin berich- tigt werden, daſs man auf dieſen Schall der kleinen Körper- chen in der Erklärung Verzicht leiſte, indem es hinreiche die Erſchütterung und Bewegung derſelben anzunehmen. Die Be- wegung der Luft nehme von der Stimme immer etwas fort und entführe etwas von ihrer Stärke und Gröſse. Der groſse Regierer und Heerführer am Himmel, die Sonne, ſetze alles, bis auf die kleinſten Lufttheilchen in Bewegung, und ſo bald er ſich zeige, errege und bewege er alles.“ v. H.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42, hier S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820/13>, abgerufen am 28.03.2024.