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Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42.

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men, und das schon lange vor meiner Gegenwart in
dem Dorfe Atures dem Missionair und den Indiern auf-
gefallen war. Die Temperatur ist dort 3° C. niedriger
Nachts als Tags, und zugleich nimmt die sichtbare
Feuchtigkeit des Nachts zu, und der Dunst, welcher
den Wasserfall bedeckt, wird dichter. Ich habe aber
schon bemerkt, dass der hygroskopische Zustand der
Luft keinen Einfluss auf die Fortpflanzung des Schalls
hat, und dass Erkältung der Luft die Geschwindigkeit
derselben vermindert.

Vielleicht glaubt man, in diesen menschenleeren
Gegenden mache das Summen der Insekten, das Ge-
zwitscher der Vögel, und das Rauschen der beim leise-
sten Winde sich bewegenden Blätter Tags über ein
verwirrtes Getöse, das man bei seiner Einförmigkeit
nicht wahrnehme, das aber das Ohr beständig fülle
und dadurch die Intensität eines stärkern Getöses ver-
mindere; indess diese Verminderung während der Stil-
le der Nacht nicht Statt finde, weil dann Insekten, Vö-
gel und Luft ruhen. Aber dieser Grund, auch wenn
man ihn überhaupt als gültig zugeben wollte, findet
auf die Wälder am Oronoco keine Anwendung. Hier
ist die Luft stets von einer unzählbaren Menge Moski-
tos erfüllt und das Summen der Insekten Nachts viel
stärker als am Tage, und lässt Wind hier je sich spü-
ren, so ist das nicht anders als nach Sonnen-Unter-
gang der Fall.

Ich bin vielmehr der Meinung, dass die Gegen-
wart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärke
des Schalls durch die Hindernisse einwirkt, welche bei-
den die Luftströme verschiedener Dichtigkeit und die

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men, und das ſchon lange vor meiner Gegenwart in
dem Dorfe Aturès dem Miſſionair und den Indiern auf-
gefallen war. Die Temperatur iſt dort 3° C. niedriger
Nachts als Tags, und zugleich nimmt die ſichtbare
Feuchtigkeit des Nachts zu, und der Dunſt, welcher
den Waſſerfall bedeckt, wird dichter. Ich habe aber
ſchon bemerkt, daſs der hygroſkopiſche Zuſtand der
Luft keinen Einfluſs auf die Fortpflanzung des Schalls
hat, und daſs Erkältung der Luft die Geſchwindigkeit
derſelben vermindert.

Vielleicht glaubt man, in dieſen menſchenleeren
Gegenden mache das Summen der Inſekten, das Ge-
zwitſcher der Vögel, und das Rauſchen der beim leiſe-
ſten Winde ſich bewegenden Blätter Tags über ein
verwirrtes Getöſe, das man bei ſeiner Einförmigkeit
nicht wahrnehme, das aber das Ohr beſtändig fülle
und dadurch die Intenſität eines ſtärkern Getöſes ver-
mindere; indeſs dieſe Verminderung während der Stil-
le der Nacht nicht Statt finde, weil dann Inſekten, Vö-
gel und Luft ruhen. Aber dieſer Grund, auch wenn
man ihn überhaupt als gültig zugeben wollte, findet
auf die Wälder am Oronoco keine Anwendung. Hier
iſt die Luft ſtets von einer unzählbaren Menge Moſki-
tos erfüllt und das Summen der Inſekten Nachts viel
ſtärker als am Tage, und läſst Wind hier je ſich ſpü-
ren, ſo iſt das nicht anders als nach Sonnen-Unter-
gang der Fall.

Ich bin vielmehr der Meinung, daſs die Gegen-
wart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärke
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[35/0007] men, und das ſchon lange vor meiner Gegenwart in dem Dorfe Aturès dem Miſſionair und den Indiern auf- gefallen war. Die Temperatur iſt dort 3° C. niedriger Nachts als Tags, und zugleich nimmt die ſichtbare Feuchtigkeit des Nachts zu, und der Dunſt, welcher den Waſſerfall bedeckt, wird dichter. Ich habe aber ſchon bemerkt, daſs der hygroſkopiſche Zuſtand der Luft keinen Einfluſs auf die Fortpflanzung des Schalls hat, und daſs Erkältung der Luft die Geſchwindigkeit derſelben vermindert. Vielleicht glaubt man, in dieſen menſchenleeren Gegenden mache das Summen der Inſekten, das Ge- zwitſcher der Vögel, und das Rauſchen der beim leiſe- ſten Winde ſich bewegenden Blätter Tags über ein verwirrtes Getöſe, das man bei ſeiner Einförmigkeit nicht wahrnehme, das aber das Ohr beſtändig fülle und dadurch die Intenſität eines ſtärkern Getöſes ver- mindere; indeſs dieſe Verminderung während der Stil- le der Nacht nicht Statt finde, weil dann Inſekten, Vö- gel und Luft ruhen. Aber dieſer Grund, auch wenn man ihn überhaupt als gültig zugeben wollte, findet auf die Wälder am Oronoco keine Anwendung. Hier iſt die Luft ſtets von einer unzählbaren Menge Moſki- tos erfüllt und das Summen der Inſekten Nachts viel ſtärker als am Tage, und läſst Wind hier je ſich ſpü- ren, ſo iſt das nicht anders als nach Sonnen-Unter- gang der Fall. Ich bin vielmehr der Meinung, daſs die Gegen- wart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärke des Schalls durch die Hinderniſſe einwirkt, welche bei- den die Luftſtröme verſchiedener Dichtigkeit und die C 2

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. In: Annalen der Physik, Bd. 65 (1820), S. 31-42, hier S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staerke_1820/7>, abgerufen am 23.04.2024.