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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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insgesamt richtig sich fänden. Denn alle
die übrigen, die nur in einem Satze von die-
sem abgiengen, wären eines Jrrthums
schuldig. Wer hat aber Gründe vor sich,
womit er beweisen könne, er sey der einige
Gelehrte, dessen Verstand von allem Jrr-
thum rein? Es ist vielmehr zu glauben,
daß kein einiger ohne Jrrthum sey.

§. IX.

Wenn denn aber kein einiger MenschWas ge-
wiß sey.

ohne Jrrthümer, und doch auch niemand
seine eigene Jrrthümer kennet, so scheinet
zu folgen, daß unsere vermischte Einsicht
ohne allen Gebrauch und Nutzen sey, indem
sich niemand auf einen eintzigen seiner Sä-
tze mit völliger Gewißheit verlassen könne.
Jch antworte hierauf folgendes: Man hat
zwar noch keine vollkommen hinreichende
allgemeine Merckmahle, wodurch man in
einem jeden einzelnen Falle die richtigen
Sätze und Schlüsse von den unrichtigen
zu unterscheiden fähig ist: Man hat aber
doch einige besondere Merckmahle, wodurch
man in einigen Fällen zu einer völligen Ge-
wißheit, ob etwas wahr oder falsch sey, ge-
langen kan. Ehe ich hievon mit mehrern

rede,
Jacobi Betr. 2. Band. B



insgeſamt richtig ſich faͤnden. Denn alle
die uͤbrigen, die nur in einem Satze von die-
ſem abgiengen, waͤren eines Jrrthums
ſchuldig. Wer hat aber Gruͤnde vor ſich,
womit er beweiſen koͤnne, er ſey der einige
Gelehrte, deſſen Verſtand von allem Jrr-
thum rein? Es iſt vielmehr zu glauben,
daß kein einiger ohne Jrrthum ſey.

§. IX.

Wenn denn aber kein einiger MenſchWas ge-
wiß ſey.

ohne Jrrthuͤmer, und doch auch niemand
ſeine eigene Jrrthuͤmer kennet, ſo ſcheinet
zu folgen, daß unſere vermiſchte Einſicht
ohne allen Gebrauch und Nutzen ſey, indem
ſich niemand auf einen eintzigen ſeiner Saͤ-
tze mit voͤlliger Gewißheit verlaſſen koͤnne.
Jch antworte hierauf folgendes: Man hat
zwar noch keine vollkommen hinreichende
allgemeine Merckmahle, wodurch man in
einem jeden einzelnen Falle die richtigen
Saͤtze und Schluͤſſe von den unrichtigen
zu unterſcheiden faͤhig iſt: Man hat aber
doch einige beſondere Merckmahle, wodurch
man in einigen Faͤllen zu einer voͤlligen Ge-
wißheit, ob etwas wahr oder falſch ſey, ge-
langen kan. Ehe ich hievon mit mehrern

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Jacobi Betr. 2. Band. B
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[17/0035] insgeſamt richtig ſich faͤnden. Denn alle die uͤbrigen, die nur in einem Satze von die- ſem abgiengen, waͤren eines Jrrthums ſchuldig. Wer hat aber Gruͤnde vor ſich, womit er beweiſen koͤnne, er ſey der einige Gelehrte, deſſen Verſtand von allem Jrr- thum rein? Es iſt vielmehr zu glauben, daß kein einiger ohne Jrrthum ſey. §. IX. Wenn denn aber kein einiger Menſch ohne Jrrthuͤmer, und doch auch niemand ſeine eigene Jrrthuͤmer kennet, ſo ſcheinet zu folgen, daß unſere vermiſchte Einſicht ohne allen Gebrauch und Nutzen ſey, indem ſich niemand auf einen eintzigen ſeiner Saͤ- tze mit voͤlliger Gewißheit verlaſſen koͤnne. Jch antworte hierauf folgendes: Man hat zwar noch keine vollkommen hinreichende allgemeine Merckmahle, wodurch man in einem jeden einzelnen Falle die richtigen Saͤtze und Schluͤſſe von den unrichtigen zu unterſcheiden faͤhig iſt: Man hat aber doch einige beſondere Merckmahle, wodurch man in einigen Faͤllen zu einer voͤlligen Ge- wißheit, ob etwas wahr oder falſch ſey, ge- langen kan. Ehe ich hievon mit mehrern rede, Was ge- wiß ſey. Jacobi Betr. 2. Band. B

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/35>, abgerufen am 28.03.2024.