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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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ster wie je, weil am Meisten mit ihm gespielt
wird. Das Hausleben ist auch eine Welt, und
was auf der großen Bühne verkehrt, spielt auf
der kleinen auch. Hier treten Helden und Hel¬
dinnen auf, größer als die belorbeerten, im Un¬
rechtleiden, im Verkanntwerden, Vergeblichmühn,
Unglückdulden und Gemeinschaftlichtragen. Hier
erhält nur den Lebensmuth und die Lebenskraft,
das ämsige, unermüdliche, standhafte Mitleben.
Entsagen, Entbehren, niedergekämpfte Wünsche,
überstandene Fehlplane, ausgeträumte Lügenhoff¬
nungen heißen die Siege des häuslichen Kampfs;
und nur Treue und Wechselliebe durchwirken
die Leidensgeschichte mit Blumen. Dazu gehört
aber ein Sicheinanderimmermehrwerden, ein
Nichtgestatten von Berauschungen der Flitter¬
zeit, gemeinschaftliches Streben, sich liebend voll¬
kommner zu leben.

Es ist eine unverzeihliche Eitelkeit verdrehter
Thörinnen, wenn sie glauben, den ersten den be¬
sten Bewerber und Ansprecher nach ihrem Ge¬
dankenbilde zum Gatten zu gestalten. Es ist eine
tollkühne Anmaßung übergeschnappter Manns¬
personen -- wenn sie im Blindekuhspiel ihrer

ſter wie je, weil am Meiſten mit ihm geſpielt
wird. Das Hausleben iſt auch eine Welt, und
was auf der großen Bühne verkehrt, ſpielt auf
der kleinen auch. Hier treten Helden und Hel¬
dinnen auf, größer als die belorbeerten, im Un¬
rechtleiden, im Verkanntwerden, Vergeblichmühn,
Unglückdulden und Gemeinſchaftlichtragen. Hier
erhält nur den Lebensmuth und die Lebenskraft,
das ämſige, unermüdliche, ſtandhafte Mitleben.
Entſagen, Entbehren, niedergekämpfte Wünſche,
überſtandene Fehlplane, ausgeträumte Lügenhoff¬
nungen heißen die Siege des häuſlichen Kampfs;
und nur Treue und Wechſelliebe durchwirken
die Leidensgeſchichte mit Blumen. Dazu gehört
aber ein Sicheinanderimmermehrwerden, ein
Nichtgeſtatten von Berauſchungen der Flitter¬
zeit, gemeinſchaftliches Streben, ſich liebend voll¬
kommner zu leben.

Es iſt eine unverzeihliche Eitelkeit verdrehter
Thörinnen, wenn ſie glauben, den erſten den be¬
ſten Bewerber und Anſprecher nach ihrem Ge¬
dankenbilde zum Gatten zu geſtalten. Es iſt eine
tollkühne Anmaßung übergeſchnappter Manns¬
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[406/0436] 406 ſter wie je, weil am Meiſten mit ihm geſpielt wird. Das Hausleben iſt auch eine Welt, und was auf der großen Bühne verkehrt, ſpielt auf der kleinen auch. Hier treten Helden und Hel¬ dinnen auf, größer als die belorbeerten, im Un¬ rechtleiden, im Verkanntwerden, Vergeblichmühn, Unglückdulden und Gemeinſchaftlichtragen. Hier erhält nur den Lebensmuth und die Lebenskraft, das ämſige, unermüdliche, ſtandhafte Mitleben. Entſagen, Entbehren, niedergekämpfte Wünſche, überſtandene Fehlplane, ausgeträumte Lügenhoff¬ nungen heißen die Siege des häuſlichen Kampfs; und nur Treue und Wechſelliebe durchwirken die Leidensgeſchichte mit Blumen. Dazu gehört aber ein Sicheinanderimmermehrwerden, ein Nichtgeſtatten von Berauſchungen der Flitter¬ zeit, gemeinſchaftliches Streben, ſich liebend voll¬ kommner zu leben. Es iſt eine unverzeihliche Eitelkeit verdrehter Thörinnen, wenn ſie glauben, den erſten den be¬ ſten Bewerber und Anſprecher nach ihrem Ge¬ dankenbilde zum Gatten zu geſtalten. Es iſt eine tollkühne Anmaßung übergeſchnappter Manns¬ perſonen — wenn ſie im Blindekuhſpiel ihrer

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/436>, abgerufen am 28.03.2024.