Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite
216. An Amtmann Roder in Fattigau.
[Kopie]

Ich sende Ihnen [Fontenelle] von der Mehrheit der Welten, der
Ihnen wenigstens auf dieser ein paar süsse Stunden vorzaubern wird;
ein gutes Buch ist eine Dispensazion von der Trauerzeit dieses Lebens,5
die uns so nöthig wie einer Witwe ist. Stat der Mehrheit der Welten
lassen Sie mich ihre Vergänglichkeit kennen lernen. -- -- wo auf
einmal ein Kopf und ein Herz ist, stat daß man sonst [eine] leere
Schädelstätte stat des einen und eine gorge de Paris stat des andern
antrift.10

217. An Dr. (Peter Gottfried?) Joerdens in Hof.
[Kopie]

Das ist eben Ihr gröster Fehler, daß Sie Metaphysik können und
wie Zeno alle Bewegung läugnen und mithin sich keine nach Töpen
machen. Töpen ist ein wahres Paradies (ausgenommen daß es seine15
Schönheit nicht hat) und ich bin weiter nichts als ein Engel mit
einem langen Flammenschwert, der Sie nicht aus sondern in das
Paradeis [!] iagen wil.

Dieser besagte Engel, der mehr Infarktus als Geld hat, dankt
Ihnen. Einige sedes vacantes ausgenommen, ist er ein schrekkender20
Ruprecht für medizinische Kinder. Seine Feder ist ein kurzer Frosch-
schnepper, womit er die 2 redseeligen Frösche aufgespiesset. -- O du
guter 2ter Theil von Franks Polizei, besuche heute den aufpassenden
Leser des ersten, ich meine Ihren Freund.

218. An Christian Otto.[253]25
[Kopie]

Herman wird wegen des verzögerten Zurükgebens auf Verbal-
iniurien, Pereat und Ehrenräuberei sinnen: aber ich helfe mir wie ein
Räuber durch ein gutes alibi. -- geh spazieren und erseze dir durch das
Original die Kopie und durch das Gedachte das Gedrukte. -- wegen30
der Eröfnung der 6 Siegel der Apokalypse, die das gröste Unglük
stiftete, wie du als ein fleissiger Bibelleser wol am ersten weist. (Am
blauen Montage wegen des blauen Himmels.)

216. An Amtmann Roder in Fattigau.
[Kopie]

Ich ſende Ihnen [Fontenelle] von der Mehrheit der Welten, der
Ihnen wenigſtens auf dieſer ein paar ſüſſe Stunden vorzaubern wird;
ein gutes Buch iſt eine Diſpenſazion von der Trauerzeit dieſes Lebens,5
die uns ſo nöthig wie einer Witwe iſt. Stat der Mehrheit der Welten
laſſen Sie mich ihre Vergänglichkeit kennen lernen. — — wo auf
einmal ein Kopf und ein Herz iſt, ſtat daß man ſonſt [eine] leere
Schädelſtätte ſtat des einen und eine gorge de Paris ſtat des andern
antrift.10

217. An Dr. (Peter Gottfried?) Joerdens in Hof.
[Kopie]

Das iſt eben Ihr gröſter Fehler, daß Sie Metaphyſik können und
wie Zeno alle Bewegung läugnen und mithin ſich keine nach Töpen
machen. Töpen iſt ein wahres Paradies (ausgenommen daß es ſeine15
Schönheit nicht hat) und ich bin weiter nichts als ein Engel mit
einem langen Flammenſchwert, der Sie nicht aus ſondern in das
Paradeis [!] iagen wil.

Dieſer beſagte Engel, der mehr Infarktus als Geld hat, dankt
Ihnen. Einige sedes vacantes ausgenommen, iſt er ein ſchrekkender20
Ruprecht für mediziniſche Kinder. Seine Feder iſt ein kurzer Froſch-
ſchnepper, womit er die 2 redſeeligen Fröſche aufgeſpieſſet. — O du
guter 2ter Theil von Franks Polizei, beſuche heute den aufpaſſenden
Leſer des erſten, ich meine Ihren Freund.

218. An Chriſtian Otto.[253]25
[Kopie]

Herman wird wegen des verzögerten Zurükgebens auf Verbal-
iniurien, Pereat und Ehrenräuberei ſinnen: aber ich helfe mir wie ein
Räuber durch ein gutes alibi. — geh ſpazieren und erſeze dir durch das
Original die Kopie und durch das Gedachte das Gedrukte. — wegen30
der Eröfnung der 6 Siegel der Apokalypſe, die das gröſte Unglük
ſtiftete, wie du als ein fleiſſiger Bibelleſer wol am erſten weiſt. (Am
blauen Montage wegen des blauen Himmels.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0264" n="239"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>216. An <hi rendition="#g">Amtmann Roder in Fattigau.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Töpen, 4. Mai 1788<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich &#x017F;ende Ihnen <metamark>[</metamark>Fontenelle<metamark>]</metamark> von der Mehrheit der Welten, der<lb/>
Ihnen wenig&#x017F;tens auf die&#x017F;er ein paar &#x017F;ü&#x017F;&#x017F;e Stunden vorzaubern wird;<lb/>
ein gutes Buch i&#x017F;t eine Di&#x017F;pen&#x017F;azion von der Trauerzeit die&#x017F;es Lebens,<lb n="5"/>
die uns &#x017F;o nöthig wie einer Witwe i&#x017F;t. Stat der Mehrheit der Welten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en Sie mich ihre Vergänglichkeit kennen lernen. &#x2014; &#x2014; wo auf<lb/>
einmal ein Kopf und ein Herz i&#x017F;t, &#x017F;tat daß man &#x017F;on&#x017F;t <metamark>[</metamark>eine<metamark>]</metamark> leere<lb/>
Schädel&#x017F;tätte &#x017F;tat des einen und eine <hi rendition="#aq">gorge de Paris</hi> &#x017F;tat des andern<lb/>
antrift.<lb n="10"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>217. An <hi rendition="#aq">Dr.</hi> (Peter Gottfried?) <hi rendition="#g">Joerdens in Hof.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Töpen, 4. Mai 1788<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Das i&#x017F;t eben Ihr grö&#x017F;ter Fehler, daß Sie Metaphy&#x017F;ik können und<lb/>
wie Zeno alle Bewegung läugnen und mithin &#x017F;ich keine nach Töpen<lb/>
machen. Töpen i&#x017F;t ein wahres Paradies (ausgenommen daß es &#x017F;eine<lb n="15"/>
Schönheit nicht hat) und ich bin weiter nichts als ein Engel mit<lb/>
einem langen Flammen&#x017F;chwert, der Sie nicht aus &#x017F;ondern in das<lb/>
Paradeis <metamark>[</metamark>!<metamark>]</metamark> iagen wil.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er be&#x017F;agte Engel, der mehr Infarktus als Geld hat, dankt<lb/>
Ihnen. Einige <hi rendition="#aq">sedes vacantes</hi> ausgenommen, i&#x017F;t er ein &#x017F;chrekkender<lb n="20"/>
Ruprecht für medizini&#x017F;che Kinder. Seine Feder i&#x017F;t ein kurzer Fro&#x017F;ch-<lb/>
&#x017F;chnepper, womit er die 2 red&#x017F;eeligen Frö&#x017F;che aufge&#x017F;pie&#x017F;&#x017F;et. &#x2014; O du<lb/>
guter 2ter Theil von Franks Polizei, be&#x017F;uche heute den aufpa&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Le&#x017F;er des er&#x017F;ten, ich meine Ihren Freund.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>218. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi><note place="right"><ref target="1922_Bd#_253">[253]</ref></note><lb n="25"/>
</head>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Töpen, 5. Mai 1788. Montag<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Herman wird wegen des verzögerten Zurükgebens auf Verbal-<lb/>
iniurien, Pereat und Ehrenräuberei &#x017F;innen: aber ich helfe mir wie ein<lb/>
Räuber durch ein gutes <hi rendition="#aq">alibi.</hi> &#x2014; geh &#x017F;pazieren und er&#x017F;eze dir durch das<lb/>
Original die Kopie und durch das Gedachte das Gedrukte. &#x2014; wegen<lb n="30"/>
der Eröfnung der 6 Siegel der Apokalyp&#x017F;e, die das grö&#x017F;te Unglük<lb/>
&#x017F;tiftete, wie du als ein flei&#x017F;&#x017F;iger Bibelle&#x017F;er wol am er&#x017F;ten wei&#x017F;t. (Am<lb/>
blauen Montage wegen des blauen Himmels.)</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0264] 216. An Amtmann Roder in Fattigau. [Töpen, 4. Mai 1788] Ich ſende Ihnen [Fontenelle] von der Mehrheit der Welten, der Ihnen wenigſtens auf dieſer ein paar ſüſſe Stunden vorzaubern wird; ein gutes Buch iſt eine Diſpenſazion von der Trauerzeit dieſes Lebens, 5 die uns ſo nöthig wie einer Witwe iſt. Stat der Mehrheit der Welten laſſen Sie mich ihre Vergänglichkeit kennen lernen. — — wo auf einmal ein Kopf und ein Herz iſt, ſtat daß man ſonſt [eine] leere Schädelſtätte ſtat des einen und eine gorge de Paris ſtat des andern antrift. 10 217. An Dr. (Peter Gottfried?) Joerdens in Hof. [Töpen, 4. Mai 1788] Das iſt eben Ihr gröſter Fehler, daß Sie Metaphyſik können und wie Zeno alle Bewegung läugnen und mithin ſich keine nach Töpen machen. Töpen iſt ein wahres Paradies (ausgenommen daß es ſeine 15 Schönheit nicht hat) und ich bin weiter nichts als ein Engel mit einem langen Flammenſchwert, der Sie nicht aus ſondern in das Paradeis [!] iagen wil. Dieſer beſagte Engel, der mehr Infarktus als Geld hat, dankt Ihnen. Einige sedes vacantes ausgenommen, iſt er ein ſchrekkender 20 Ruprecht für mediziniſche Kinder. Seine Feder iſt ein kurzer Froſch- ſchnepper, womit er die 2 redſeeligen Fröſche aufgeſpieſſet. — O du guter 2ter Theil von Franks Polizei, beſuche heute den aufpaſſenden Leſer des erſten, ich meine Ihren Freund. 218. An Chriſtian Otto. 25 [Töpen, 5. Mai 1788. Montag] Herman wird wegen des verzögerten Zurükgebens auf Verbal- iniurien, Pereat und Ehrenräuberei ſinnen: aber ich helfe mir wie ein Räuber durch ein gutes alibi. — geh ſpazieren und erſeze dir durch das Original die Kopie und durch das Gedachte das Gedrukte. — wegen 30 der Eröfnung der 6 Siegel der Apokalypſe, die das gröſte Unglük ſtiftete, wie du als ein fleiſſiger Bibelleſer wol am erſten weiſt. (Am blauen Montage wegen des blauen Himmels.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/264
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/264>, abgerufen am 20.04.2024.