Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

Freilich must du mir gar den Gefallen thun, die Vorrede auf die
fahrende Post zu schicken und das Postgeld in die Schneiders Rech-
nung zu bringen.

Noch etwas: gebe meinem Bruder nur unterdessen Einen jabot zu
meinem Hemd, die andern sind noch nicht fertig.

5
403. An Buchhändler Karl Matzdorff in Berlin.
[Kopie]

Unsrer merkantilischen Verbindung fehlt zu einer freundschaftlichen
blos die Dauer.

404. An Karl Philipp Moritz in Berlin.10
[Kopie]

Nicht nur meine Hofnungen, sogar meine Wünsche haben Sie
alle erfült. .... um Ihnen mein dankendes Herz aufzuschliessen -- ach
wie wenig kan ein Mensch für den andern thun, die Worte der Liebe
sind wie die Umarmung der Liebe: Körperschatten fliessen in einander,15
aber die inkrustierte Seele schlingt mit vergeblichem Sehnen den Arm
um einen -- Gedanken. -- daß Chod[owiezky] unter meinen bio-
graphischen Lak seine Zeichnungen legen möge. Die Szene, wo die
Gesichter und das Schachspiel zerstört waren -- Ich sehne mich nach
Ihnen, Theu[erster]: ich würde über diese Sehnsucht so gut wie über die20
seit vielen Jahren herumgetragne, Herder zu sehen, Herr geworden[383]
[sein], hätten Sie ihr nicht das Ziel so nahe und die Flügel so gros
gemacht. Ich habe Stunden, nicht Tage, wo Ottom[arische] Ideen
mich niederfällen; und in dieser Verfinsterung hab' ich kein Licht als das
Angesicht eines Menschen, das zweite Ich hebt meines und das fremde25
Leben wächst in meines; aber [?] wenn ich erst in das Antliz schaue,
wo einmal der Wiederschein der Schöpfung Hartknopfs war. Hier
fället mir Sophia [ein]; und verwandelt meine eigennüzigen Wünsche
in uneigennüzige. Wenn Anton Reiser einmal glüklich ist, so ist ers
mehr als ein andrer, weil die Phantasien, die einmal so kräftig wider30
den Strom der äussern Lage schwammen, desto schneller mit ihm
fliessen müssen. Und du glükliche weibliche Seele, die du ein Herz, das
ganz Deutschland lieb geworden, zu deinem Eigenthum bekamest und
eine Brust [vol] Liebe, von der wir nur kurze Ergiessungen erhalten,

Freilich muſt du mir gar den Gefallen thun, die Vorrede auf die
fahrende Poſt zu ſchicken und das Poſtgeld in die Schneiders Rech-
nung zu bringen.

Noch etwas: gebe meinem Bruder nur unterdeſſen Einen jabot zu
meinem Hemd, die andern ſind noch nicht fertig.

5
403. An Buchhändler Karl Matzdorff in Berlin.
[Kopie]

Unſrer merkantiliſchen Verbindung fehlt zu einer freundſchaftlichen
blos die Dauer.

404. An Karl Philipp Moritz in Berlin.10
[Kopie]

Nicht nur meine Hofnungen, ſogar meine Wünſche haben Sie
alle erfült. .... um Ihnen mein dankendes Herz aufzuſchlieſſen — ach
wie wenig kan ein Menſch für den andern thun, die Worte der Liebe
ſind wie die Umarmung der Liebe: Körperſchatten flieſſen in einander,15
aber die inkruſtierte Seele ſchlingt mit vergeblichem Sehnen den Arm
um einen — Gedanken. — daß Chod[owiezky] unter meinen bio-
graphiſchen Lak ſeine Zeichnungen legen möge. Die Szene, wo die
Geſichter und das Schachſpiel zerſtört waren — Ich ſehne mich nach
Ihnen, Theu[erſter]: ich würde über dieſe Sehnſucht ſo gut wie über die20
ſeit vielen Jahren herumgetragne, Herder zu ſehen, Herr geworden[383]
[ſein], hätten Sie ihr nicht das Ziel ſo nahe und die Flügel ſo gros
gemacht. Ich habe Stunden, nicht Tage, wo Ottom[ariſche] Ideen
mich niederfällen; und in dieſer Verfinſterung hab’ ich kein Licht als das
Angeſicht eines Menſchen, das zweite Ich hebt meines und das fremde25
Leben wächſt in meines; aber [?] wenn ich erſt in das Antliz ſchaue,
wo einmal der Wiederſchein der Schöpfung Hartknopfs war. Hier
fället mir Sophia [ein]; und verwandelt meine eigennüzigen Wünſche
in uneigennüzige. Wenn Anton Reiſer einmal glüklich iſt, ſo iſt ers
mehr als ein andrer, weil die Phantaſien, die einmal ſo kräftig wider30
den Strom der äuſſern Lage ſchwammen, deſto ſchneller mit ihm
flieſſen müſſen. Und du glükliche weibliche Seele, die du ein Herz, das
ganz Deutſchland lieb geworden, zu deinem Eigenthum bekameſt und
eine Bruſt [vol] Liebe, von der wir nur kurze Ergieſſungen erhalten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0390" n="363"/>
        <postscript>
          <p>Freilich mu&#x017F;t du mir gar den Gefallen thun, die Vorrede auf die<lb/>
fahrende Po&#x017F;t zu &#x017F;chicken und das Po&#x017F;tgeld in die Schneiders Rech-<lb/>
nung zu bringen.</p><lb/>
          <p>Noch etwas: gebe meinem Bruder nur unterde&#x017F;&#x017F;en Einen <hi rendition="#aq">jabot</hi> zu<lb/>
meinem Hemd, die andern &#x017F;ind noch nicht fertig.</p>
        </postscript>
        <lb n="5"/>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>403. An <hi rendition="#g">Buchhändler Karl Matzdorff in Berlin.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 9. Aug. 1792<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Un&#x017F;rer merkantili&#x017F;chen Verbindung fehlt zu einer freund&#x017F;chaftlichen<lb/>
blos die Dauer.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>404. An <hi rendition="#g">Karl Philipp Moritz in Berlin.</hi><lb n="10"/>
</head>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 9. Aug. 1792<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Nicht nur meine Hofnungen, &#x017F;ogar meine Wün&#x017F;che haben Sie<lb/>
alle erfült. .... um Ihnen mein dankendes Herz aufzu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x2014; ach<lb/>
wie wenig kan ein Men&#x017F;ch für den andern thun, die Worte der Liebe<lb/>
&#x017F;ind wie die Umarmung der Liebe: Körper&#x017F;chatten flie&#x017F;&#x017F;en in einander,<lb n="15"/>
aber die inkru&#x017F;tierte Seele &#x017F;chlingt mit vergeblichem Sehnen den Arm<lb/>
um einen &#x2014; Gedanken. &#x2014; daß Chod<metamark>[</metamark>owiezky<metamark>]</metamark> unter meinen bio-<lb/>
graphi&#x017F;chen Lak &#x017F;eine Zeichnungen legen möge. Die Szene, wo die<lb/>
Ge&#x017F;ichter und das Schach&#x017F;piel zer&#x017F;tört waren &#x2014; Ich &#x017F;ehne mich nach<lb/>
Ihnen, Theu<metamark>[</metamark>er&#x017F;ter<metamark>]</metamark>: ich würde über die&#x017F;e Sehn&#x017F;ucht &#x017F;o gut wie über die<lb n="20"/>
&#x017F;eit vielen Jahren herumgetragne, <hi rendition="#aq">Herder</hi> zu &#x017F;ehen, Herr geworden<note place="right"><ref target="1922_Bd#_383">[383]</ref></note><lb/><metamark>[</metamark>&#x017F;ein<metamark>]</metamark>, hätten Sie ihr nicht das Ziel &#x017F;o nahe und die Flügel &#x017F;o gros<lb/>
gemacht. Ich habe Stunden, nicht Tage, wo Ottom<metamark>[</metamark>ari&#x017F;che<metamark>]</metamark> Ideen<lb/>
mich niederfällen; und in die&#x017F;er Verfin&#x017F;terung hab&#x2019; ich kein Licht als das<lb/>
Ange&#x017F;icht eines Men&#x017F;chen, das zweite Ich hebt meines und das fremde<lb n="25"/>
Leben wäch&#x017F;t in meines; aber <metamark>[?]</metamark> wenn ich er&#x017F;t in das Antliz &#x017F;chaue,<lb/>
wo einmal der Wieder&#x017F;chein der Schöpfung Hartknopfs war. Hier<lb/>
fället mir <hi rendition="#aq">Sophia</hi> <metamark>[</metamark>ein<metamark>]</metamark>; und verwandelt meine eigennüzigen Wün&#x017F;che<lb/>
in uneigennüzige. Wenn Anton Rei&#x017F;er einmal glüklich i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t ers<lb/>
mehr als ein andrer, weil die Phanta&#x017F;ien, die einmal &#x017F;o kräftig wider<lb n="30"/>
den Strom der äu&#x017F;&#x017F;ern Lage &#x017F;chwammen, de&#x017F;to &#x017F;chneller mit ihm<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en. Und du glükliche weibliche Seele, die du ein Herz, das<lb/>
ganz Deut&#x017F;chland lieb geworden, zu deinem Eigenthum bekame&#x017F;t und<lb/>
eine Bru&#x017F;t <metamark>[</metamark>vol<metamark>]</metamark> Liebe, von der wir nur kurze Ergie&#x017F;&#x017F;ungen erhalten,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0390] Freilich muſt du mir gar den Gefallen thun, die Vorrede auf die fahrende Poſt zu ſchicken und das Poſtgeld in die Schneiders Rech- nung zu bringen. Noch etwas: gebe meinem Bruder nur unterdeſſen Einen jabot zu meinem Hemd, die andern ſind noch nicht fertig. 5 403. An Buchhändler Karl Matzdorff in Berlin. [Schwarzenbach, 9. Aug. 1792] Unſrer merkantiliſchen Verbindung fehlt zu einer freundſchaftlichen blos die Dauer. 404. An Karl Philipp Moritz in Berlin. 10 [Schwarzenbach, 9. Aug. 1792] Nicht nur meine Hofnungen, ſogar meine Wünſche haben Sie alle erfült. .... um Ihnen mein dankendes Herz aufzuſchlieſſen — ach wie wenig kan ein Menſch für den andern thun, die Worte der Liebe ſind wie die Umarmung der Liebe: Körperſchatten flieſſen in einander, 15 aber die inkruſtierte Seele ſchlingt mit vergeblichem Sehnen den Arm um einen — Gedanken. — daß Chod[owiezky] unter meinen bio- graphiſchen Lak ſeine Zeichnungen legen möge. Die Szene, wo die Geſichter und das Schachſpiel zerſtört waren — Ich ſehne mich nach Ihnen, Theu[erſter]: ich würde über dieſe Sehnſucht ſo gut wie über die 20 ſeit vielen Jahren herumgetragne, Herder zu ſehen, Herr geworden [ſein], hätten Sie ihr nicht das Ziel ſo nahe und die Flügel ſo gros gemacht. Ich habe Stunden, nicht Tage, wo Ottom[ariſche] Ideen mich niederfällen; und in dieſer Verfinſterung hab’ ich kein Licht als das Angeſicht eines Menſchen, das zweite Ich hebt meines und das fremde 25 Leben wächſt in meines; aber [?] wenn ich erſt in das Antliz ſchaue, wo einmal der Wiederſchein der Schöpfung Hartknopfs war. Hier fället mir Sophia [ein]; und verwandelt meine eigennüzigen Wünſche in uneigennüzige. Wenn Anton Reiſer einmal glüklich iſt, ſo iſt ers mehr als ein andrer, weil die Phantaſien, die einmal ſo kräftig wider 30 den Strom der äuſſern Lage ſchwammen, deſto ſchneller mit ihm flieſſen müſſen. Und du glükliche weibliche Seele, die du ein Herz, das ganz Deutſchland lieb geworden, zu deinem Eigenthum bekameſt und eine Bruſt [vol] Liebe, von der wir nur kurze Ergieſſungen erhalten, [383]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/390
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/390>, abgerufen am 24.04.2024.