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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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daß ich dir alle Namen der Liebe geben darf, blos um meine Liebe
nur immer voller und wärmer zu haben. Der Ausdruk der Liebe ist
dan nicht ihr Ableiter sondern ihr Bliz, und sie wil immer mehr
sagen, je mehr sie gesagt hat, und sie wächst in sich selber.

Einzige! endlich hat mein Herz sein Herz -- endlich ist mein Leben5
gerade und licht. So bleibt es, und niemand könt' uns trennen als wir,
und wir thun es nicht.

Eben bekomm' ich unter dem Essen dein spätes Blätgen. Ich kan
dir keine Arbeit geben als die, die Palingenesien zu lesen, worin ich
das schildere, was ich jezt -- habe! O du Meine! Ich bleibe dein, dein,10
ewig.

R.
18. An Friedrich von Oertel.
[Kopie]

Der Man mit der kallygraphischen Hand nach dem Bruder mit15
der kakographischen [hat] dir nichts zu sagen als dasselbe -- ich verlebe
die Tage und verträume die Abende jedesmal vor andern Gesichtern. --
Der weite Zirkel schliesset enger an als der enge. --

19. An Karoline Mayer.
[Kopie]20

Schlaf wohl, träume wohl, lebe wohl -- oder ist das einerlei?

20. An Rahel Levin in Paris.

Geflügelte! -- in jedem Sin; denn hier hätten Sie noch einige
Wintermonate lange Ihre Reiseschwingen zusammengelegt behalten[19]25
sollen. Mit unbeschreiblichen [!] Interesse hab' ich einige Ihrer
Briefe von Ihrer Freundin, die sie so sehr verdient, gelesen; aber mit
eben so vielem Schmerz. Sie behandeln das Leben poetisch, und das
Leben daher Sie. Sie bringen die hohe Freiheit der Dichtkunst in
die Gebote der Wirklichkeit und wollen die Schönheiten dort, auch als30
Schönheiten hier wiederfinden; -- aber die poetischen Schmerzen
sind, in die Prosa des Lebens übersezt, rechte wahre Schmerzen. --
Vor der Muse ist der Teufel schön und die Parze; aber sie wohnet

daß ich dir alle Namen der Liebe geben darf, blos um meine Liebe
nur immer voller und wärmer zu haben. Der Ausdruk der Liebe iſt
dan nicht ihr Ableiter ſondern ihr Bliz, und ſie wil immer mehr
ſagen, je mehr ſie geſagt hat, und ſie wächſt in ſich ſelber.

Einzige! endlich hat mein Herz ſein Herz — endlich iſt mein Leben5
gerade und licht. So bleibt es, und niemand könt’ uns trennen als wir,
und wir thun es nicht.

Eben bekomm’ ich unter dem Eſſen dein ſpätes Blätgen. Ich kan
dir keine Arbeit geben als die, die Palingenesien zu leſen, worin ich
das ſchildere, was ich jezt — habe! O du Meine! Ich bleibe dein, dein,10
ewig.

R.
18. An Friedrich von Oertel.
[Kopie]

Der Man mit der kallygraphiſchen Hand nach dem Bruder mit15
der kakographiſchen [hat] dir nichts zu ſagen als daſſelbe — ich verlebe
die Tage und verträume die Abende jedesmal vor andern Geſichtern. —
Der weite Zirkel ſchlieſſet enger an als der enge. —

19. An Karoline Mayer.
[Kopie]20

Schlaf wohl, träume wohl, lebe wohl — oder iſt das einerlei?

20. An Rahel Levin in Paris.

Geflügelte! — in jedem Sin; denn hier hätten Sie noch einige
Wintermonate lange Ihre Reiſeſchwingen zuſammengelegt behalten[19]25
ſollen. Mit unbeſchreiblichen [!] Intereſſe hab’ ich einige Ihrer
Briefe von Ihrer Freundin, die ſie ſo ſehr verdient, geleſen; aber mit
eben ſo vielem Schmerz. Sie behandeln das Leben poetiſch, und das
Leben daher Sie. Sie bringen die hohe Freiheit der Dichtkunſt in
die Gebote der Wirklichkeit und wollen die Schönheiten dort, auch als30
Schönheiten hier wiederfinden; — aber die poetiſchen Schmerzen
ſind, in die Proſa des Lebens überſezt, rechte wahre Schmerzen. —
Vor der Muſe iſt der Teufel ſchön und die Parze; aber ſie wohnet

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[15/0020] daß ich dir alle Namen der Liebe geben darf, blos um meine Liebe nur immer voller und wärmer zu haben. Der Ausdruk der Liebe iſt dan nicht ihr Ableiter ſondern ihr Bliz, und ſie wil immer mehr ſagen, je mehr ſie geſagt hat, und ſie wächſt in ſich ſelber. Einzige! endlich hat mein Herz ſein Herz — endlich iſt mein Leben 5 gerade und licht. So bleibt es, und niemand könt’ uns trennen als wir, und wir thun es nicht. Eben bekomm’ ich unter dem Eſſen dein ſpätes Blätgen. Ich kan dir keine Arbeit geben als die, die Palingenesien zu leſen, worin ich das ſchildere, was ich jezt — habe! O du Meine! Ich bleibe dein, dein, 10 ewig. R. 18. An Friedrich von Oertel. [Berlin, 6. Nov. 1800] Der Man mit der kallygraphiſchen Hand nach dem Bruder mit 15 der kakographiſchen [hat] dir nichts zu ſagen als daſſelbe — ich verlebe die Tage und verträume die Abende jedesmal vor andern Geſichtern. — Der weite Zirkel ſchlieſſet enger an als der enge. — 19. An Karoline Mayer. [Berlin, 6. Nov. 1800] 20 Schlaf wohl, träume wohl, lebe wohl — oder iſt das einerlei? 20. An Rahel Levin in Paris. Berlin. d. 6. Nov. 1800. Geflügelte! — in jedem Sin; denn hier hätten Sie noch einige Wintermonate lange Ihre Reiſeſchwingen zuſammengelegt behalten 25 ſollen. Mit unbeſchreiblichen [!] Intereſſe hab’ ich einige Ihrer Briefe von Ihrer Freundin, die ſie ſo ſehr verdient, geleſen; aber mit eben ſo vielem Schmerz. Sie behandeln das Leben poetiſch, und das Leben daher Sie. Sie bringen die hohe Freiheit der Dichtkunſt in die Gebote der Wirklichkeit und wollen die Schönheiten dort, auch als 30 Schönheiten hier wiederfinden; — aber die poetiſchen Schmerzen ſind, in die Proſa des Lebens überſezt, rechte wahre Schmerzen. — Vor der Muſe iſt der Teufel ſchön und die Parze; aber ſie wohnet [19]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/20>, abgerufen am 29.03.2024.