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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
des Mancipatars 276) und die Unübertragbarkeit des Manci-
piums. 277)

3. Die eheliche Gewalt.

Es gab bekanntlich zwei Arten der Ehe, die Ehe mit manus
und ohne manus. Erstere enthielt im wesentlichen nur einen
Anwendungsfall der hausherrlichen Gewalt. Die Stellung der
Frau unterschied sich in vermögensrechtlicher Beziehung in
nichts von der der Sklaven und Hauskinder, 278) es bedarf also
nur die persönliche Seite des Verhältnisses einer Berücksich-
tigung.

Daß die manus auch in dieser Beziehung im wesentlichen

276) Geltend gemacht durch die injuriarum actio Gaj. I. §. 141. Wann
und von wem sie angestellt werden konnte, wird hier nicht gesagt; daß der
Sohn selbst nicht klagen konnte, so lange er nicht sui juris geworden, läßt
sich aber wohl als unzweifelhaft betrachten, bis dahin blieb also nur der
Mancipant als denkbares Subjekt der Klage übrig. Böcking, Institut. §. 47.
277) Als Mancipanten werden bei Gajus überall nur die parentes und
coemptionatores genannt, und der Mancipatar konnte nicht einmal zum
Zweck der noxae datio das Mancipium auf einen andern übertragen. Gaj.
IV.
§. 75, 80. Es erklärt sich diese Eigenthümlichkeit sehr wohl, wenn man
bedenkt, von welcher Wichtigkeit für Vater und Sohn die Person des Manci-
patars sein mußte. Mit der Veränderung der Person hätte das Verhältniß
selbst seinen Inhalt verändert, das Vertrauen, das man zu dieser Person
hegte, hatte man nicht zu jeder andern u. s. w. Der juristischen Construktion
nach lag hier ein Analogon der tutela cessitia (Ulp. fragm. XI. §. 7) vor,
für die neuerdings von Scheurl Beitr. B. 2. Abh. 1 ganz zutreffend der Ge-
sichtspunkt einer rein persönlichen Substitution aufgestellt ist. Hinsichtlich der
Unübertragbarkeit ist die Gleichheit beider Verhältnisse unläugbar, ebenso be-
währt sie sich daran, daß wenn das Recht des Mancipatars mit Ablauf des
Lustrums erlosch, das des Cedenten, wie bei der tutela cessitia, wieder auf-
wachte. Wie weit sie im übrigen ging, darüber lassen sich nur Vermuthungen
äußern.
278) Daß die Frau kein Pekulium hätte haben können, ist eine alles
Grundes entbehrende Idee. Plaut. Cas. II. 2, 26: nam peculii probam nihil
habere addecet clam virum
(also mit Einwilligung des Mannes wohl),
daß es aber bei ihr unendlich viel seltener vorkommen mußte, als bei Haus-
söhnen und Sklaven, lehrt doch wohl ein Blick auf das Verhältniß.

Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
des Mancipatars 276) und die Unübertragbarkeit des Manci-
piums. 277)

3. Die eheliche Gewalt.

Es gab bekanntlich zwei Arten der Ehe, die Ehe mit manus
und ohne manus. Erſtere enthielt im weſentlichen nur einen
Anwendungsfall der hausherrlichen Gewalt. Die Stellung der
Frau unterſchied ſich in vermögensrechtlicher Beziehung in
nichts von der der Sklaven und Hauskinder, 278) es bedarf alſo
nur die perſönliche Seite des Verhältniſſes einer Berückſich-
tigung.

Daß die manus auch in dieſer Beziehung im weſentlichen

276) Geltend gemacht durch die injuriarum actio Gaj. I. §. 141. Wann
und von wem ſie angeſtellt werden konnte, wird hier nicht geſagt; daß der
Sohn ſelbſt nicht klagen konnte, ſo lange er nicht sui juris geworden, läßt
ſich aber wohl als unzweifelhaft betrachten, bis dahin blieb alſo nur der
Mancipant als denkbares Subjekt der Klage übrig. Böcking, Inſtitut. §. 47.
277) Als Mancipanten werden bei Gajus überall nur die parentes und
coemptionatores genannt, und der Mancipatar konnte nicht einmal zum
Zweck der noxae datio das Mancipium auf einen andern übertragen. Gaj.
IV.
§. 75, 80. Es erklärt ſich dieſe Eigenthümlichkeit ſehr wohl, wenn man
bedenkt, von welcher Wichtigkeit für Vater und Sohn die Perſon des Manci-
patars ſein mußte. Mit der Veränderung der Perſon hätte das Verhältniß
ſelbſt ſeinen Inhalt verändert, das Vertrauen, das man zu dieſer Perſon
hegte, hatte man nicht zu jeder andern u. ſ. w. Der juriſtiſchen Conſtruktion
nach lag hier ein Analogon der tutela cessitia (Ulp. fragm. XI. §. 7) vor,
für die neuerdings von Scheurl Beitr. B. 2. Abh. 1 ganz zutreffend der Ge-
ſichtspunkt einer rein perſönlichen Subſtitution aufgeſtellt iſt. Hinſichtlich der
Unübertragbarkeit iſt die Gleichheit beider Verhältniſſe unläugbar, ebenſo be-
währt ſie ſich daran, daß wenn das Recht des Mancipatars mit Ablauf des
Luſtrums erloſch, das des Cedenten, wie bei der tutela cessitia, wieder auf-
wachte. Wie weit ſie im übrigen ging, darüber laſſen ſich nur Vermuthungen
äußern.
278) Daß die Frau kein Pekulium hätte haben können, iſt eine alles
Grundes entbehrende Idee. Plaut. Cas. II. 2, 26: nam peculii probam nihil
habere addecet clam virum
(alſo mit Einwilligung des Mannes wohl),
daß es aber bei ihr unendlich viel ſeltener vorkommen mußte, als bei Haus-
ſöhnen und Sklaven, lehrt doch wohl ein Blick auf das Verhältniß.
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[192/0206] Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. des Mancipatars 276) und die Unübertragbarkeit des Manci- piums. 277) 3. Die eheliche Gewalt. Es gab bekanntlich zwei Arten der Ehe, die Ehe mit manus und ohne manus. Erſtere enthielt im weſentlichen nur einen Anwendungsfall der hausherrlichen Gewalt. Die Stellung der Frau unterſchied ſich in vermögensrechtlicher Beziehung in nichts von der der Sklaven und Hauskinder, 278) es bedarf alſo nur die perſönliche Seite des Verhältniſſes einer Berückſich- tigung. Daß die manus auch in dieſer Beziehung im weſentlichen 276) Geltend gemacht durch die injuriarum actio Gaj. I. §. 141. Wann und von wem ſie angeſtellt werden konnte, wird hier nicht geſagt; daß der Sohn ſelbſt nicht klagen konnte, ſo lange er nicht sui juris geworden, läßt ſich aber wohl als unzweifelhaft betrachten, bis dahin blieb alſo nur der Mancipant als denkbares Subjekt der Klage übrig. Böcking, Inſtitut. §. 47. 277) Als Mancipanten werden bei Gajus überall nur die parentes und coemptionatores genannt, und der Mancipatar konnte nicht einmal zum Zweck der noxae datio das Mancipium auf einen andern übertragen. Gaj. IV. §. 75, 80. Es erklärt ſich dieſe Eigenthümlichkeit ſehr wohl, wenn man bedenkt, von welcher Wichtigkeit für Vater und Sohn die Perſon des Manci- patars ſein mußte. Mit der Veränderung der Perſon hätte das Verhältniß ſelbſt ſeinen Inhalt verändert, das Vertrauen, das man zu dieſer Perſon hegte, hatte man nicht zu jeder andern u. ſ. w. Der juriſtiſchen Conſtruktion nach lag hier ein Analogon der tutela cessitia (Ulp. fragm. XI. §. 7) vor, für die neuerdings von Scheurl Beitr. B. 2. Abh. 1 ganz zutreffend der Ge- ſichtspunkt einer rein perſönlichen Subſtitution aufgeſtellt iſt. Hinſichtlich der Unübertragbarkeit iſt die Gleichheit beider Verhältniſſe unläugbar, ebenſo be- währt ſie ſich daran, daß wenn das Recht des Mancipatars mit Ablauf des Luſtrums erloſch, das des Cedenten, wie bei der tutela cessitia, wieder auf- wachte. Wie weit ſie im übrigen ging, darüber laſſen ſich nur Vermuthungen äußern. 278) Daß die Frau kein Pekulium hätte haben können, iſt eine alles Grundes entbehrende Idee. Plaut. Cas. II. 2, 26: nam peculii probam nihil habere addecet clam virum (alſo mit Einwilligung des Mannes wohl), daß es aber bei ihr unendlich viel ſeltener vorkommen mußte, als bei Haus- ſöhnen und Sklaven, lehrt doch wohl ein Blick auf das Verhältniß.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/206>, abgerufen am 28.03.2024.