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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
durch das Citat des griechischen Pyreikos, genannt der Ryparo-
graph. Denn auch die gelehrten Kunstliebhaber Spaniens wussten
damals oft mehr Bescheid in den Annalen der griechischen Malerei,
als zu Hause, wie Guevara's Schrift beweist. So dachte eigentlich
auch Pacheco 1), aber dann fiel ihm sein lieber Diego ein und er
setzte besänftigend hinzu: "Sind denn diese bodegones für gar
nichts zu achten? Nein, sie sind gewiss sehr zu achten, d. h.
wenn sie gemalt sind wie Velazquez sie malte, der sich durch
dieses Fach so hoch erhob, dass er Niemanden sonst neben sich
Platz liess. Sie verdienen hohe Schätzung, denn mit diesen Ele-
menten (principios) und mit den Bildnissen fand er die wahre Nach-
ahmung der Natur und ermuthigte viele durch sein mächtiges
Beispiel . . . . Nämlich die Figuren müssen tüchtig gezeichnet
und gemalt sein, und ebenso lebendig erscheinen wie die todte
Natur; dann bringen sie ihrem Künstler höchste Ehre."

"Er hielt sich einen Bauernjungen als Lehrling (aldeanillo
aprendiz)
, der ihm gegen Bezahlung als Modell diente, in ver-
schiedenen Geberden und Posituren, in Weinen und Lachen,
mit allen erdenklichen Schwierigkeiten. Nach dem zeichnete
er viele Köpfe mit Kohle und weiss gehöht auf blaues Papier,
und ähnliche nach vielen anderen Eingeborenen (naturales). Da-
durch gewann er seine Sicherheit im Treffen".

Das Hauptgemälde dieser Klasse, das zuerst berühmt und zu
den Meisterwerken gerechnet wurde, war

Der Wasserträger von Sevilla.

(42" x 311/2".)

Er brachte diess Bild mit an den Hof, und bei der Ein-
richtung des neuen Lustschlosses Buen Retiro 2) wurde es zum
Zimmerschmuck dort ausersehen. Später wanderte es in den

1) Figuras ridiculas nennt er sie, con sujetos varios y feos para provocar la
risa. II, 125. "Die Kunst an und für sich, sagt Goethe, ist edel, deshalb fürchtet
sich der Künstler nicht vor dem Gemeinen. Ja indem er es aufnimmt, ist es schon
geadelt, und so sehen wir die grössten Künstler mit Kühnheit ihr Majestätsrecht
ausüben."
2) Ottra de Vara de alto y ttres quarttas de ancho con un rettrato de un
Aguador de mano de Velazquez llamado el dho aguador el corzo de Seuilla con
marco dorado y negro tassada en diez doblones. Testamentaria de Carlos II. Buen
Retiro 1700.

Zweites Buch.
durch das Citat des griechischen Pyreikos, genannt der Ryparo-
graph. Denn auch die gelehrten Kunstliebhaber Spaniens wussten
damals oft mehr Bescheid in den Annalen der griechischen Malerei,
als zu Hause, wie Guevara’s Schrift beweist. So dachte eigentlich
auch Pacheco 1), aber dann fiel ihm sein lieber Diego ein und er
setzte besänftigend hinzu: „Sind denn diese bodegones für gar
nichts zu achten? Nein, sie sind gewiss sehr zu achten, d. h.
wenn sie gemalt sind wie Velazquez sie malte, der sich durch
dieses Fach so hoch erhob, dass er Niemanden sonst neben sich
Platz liess. Sie verdienen hohe Schätzung, denn mit diesen Ele-
menten (principios) und mit den Bildnissen fand er die wahre Nach-
ahmung der Natur und ermuthigte viele durch sein mächtiges
Beispiel . . . . Nämlich die Figuren müssen tüchtig gezeichnet
und gemalt sein, und ebenso lebendig erscheinen wie die todte
Natur; dann bringen sie ihrem Künstler höchste Ehre.“

„Er hielt sich einen Bauernjungen als Lehrling (aldeanillo
aprendiz)
, der ihm gegen Bezahlung als Modell diente, in ver-
schiedenen Geberden und Posituren, in Weinen und Lachen,
mit allen erdenklichen Schwierigkeiten. Nach dem zeichnete
er viele Köpfe mit Kohle und weiss gehöht auf blaues Papier,
und ähnliche nach vielen anderen Eingeborenen (naturales). Da-
durch gewann er seine Sicherheit im Treffen“.

Das Hauptgemälde dieser Klasse, das zuerst berühmt und zu
den Meisterwerken gerechnet wurde, war

Der Wasserträger von Sevilla.

(42″ × 31½″.)

Er brachte diess Bild mit an den Hof, und bei der Ein-
richtung des neuen Lustschlosses Buen Retiro 2) wurde es zum
Zimmerschmuck dort ausersehen. Später wanderte es in den

1) Figuras ridiculas nennt er sie, con sujetos varios y feos para provocar la
risa. II, 125. „Die Kunst an und für sich, sagt Goethe, ist edel, deshalb fürchtet
sich der Künstler nicht vor dem Gemeinen. Ja indem er es aufnimmt, ist es schon
geadelt, und so sehen wir die grössten Künstler mit Kühnheit ihr Majestätsrecht
ausüben.“
2) Ottra de Vara de alto y ttres quarttas de ancho con un rettrato de un
Aguador de mano de Velazquez llamado el dho aguador el corzo de Seuilla con
marco dorado y negro tassada en diez doblones. Testamentaria de Carlos II. Buen
Retiro 1700.
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[128/0148] Zweites Buch. durch das Citat des griechischen Pyreikos, genannt der Ryparo- graph. Denn auch die gelehrten Kunstliebhaber Spaniens wussten damals oft mehr Bescheid in den Annalen der griechischen Malerei, als zu Hause, wie Guevara’s Schrift beweist. So dachte eigentlich auch Pacheco 1), aber dann fiel ihm sein lieber Diego ein und er setzte besänftigend hinzu: „Sind denn diese bodegones für gar nichts zu achten? Nein, sie sind gewiss sehr zu achten, d. h. wenn sie gemalt sind wie Velazquez sie malte, der sich durch dieses Fach so hoch erhob, dass er Niemanden sonst neben sich Platz liess. Sie verdienen hohe Schätzung, denn mit diesen Ele- menten (principios) und mit den Bildnissen fand er die wahre Nach- ahmung der Natur und ermuthigte viele durch sein mächtiges Beispiel . . . . Nämlich die Figuren müssen tüchtig gezeichnet und gemalt sein, und ebenso lebendig erscheinen wie die todte Natur; dann bringen sie ihrem Künstler höchste Ehre.“ „Er hielt sich einen Bauernjungen als Lehrling (aldeanillo aprendiz), der ihm gegen Bezahlung als Modell diente, in ver- schiedenen Geberden und Posituren, in Weinen und Lachen, mit allen erdenklichen Schwierigkeiten. Nach dem zeichnete er viele Köpfe mit Kohle und weiss gehöht auf blaues Papier, und ähnliche nach vielen anderen Eingeborenen (naturales). Da- durch gewann er seine Sicherheit im Treffen“. Das Hauptgemälde dieser Klasse, das zuerst berühmt und zu den Meisterwerken gerechnet wurde, war Der Wasserträger von Sevilla. (42″ × 31½″.) Er brachte diess Bild mit an den Hof, und bei der Ein- richtung des neuen Lustschlosses Buen Retiro 2) wurde es zum Zimmerschmuck dort ausersehen. Später wanderte es in den 1) Figuras ridiculas nennt er sie, con sujetos varios y feos para provocar la risa. II, 125. „Die Kunst an und für sich, sagt Goethe, ist edel, deshalb fürchtet sich der Künstler nicht vor dem Gemeinen. Ja indem er es aufnimmt, ist es schon geadelt, und so sehen wir die grössten Künstler mit Kühnheit ihr Majestätsrecht ausüben.“ 2) Ottra de Vara de alto y ttres quarttas de ancho con un rettrato de un Aguador de mano de Velazquez llamado el dho aguador el corzo de Seuilla con marco dorado y negro tassada en diez doblones. Testamentaria de Carlos II. Buen Retiro 1700.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/148>, abgerufen am 29.03.2024.