Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch.
catione abgeführt und arg genug sein soll1)". Don Gaspar war
dem geistlichen Stand bestimmt gewesen, er hatte in Salamanca
seine Studien gemacht, dann eine Commende des Calatrava-
Ordens erhalten; -- da starb sein älterer Bruder. Als nunmeh-
riger Erbe des Majorats vertauschte er die "Toga der Schule"
mit Mantel und Degen, heirathete seine Base, die alte verwach-
sene und hässliche Tochter des Vicekönigs von Peru, Ines de
Zunniga (1607) und zog nach Sevilla, um seinen Gütern nahe zu
sein. Hier lebte er Jahre lang ganz den Neigungen, zu denen
ihn Naturell und Vorbildung hinzogen. Der Alcazar Don Pedro
des Grausamen wurde ein Sammelplatz der Gelehrten und Dich-
ter; er galt für prachtliebend, verschwenderisch und ritterlich.
Der Herzog von Lerma zog ihn 1615 nach Madrid und gab
ihn dem Prinzen als gentilhombre de camara. In der Folge hat
er oft versucht, ihn im guten oder bösen wieder los zu werden.
Langsam bahnte er sich den Weg zum Vertrauen. Als Philipp III
starb, sah er seine Stunde gekommen2). Zuerst war er des
jungen Königs rechte Hand nur in den Zerstreuungen. Die Ge-
schäfte besorgte sein Oheim Zunniga. Er suchte, und mit Erfolg,
zwischen dem König und der Königin, die anfangs im zärtlich-
sten Verhältniss gelebt hatten, Unfrieden zu säen. Dann machte
er rasch den Uebergang von dem privado puro zu dem privado
aguado
, wie sie Alarcon in seinem Stück Los pechos privilegiados
so ergötzlich gegenüberstellt3). Philipp machte ihn zum Herzog
von San Lucar, daher der Name Conde Duque. Er hatte bereits
die "Mitte des Lebenswegs" erreicht, ohne in die Staatssachen
hineingesehen zu haben. Man war daher in Madrid erstaunt, als
verlautete, dass dieser lustigste Cavalier des Hofes angefangen
habe, sich mit Geschäften zu befassen. "Olivares, schreibt der
Mantuaner Bonatti am 5. Juli 1621, ist mächtiger als je". Die
unter Lerma üblichen Geschenke wurden streng verpönt; Niemand
bestritt, dass seine Hände rein seien4); dafür aber vertauschte er

1) Khevenhiller, Annales Ferdinand. IX, 1255 (vom Jahre 1621).
2) Er soll zu seinem Vorgänger Uceda damals gesagt haban: A esta hora
todo es mio. -- "?Todo?" -- Todo, sin faltar nada.
3) Der eine ist der, mit welchem der König bloss cosas de gusto verhandelt,
der mezzano de' gusti; der "gewässerte" ist der Lastträger der Regierung:
-- que es del peso del gobierno
un lustroso ganapan.
4) Il quale e pero neto di mani, et non piglia da chi si sia. 19. Nov. 1623.
Depesche Atti's im Farnes. Archiv.

Zweites Buch.
catione abgeführt und arg genug sein soll1)“. Don Gaspar war
dem geistlichen Stand bestimmt gewesen, er hatte in Salamanca
seine Studien gemacht, dann eine Commende des Calatrava-
Ordens erhalten; — da starb sein älterer Bruder. Als nunmeh-
riger Erbe des Majorats vertauschte er die „Toga der Schule“
mit Mantel und Degen, heirathete seine Base, die alte verwach-
sene und hässliche Tochter des Vicekönigs von Peru, Ines de
Zúñiga (1607) und zog nach Sevilla, um seinen Gütern nahe zu
sein. Hier lebte er Jahre lang ganz den Neigungen, zu denen
ihn Naturell und Vorbildung hinzogen. Der Alcazar Don Pedro
des Grausamen wurde ein Sammelplatz der Gelehrten und Dich-
ter; er galt für prachtliebend, verschwenderisch und ritterlich.
Der Herzog von Lerma zog ihn 1615 nach Madrid und gab
ihn dem Prinzen als gentilhombre de cámara. In der Folge hat
er oft versucht, ihn im guten oder bösen wieder los zu werden.
Langsam bahnte er sich den Weg zum Vertrauen. Als Philipp III
starb, sah er seine Stunde gekommen2). Zuerst war er des
jungen Königs rechte Hand nur in den Zerstreuungen. Die Ge-
schäfte besorgte sein Oheim Zúñiga. Er suchte, und mit Erfolg,
zwischen dem König und der Königin, die anfangs im zärtlich-
sten Verhältniss gelebt hatten, Unfrieden zu säen. Dann machte
er rasch den Uebergang von dem privado puro zu dem privado
aguado
, wie sie Alarcon in seinem Stück Los pechos privilegiados
so ergötzlich gegenüberstellt3). Philipp machte ihn zum Herzog
von San Lucar, daher der Name Conde Duque. Er hatte bereits
die „Mitte des Lebenswegs“ erreicht, ohne in die Staatssachen
hineingesehen zu haben. Man war daher in Madrid erstaunt, als
verlautete, dass dieser lustigste Cavalier des Hofes angefangen
habe, sich mit Geschäften zu befassen. „Olivares, schreibt der
Mantuaner Bonatti am 5. Juli 1621, ist mächtiger als je“. Die
unter Lerma üblichen Geschenke wurden streng verpönt; Niemand
bestritt, dass seine Hände rein seien4); dafür aber vertauschte er

1) Khevenhiller, Annales Ferdinand. IX, 1255 (vom Jahre 1621).
2) Er soll zu seinem Vorgänger Uceda damals gesagt haban: Á esta hora
todo es mío. — „¿Todo?“ — Todo, sin faltar nada.
3) Der eine ist der, mit welchem der König bloss cosas de gusto verhandelt,
der mezzano de’ gusti; der „gewässerte“ ist der Lastträger der Regierung:
— que es del peso del gobierno
un lustroso ganapan.
4) Il quale è però neto di mani, et non piglia da chi si sia. 19. Nov. 1623.
Depesche Atti’s im Farnes. Archiv.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="208"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch.</fw><lb/><hi rendition="#i">catione</hi> abgeführt und arg genug sein soll<note place="foot" n="1)">Khevenhiller, Annales Ferdinand. IX, 1255 (vom Jahre 1621).</note>&#x201C;. Don Gaspar war<lb/>
dem geistlichen Stand bestimmt gewesen, er hatte in Salamanca<lb/>
seine Studien gemacht, dann eine Commende des Calatrava-<lb/>
Ordens erhalten; &#x2014; da starb sein älterer Bruder. Als nunmeh-<lb/>
riger Erbe des Majorats vertauschte er die &#x201E;Toga der Schule&#x201C;<lb/>
mit Mantel und Degen, heirathete seine Base, die alte verwach-<lb/>
sene und hässliche Tochter des Vicekönigs von Peru, Ines de<lb/>
Zúñiga (1607) und zog nach Sevilla, um seinen Gütern nahe zu<lb/>
sein. Hier lebte er Jahre lang ganz den Neigungen, zu denen<lb/>
ihn Naturell und Vorbildung hinzogen. Der Alcazar Don Pedro<lb/>
des Grausamen wurde ein Sammelplatz der Gelehrten und Dich-<lb/>
ter; er galt für prachtliebend, verschwenderisch und ritterlich.<lb/>
Der Herzog von Lerma zog ihn 1615 nach Madrid und gab<lb/>
ihn dem Prinzen als <hi rendition="#i">gentilhombre de cámara</hi>. In der Folge hat<lb/>
er oft versucht, ihn im guten oder bösen wieder los zu werden.<lb/>
Langsam bahnte er sich den Weg zum Vertrauen. Als Philipp III<lb/>
starb, sah er seine Stunde gekommen<note place="foot" n="2)">Er soll zu seinem Vorgänger Uceda damals gesagt haban: Á esta hora<lb/>
todo es mío. &#x2014; &#x201E;¿Todo?&#x201C; &#x2014; Todo, sin faltar nada.</note>. Zuerst war er des<lb/>
jungen Königs rechte Hand nur in den Zerstreuungen. Die Ge-<lb/>
schäfte besorgte sein Oheim Zúñiga. Er suchte, und mit Erfolg,<lb/>
zwischen dem König und der Königin, die anfangs im zärtlich-<lb/>
sten Verhältniss gelebt hatten, Unfrieden zu säen. Dann machte<lb/>
er rasch den Uebergang von dem <hi rendition="#i">privado puro</hi> zu dem <hi rendition="#i">privado<lb/>
aguado</hi>, wie sie Alarcon in seinem Stück <hi rendition="#i">Los pechos privilegiados</hi><lb/>
so ergötzlich gegenüberstellt<note place="foot" n="3)">Der eine ist der, mit welchem der König bloss cosas de gusto verhandelt,<lb/>
der mezzano de&#x2019; gusti; der &#x201E;gewässerte&#x201C; ist der Lastträger der Regierung:<lb/><hi rendition="#c">&#x2014; que es del peso del gobierno<lb/>
un lustroso ganapan.</hi></note>. Philipp machte ihn zum Herzog<lb/>
von San Lucar, daher der Name Conde Duque. Er hatte bereits<lb/>
die &#x201E;Mitte des Lebenswegs&#x201C; erreicht, ohne in die Staatssachen<lb/>
hineingesehen zu haben. Man war daher in Madrid erstaunt, als<lb/>
verlautete, dass dieser lustigste Cavalier des Hofes angefangen<lb/>
habe, sich mit Geschäften zu befassen. &#x201E;Olivares, schreibt der<lb/>
Mantuaner Bonatti am 5. Juli 1621, ist mächtiger als je&#x201C;. Die<lb/>
unter Lerma üblichen Geschenke wurden streng verpönt; Niemand<lb/>
bestritt, dass seine Hände rein seien<note place="foot" n="4)">Il quale è però <hi rendition="#i">neto di mani</hi>, et non piglia da chi si sia. 19. Nov. 1623.<lb/>
Depesche Atti&#x2019;s im Farnes. Archiv.</note>; dafür aber vertauschte er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0230] Zweites Buch. catione abgeführt und arg genug sein soll 1)“. Don Gaspar war dem geistlichen Stand bestimmt gewesen, er hatte in Salamanca seine Studien gemacht, dann eine Commende des Calatrava- Ordens erhalten; — da starb sein älterer Bruder. Als nunmeh- riger Erbe des Majorats vertauschte er die „Toga der Schule“ mit Mantel und Degen, heirathete seine Base, die alte verwach- sene und hässliche Tochter des Vicekönigs von Peru, Ines de Zúñiga (1607) und zog nach Sevilla, um seinen Gütern nahe zu sein. Hier lebte er Jahre lang ganz den Neigungen, zu denen ihn Naturell und Vorbildung hinzogen. Der Alcazar Don Pedro des Grausamen wurde ein Sammelplatz der Gelehrten und Dich- ter; er galt für prachtliebend, verschwenderisch und ritterlich. Der Herzog von Lerma zog ihn 1615 nach Madrid und gab ihn dem Prinzen als gentilhombre de cámara. In der Folge hat er oft versucht, ihn im guten oder bösen wieder los zu werden. Langsam bahnte er sich den Weg zum Vertrauen. Als Philipp III starb, sah er seine Stunde gekommen 2). Zuerst war er des jungen Königs rechte Hand nur in den Zerstreuungen. Die Ge- schäfte besorgte sein Oheim Zúñiga. Er suchte, und mit Erfolg, zwischen dem König und der Königin, die anfangs im zärtlich- sten Verhältniss gelebt hatten, Unfrieden zu säen. Dann machte er rasch den Uebergang von dem privado puro zu dem privado aguado, wie sie Alarcon in seinem Stück Los pechos privilegiados so ergötzlich gegenüberstellt 3). Philipp machte ihn zum Herzog von San Lucar, daher der Name Conde Duque. Er hatte bereits die „Mitte des Lebenswegs“ erreicht, ohne in die Staatssachen hineingesehen zu haben. Man war daher in Madrid erstaunt, als verlautete, dass dieser lustigste Cavalier des Hofes angefangen habe, sich mit Geschäften zu befassen. „Olivares, schreibt der Mantuaner Bonatti am 5. Juli 1621, ist mächtiger als je“. Die unter Lerma üblichen Geschenke wurden streng verpönt; Niemand bestritt, dass seine Hände rein seien 4); dafür aber vertauschte er 1) Khevenhiller, Annales Ferdinand. IX, 1255 (vom Jahre 1621). 2) Er soll zu seinem Vorgänger Uceda damals gesagt haban: Á esta hora todo es mío. — „¿Todo?“ — Todo, sin faltar nada. 3) Der eine ist der, mit welchem der König bloss cosas de gusto verhandelt, der mezzano de’ gusti; der „gewässerte“ ist der Lastträger der Regierung: — que es del peso del gobierno un lustroso ganapan. 4) Il quale è però neto di mani, et non piglia da chi si sia. 19. Nov. 1623. Depesche Atti’s im Farnes. Archiv.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/230
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/230>, abgerufen am 25.04.2024.