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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Francisco Pacheco.
keine Köpfe von mehr Realistik wie die Köpfe im heil. Andreas,
und wenig von den sehr feinen und mannichfaltigen Lichtwirkungen,
die Roelas zu Gebote stehen. Kein Maler von Sevilla ist auf-
zuweisen, der seinen Stil angenommen hätte. Auch kann man ihn
kaum einen Naturalisten nennen, wenn er auch Sittenbilder gemalt
hat, denn er war in der Regel zu heftig um sich an das Modell
zu binden; er malte meist sich selbst, und malte aus dem Kopfe.

Wir vermögen überhaupt dieser freien Manier (libertad y fran-
queza
) keinen so hohen Werth beizumessen. Man spricht von ihr
als sei sie der heilige Geist der Kunst, und doch ist sie nur eine
Manier wie jede andere, und leicht von Nachahmern abzusehen.
Spanisch ist sie höchstens, weil sie der Bequemlichkeit zusagt.

Francisco Pacheco.

(1571 + 1654.)

Während Roelas und Herrera neue Wege suchten, ver-
theidigte ein ganz anders gearteter Mann in Lehre, Schrift und
wie er wol meinte, auch im Bild, die absterbende Zeit, freilich
nicht ohne die Ahnung, tauben Ohren zu predigen, und bald
mit Zugeständnissen an die Neuerer -- Francisco Pacheco, einst
Mitschüler Herrera's bei Luis Fernandez.

Unter den Namen im spanischen Künstlerlexicon sind wol
wenige, die der Genius der Malerei so kärglich bedacht hatte,
so vielseitig sein Talent war, denn er war auch Dichter, Bio-
graph, Archäolog und Kunsttheoretiker. Er macht bisweilen
mehr den Eindruck eines denkenden Liebhabers, eines kalten
Schwärmers mit dem Kopf, den sein Naturell ganz auf die Be-
theiligung an der Kunst mit der Feder zu führen schien. Aber
diese gelehrten Mühen lösten bei ihm einen schaffenden Drang
aus, der ebenso unwiderstehlich war, wie die Werkzeuge spröde.
Ein zäher Wille unternahm den endlosen Kampf mit den Hinder-
nissen der Natur, und die aufgewandte, methodische Arbeit er-
zeugte, ausser den errungenen Fertigkeiten, ein starres Selbstge-
fühl, das durch öftere, öffentliche Controversen genährt wurde
und ihm den Muth gab, im Wettlauf mit Stärkern, ohne die Gefahr
dieser Nähe zu ahnen, die halsbrechendsten Aufgaben zu über-
nehmen, -- Aufgaben, vor denen zu zagen schon ein Fünkchen
jenes Geistes nöthig gewesen wäre, der Pacheco fehlte. Sein
phantasieloser, langsamer und kleinlicher Kopf hätte ihn zu
kleinen Bildnissen, zum Stillleben und Sittenbild allenfalls befähigt;

Francisco Pacheco.
keine Köpfe von mehr Realistik wie die Köpfe im heil. Andreas,
und wenig von den sehr feinen und mannichfaltigen Lichtwirkungen,
die Roelas zu Gebote stehen. Kein Maler von Sevilla ist auf-
zuweisen, der seinen Stil angenommen hätte. Auch kann man ihn
kaum einen Naturalisten nennen, wenn er auch Sittenbilder gemalt
hat, denn er war in der Regel zu heftig um sich an das Modell
zu binden; er malte meist sich selbst, und malte aus dem Kopfe.

Wir vermögen überhaupt dieser freien Manier (libertad y fran-
queza
) keinen so hohen Werth beizumessen. Man spricht von ihr
als sei sie der heilige Geist der Kunst, und doch ist sie nur eine
Manier wie jede andere, und leicht von Nachahmern abzusehen.
Spanisch ist sie höchstens, weil sie der Bequemlichkeit zusagt.

Francisco Pacheco.

(1571 † 1654.)

Während Roelas und Herrera neue Wege suchten, ver-
theidigte ein ganz anders gearteter Mann in Lehre, Schrift und
wie er wol meinte, auch im Bild, die absterbende Zeit, freilich
nicht ohne die Ahnung, tauben Ohren zu predigen, und bald
mit Zugeständnissen an die Neuerer — Francisco Pacheco, einst
Mitschüler Herrera’s bei Luis Fernandez.

Unter den Namen im spanischen Künstlerlexicon sind wol
wenige, die der Genius der Malerei so kärglich bedacht hatte,
so vielseitig sein Talent war, denn er war auch Dichter, Bio-
graph, Archäolog und Kunsttheoretiker. Er macht bisweilen
mehr den Eindruck eines denkenden Liebhabers, eines kalten
Schwärmers mit dem Kopf, den sein Naturell ganz auf die Be-
theiligung an der Kunst mit der Feder zu führen schien. Aber
diese gelehrten Mühen lösten bei ihm einen schaffenden Drang
aus, der ebenso unwiderstehlich war, wie die Werkzeuge spröde.
Ein zäher Wille unternahm den endlosen Kampf mit den Hinder-
nissen der Natur, und die aufgewandte, methodische Arbeit er-
zeugte, ausser den errungenen Fertigkeiten, ein starres Selbstge-
fühl, das durch öftere, öffentliche Controversen genährt wurde
und ihm den Muth gab, im Wettlauf mit Stärkern, ohne die Gefahr
dieser Nähe zu ahnen, die halsbrechendsten Aufgaben zu über-
nehmen, — Aufgaben, vor denen zu zagen schon ein Fünkchen
jenes Geistes nöthig gewesen wäre, der Pacheco fehlte. Sein
phantasieloser, langsamer und kleinlicher Kopf hätte ihn zu
kleinen Bildnissen, zum Stillleben und Sittenbild allenfalls befähigt;

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[63/0083] Francisco Pacheco. keine Köpfe von mehr Realistik wie die Köpfe im heil. Andreas, und wenig von den sehr feinen und mannichfaltigen Lichtwirkungen, die Roelas zu Gebote stehen. Kein Maler von Sevilla ist auf- zuweisen, der seinen Stil angenommen hätte. Auch kann man ihn kaum einen Naturalisten nennen, wenn er auch Sittenbilder gemalt hat, denn er war in der Regel zu heftig um sich an das Modell zu binden; er malte meist sich selbst, und malte aus dem Kopfe. Wir vermögen überhaupt dieser freien Manier (libertad y fran- queza) keinen so hohen Werth beizumessen. Man spricht von ihr als sei sie der heilige Geist der Kunst, und doch ist sie nur eine Manier wie jede andere, und leicht von Nachahmern abzusehen. Spanisch ist sie höchstens, weil sie der Bequemlichkeit zusagt. Francisco Pacheco. (1571 † 1654.) Während Roelas und Herrera neue Wege suchten, ver- theidigte ein ganz anders gearteter Mann in Lehre, Schrift und wie er wol meinte, auch im Bild, die absterbende Zeit, freilich nicht ohne die Ahnung, tauben Ohren zu predigen, und bald mit Zugeständnissen an die Neuerer — Francisco Pacheco, einst Mitschüler Herrera’s bei Luis Fernandez. Unter den Namen im spanischen Künstlerlexicon sind wol wenige, die der Genius der Malerei so kärglich bedacht hatte, so vielseitig sein Talent war, denn er war auch Dichter, Bio- graph, Archäolog und Kunsttheoretiker. Er macht bisweilen mehr den Eindruck eines denkenden Liebhabers, eines kalten Schwärmers mit dem Kopf, den sein Naturell ganz auf die Be- theiligung an der Kunst mit der Feder zu führen schien. Aber diese gelehrten Mühen lösten bei ihm einen schaffenden Drang aus, der ebenso unwiderstehlich war, wie die Werkzeuge spröde. Ein zäher Wille unternahm den endlosen Kampf mit den Hinder- nissen der Natur, und die aufgewandte, methodische Arbeit er- zeugte, ausser den errungenen Fertigkeiten, ein starres Selbstge- fühl, das durch öftere, öffentliche Controversen genährt wurde und ihm den Muth gab, im Wettlauf mit Stärkern, ohne die Gefahr dieser Nähe zu ahnen, die halsbrechendsten Aufgaben zu über- nehmen, — Aufgaben, vor denen zu zagen schon ein Fünkchen jenes Geistes nöthig gewesen wäre, der Pacheco fehlte. Sein phantasieloser, langsamer und kleinlicher Kopf hätte ihn zu kleinen Bildnissen, zum Stillleben und Sittenbild allenfalls befähigt;

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/83>, abgerufen am 29.03.2024.