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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
Italien seltenen Meisters angeschaut und bewundert haben. Die plastische
Sicherheit, mit der die starren Formen des Todes in der Verkürzung mit
breiten, dünnen Strichen fixirt sind, hätte Velazquez schwerlich über-
boten. Aber wer sich dort umgesehn hat, wird vielmehr die Manier
der Lombarden des siebzehnten Jahrhunderts wiedererkennen: brennend
rothe Grundirung, ungenügend deckende, wenn auch mit Geschick aufge-
legte Lichter und Fleischtöne. Eine Vergleichung mit dem Bildniss
Nr. 155 der Brera wird keinen Zweifel lassen, dass es eine Arbeit des
Mailänders Daniel Crespi (+ 1630) ist, "eines der grossen Italiener, nach
Lanzi, die man kaum ausserhalb ihrer Vaterstadt kennt". Auch das
Bildniss mit der Sonnenblume (Nr. 440) hiess früher spanische Schule
und ist ebenfalls mailändisch.

Die Skizze eines bärtigen Greisenprofils im Prado (1115) befand
sich nach dem Katalog im vorigen Jahrhundert in San Ildefonso und
galt als Studie des Pietro Paolo Bonzi, genannt il Gobbo de' Caracci.

Die mir bekannten, nicht seltenen, dem Velazquez zugeschriebenen
grossen Reiterbildnisse in Privatsammlungen gehören meist dem Nach-
trab des van Dyck an. Auch der Feldherr in ganzer Figur in Dorchester
House ist ein schöner Niederländer, sowie der elegante Cavalier in
Rossie Priory, ein nobler Kopf, dessen tiefes Schwarz in der Umgebung
soviel als möglich wiederholt ist.

Die Bildnisse in der Galerie zu Florenz (198 und 329), den Ritter in
der Pinakothek von Parma, den Maltheser bei Lord Lansdowne, den jungen
Mann in Grosvenorhouse, den in der Stockholmer Galerie nenne ich nur,
weil sie in berühmten Sammlungen noch immer unter dem Namen figuriren.

Das prächtige Bildniss eines polnischen Edelmanns in Pelzmütze
und weitem Pelzmantel im Hause des Duke of Abercorn in London,
stellt einen schönen vornehmen Mann von feurigem Wesen dar, breit und
flott gemalt, aber mit zart und hell gestimmten Farben. Den Hintergrund
bildet eine Meeresfläche mit Schiff, und der dunkelblaue Himmel. Dieses
bei Gelegenheit der Akademieausstellung von 1875 zu den besten
Velazquez in England gerechnete Bild möchte ich eher einem der gefeierten
englischen Porträtisten des vorigen Jahrhunderts zuschreiben.

Im Palast Dietrichstein, im Besitz der Gräfin Clam Gallas zu Wien,
befindet sich ein lebensgrosses Reiterbildniss hors ligne, welches nach
der Ueberlieferung (Urkundliches giebt es nicht) einen Herzog von In-
fantado darstellt, von Velazquez gemalt und von dem Cardinal Diet-
richstein aus Spanien mitgebracht sein soll. Ross und Reiter sind
in der Vorderansicht gemalt, von ebenso stupender Wirkung im Ganzen
wie meisterhaft sorgsamer Durchführung im Einzelnen. Der Reiter ist
ein junger Edelmann von etwa vierundzwanzig Jahren, ein hübsches,

Fünftes Buch.
Italien seltenen Meisters angeschaut und bewundert haben. Die plastische
Sicherheit, mit der die starren Formen des Todes in der Verkürzung mit
breiten, dünnen Strichen fixirt sind, hätte Velazquez schwerlich über-
boten. Aber wer sich dort umgesehn hat, wird vielmehr die Manier
der Lombarden des siebzehnten Jahrhunderts wiedererkennen: brennend
rothe Grundirung, ungenügend deckende, wenn auch mit Geschick aufge-
legte Lichter und Fleischtöne. Eine Vergleichung mit dem Bildniss
Nr. 155 der Brera wird keinen Zweifel lassen, dass es eine Arbeit des
Mailänders Daniel Crespi († 1630) ist, „eines der grossen Italiener, nach
Lanzi, die man kaum ausserhalb ihrer Vaterstadt kennt“. Auch das
Bildniss mit der Sonnenblume (Nr. 440) hiess früher spanische Schule
und ist ebenfalls mailändisch.

Die Skizze eines bärtigen Greisenprofils im Prado (1115) befand
sich nach dem Katalog im vorigen Jahrhundert in San Ildefonso und
galt als Studie des Pietro Paolo Bonzi, genannt il Gobbo de’ Caracci.

Die mir bekannten, nicht seltenen, dem Velazquez zugeschriebenen
grossen Reiterbildnisse in Privatsammlungen gehören meist dem Nach-
trab des van Dyck an. Auch der Feldherr in ganzer Figur in Dorchester
House ist ein schöner Niederländer, sowie der elegante Cavalier in
Rossie Priory, ein nobler Kopf, dessen tiefes Schwarz in der Umgebung
soviel als möglich wiederholt ist.

Die Bildnisse in der Galerie zu Florenz (198 und 329), den Ritter in
der Pinakothek von Parma, den Maltheser bei Lord Lansdowne, den jungen
Mann in Grosvenorhouse, den in der Stockholmer Galerie nenne ich nur,
weil sie in berühmten Sammlungen noch immer unter dem Namen figuriren.

Das prächtige Bildniss eines polnischen Edelmanns in Pelzmütze
und weitem Pelzmantel im Hause des Duke of Abercorn in London,
stellt einen schönen vornehmen Mann von feurigem Wesen dar, breit und
flott gemalt, aber mit zart und hell gestimmten Farben. Den Hintergrund
bildet eine Meeresfläche mit Schiff, und der dunkelblaue Himmel. Dieses
bei Gelegenheit der Akademieausstellung von 1875 zu den besten
Velazquez in England gerechnete Bild möchte ich eher einem der gefeierten
englischen Porträtisten des vorigen Jahrhunderts zuschreiben.

Im Palast Dietrichstein, im Besitz der Gräfin Clam Gallas zu Wien,
befindet sich ein lebensgrosses Reiterbildniss hors ligne, welches nach
der Ueberlieferung (Urkundliches giebt es nicht) einen Herzog von In-
fantado darstellt, von Velazquez gemalt und von dem Cardinal Diet-
richstein aus Spanien mitgebracht sein soll. Ross und Reiter sind
in der Vorderansicht gemalt, von ebenso stupender Wirkung im Ganzen
wie meisterhaft sorgsamer Durchführung im Einzelnen. Der Reiter ist
ein junger Edelmann von etwa vierundzwanzig Jahren, ein hübsches,

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[84/0104] Fünftes Buch. Italien seltenen Meisters angeschaut und bewundert haben. Die plastische Sicherheit, mit der die starren Formen des Todes in der Verkürzung mit breiten, dünnen Strichen fixirt sind, hätte Velazquez schwerlich über- boten. Aber wer sich dort umgesehn hat, wird vielmehr die Manier der Lombarden des siebzehnten Jahrhunderts wiedererkennen: brennend rothe Grundirung, ungenügend deckende, wenn auch mit Geschick aufge- legte Lichter und Fleischtöne. Eine Vergleichung mit dem Bildniss Nr. 155 der Brera wird keinen Zweifel lassen, dass es eine Arbeit des Mailänders Daniel Crespi († 1630) ist, „eines der grossen Italiener, nach Lanzi, die man kaum ausserhalb ihrer Vaterstadt kennt“. Auch das Bildniss mit der Sonnenblume (Nr. 440) hiess früher spanische Schule und ist ebenfalls mailändisch. Die Skizze eines bärtigen Greisenprofils im Prado (1115) befand sich nach dem Katalog im vorigen Jahrhundert in San Ildefonso und galt als Studie des Pietro Paolo Bonzi, genannt il Gobbo de’ Caracci. Die mir bekannten, nicht seltenen, dem Velazquez zugeschriebenen grossen Reiterbildnisse in Privatsammlungen gehören meist dem Nach- trab des van Dyck an. Auch der Feldherr in ganzer Figur in Dorchester House ist ein schöner Niederländer, sowie der elegante Cavalier in Rossie Priory, ein nobler Kopf, dessen tiefes Schwarz in der Umgebung soviel als möglich wiederholt ist. Die Bildnisse in der Galerie zu Florenz (198 und 329), den Ritter in der Pinakothek von Parma, den Maltheser bei Lord Lansdowne, den jungen Mann in Grosvenorhouse, den in der Stockholmer Galerie nenne ich nur, weil sie in berühmten Sammlungen noch immer unter dem Namen figuriren. Das prächtige Bildniss eines polnischen Edelmanns in Pelzmütze und weitem Pelzmantel im Hause des Duke of Abercorn in London, stellt einen schönen vornehmen Mann von feurigem Wesen dar, breit und flott gemalt, aber mit zart und hell gestimmten Farben. Den Hintergrund bildet eine Meeresfläche mit Schiff, und der dunkelblaue Himmel. Dieses bei Gelegenheit der Akademieausstellung von 1875 zu den besten Velazquez in England gerechnete Bild möchte ich eher einem der gefeierten englischen Porträtisten des vorigen Jahrhunderts zuschreiben. Im Palast Dietrichstein, im Besitz der Gräfin Clam Gallas zu Wien, befindet sich ein lebensgrosses Reiterbildniss hors ligne, welches nach der Ueberlieferung (Urkundliches giebt es nicht) einen Herzog von In- fantado darstellt, von Velazquez gemalt und von dem Cardinal Diet- richstein aus Spanien mitgebracht sein soll. Ross und Reiter sind in der Vorderansicht gemalt, von ebenso stupender Wirkung im Ganzen wie meisterhaft sorgsamer Durchführung im Einzelnen. Der Reiter ist ein junger Edelmann von etwa vierundzwanzig Jahren, ein hübsches,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/104>, abgerufen am 29.03.2024.