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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
Statue Philipp III, fügte er hinzu; das erste bezeichnet wahrschein-
lich die Gangart des Pferds, das zweite die Grösse. Die neue Bron-
zestatue sollte sich hiernach in einem Punkte von der herkömm-
lichen Bewegung der grossen Pferde aus der Schule Gian Bolog-
na's wesentlich unterscheiden. Die Pferde der beiden Mediceer in
Florenz, Philipp III, Heinrich IV, waren im Schritt dargestellt;
Philipp IV, der erste Reiter Spaniens, sollte nach dem Vorbild
der besonders durch grosse Kupferstiche verbreiteten fürstlichen
Reiterbilder (z. B. Kaiser Rudolf II, von Egidius Sadeler und
Ferdinand II 1629) im Galopp oder in einer der schwierigen Gang-
arten des "Schulens über der Erde" erscheinen. Eine ganz
neue, von der modernen Bildhauerei bisher noch nicht gewagte
Form der Reiterstatue sollte an ihm zuerst verwirklicht werden.
Das Pferd, wird wiederholt eingeschärft, soll "galoppiren oder
curbettiren", aber um jeden Preis bloss auf den Hinterbeinen
ruhen.

Im Sommer 1635 war die Arbeit am Modell bereits in vollem
Zug; Pietro Tacca verlangte nun ein Bildniss des Königs, sowie
Zeichnungen des Anzugs und der Rüstung, um die Aehnlichkeit
herstellen zu können. Dieses Bildniss hatte Velazquez im Sep-
tember 1635 im Werk, Olivares verspricht es Serrano demnächst
zu übersenden. Als es aber in Florenz ankam, stellte sich heraus,
dass der Bildhauer den Hauptpunkt gar nicht verstanden hatte,
so nachlässig war man bei der Abfassung der ersten Instruktion
verfahren. In dem schon vollendeten Modell bewegte sich das
Pferd im Schritt. Die Arbeit musste von vorn angefangen wer-
den. Uebrigens hatte Tacca bereits vor Jahren eine Statue Carl
Emanuels von Savoyen in einer solchen Gangart unternommen,
aber nur in kleinem Maassstab ausgeführt. Zuletzt ward auf
Wunsch des Bildhauers (Ende des Jahrs 1638) auch noch ein
lebensgrosses Bildniss des Königs, als Vorbild für dessen Kopf, von
Velazquez hergestellt, das am 27. Januar 1640 abgeliefert wurde.

Diess zweite im Jahre 1639 gemalte Bildniss, nach Ponz
(Viage VI, 109) eine Halbfigur, ist bis jetzt nicht zu konstatiren
gewesen. Das erste im Jahre 1635 ausgeführte Reiterbildniss
dagegen, welches als Vorbild für das Ganze dienen sollte, kann,
wie ich jetzt glaube, doch das bekannte kleine Gemälde im Palast
Pitti sein. Wenn ich selbst früher1) diese Annahme bestritten habe,

1) C. v. Lützow, Zeitschrift für bildende Kunst. 1883, S. 317. Ueber die
Statuette Carl Emanuels in der Löwenburg bei Cassel, ebenda 1886.

Fünftes Buch.
Statue Philipp III, fügte er hinzu; das erste bezeichnet wahrschein-
lich die Gangart des Pferds, das zweite die Grösse. Die neue Bron-
zestatue sollte sich hiernach in einem Punkte von der herkömm-
lichen Bewegung der grossen Pferde aus der Schule Gian Bolog-
na’s wesentlich unterscheiden. Die Pferde der beiden Mediceer in
Florenz, Philipp III, Heinrich IV, waren im Schritt dargestellt;
Philipp IV, der erste Reiter Spaniens, sollte nach dem Vorbild
der besonders durch grosse Kupferstiche verbreiteten fürstlichen
Reiterbilder (z. B. Kaiser Rudolf II, von Egidius Sadeler und
Ferdinand II 1629) im Galopp oder in einer der schwierigen Gang-
arten des „Schulens über der Erde“ erscheinen. Eine ganz
neue, von der modernen Bildhauerei bisher noch nicht gewagte
Form der Reiterstatue sollte an ihm zuerst verwirklicht werden.
Das Pferd, wird wiederholt eingeschärft, soll „galoppiren oder
curbettiren“, aber um jeden Preis bloss auf den Hinterbeinen
ruhen.

Im Sommer 1635 war die Arbeit am Modell bereits in vollem
Zug; Pietro Tacca verlangte nun ein Bildniss des Königs, sowie
Zeichnungen des Anzugs und der Rüstung, um die Aehnlichkeit
herstellen zu können. Dieses Bildniss hatte Velazquez im Sep-
tember 1635 im Werk, Olivares verspricht es Serrano demnächst
zu übersenden. Als es aber in Florenz ankam, stellte sich heraus,
dass der Bildhauer den Hauptpunkt gar nicht verstanden hatte,
so nachlässig war man bei der Abfassung der ersten Instruktion
verfahren. In dem schon vollendeten Modell bewegte sich das
Pferd im Schritt. Die Arbeit musste von vorn angefangen wer-
den. Uebrigens hatte Tacca bereits vor Jahren eine Statue Carl
Emanuels von Savoyen in einer solchen Gangart unternommen,
aber nur in kleinem Maassstab ausgeführt. Zuletzt ward auf
Wunsch des Bildhauers (Ende des Jahrs 1638) auch noch ein
lebensgrosses Bildniss des Königs, als Vorbild für dessen Kopf, von
Velazquez hergestellt, das am 27. Januar 1640 abgeliefert wurde.

Diess zweite im Jahre 1639 gemalte Bildniss, nach Ponz
(Viage VI, 109) eine Halbfigur, ist bis jetzt nicht zu konstatiren
gewesen. Das erste im Jahre 1635 ausgeführte Reiterbildniss
dagegen, welches als Vorbild für das Ganze dienen sollte, kann,
wie ich jetzt glaube, doch das bekannte kleine Gemälde im Palast
Pitti sein. Wenn ich selbst früher1) diese Annahme bestritten habe,

1) C. v. Lützow, Zeitschrift für bildende Kunst. 1883, S. 317. Ueber die
Statuette Carl Emanuels in der Löwenburg bei Cassel, ebenda 1886.
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[90/0110] Fünftes Buch. Statue Philipp III, fügte er hinzu; das erste bezeichnet wahrschein- lich die Gangart des Pferds, das zweite die Grösse. Die neue Bron- zestatue sollte sich hiernach in einem Punkte von der herkömm- lichen Bewegung der grossen Pferde aus der Schule Gian Bolog- na’s wesentlich unterscheiden. Die Pferde der beiden Mediceer in Florenz, Philipp III, Heinrich IV, waren im Schritt dargestellt; Philipp IV, der erste Reiter Spaniens, sollte nach dem Vorbild der besonders durch grosse Kupferstiche verbreiteten fürstlichen Reiterbilder (z. B. Kaiser Rudolf II, von Egidius Sadeler und Ferdinand II 1629) im Galopp oder in einer der schwierigen Gang- arten des „Schulens über der Erde“ erscheinen. Eine ganz neue, von der modernen Bildhauerei bisher noch nicht gewagte Form der Reiterstatue sollte an ihm zuerst verwirklicht werden. Das Pferd, wird wiederholt eingeschärft, soll „galoppiren oder curbettiren“, aber um jeden Preis bloss auf den Hinterbeinen ruhen. Im Sommer 1635 war die Arbeit am Modell bereits in vollem Zug; Pietro Tacca verlangte nun ein Bildniss des Königs, sowie Zeichnungen des Anzugs und der Rüstung, um die Aehnlichkeit herstellen zu können. Dieses Bildniss hatte Velazquez im Sep- tember 1635 im Werk, Olivares verspricht es Serrano demnächst zu übersenden. Als es aber in Florenz ankam, stellte sich heraus, dass der Bildhauer den Hauptpunkt gar nicht verstanden hatte, so nachlässig war man bei der Abfassung der ersten Instruktion verfahren. In dem schon vollendeten Modell bewegte sich das Pferd im Schritt. Die Arbeit musste von vorn angefangen wer- den. Uebrigens hatte Tacca bereits vor Jahren eine Statue Carl Emanuels von Savoyen in einer solchen Gangart unternommen, aber nur in kleinem Maassstab ausgeführt. Zuletzt ward auf Wunsch des Bildhauers (Ende des Jahrs 1638) auch noch ein lebensgrosses Bildniss des Königs, als Vorbild für dessen Kopf, von Velazquez hergestellt, das am 27. Januar 1640 abgeliefert wurde. Diess zweite im Jahre 1639 gemalte Bildniss, nach Ponz (Viage VI, 109) eine Halbfigur, ist bis jetzt nicht zu konstatiren gewesen. Das erste im Jahre 1635 ausgeführte Reiterbildniss dagegen, welches als Vorbild für das Ganze dienen sollte, kann, wie ich jetzt glaube, doch das bekannte kleine Gemälde im Palast Pitti sein. Wenn ich selbst früher 1) diese Annahme bestritten habe, 1) C. v. Lützow, Zeitschrift für bildende Kunst. 1883, S. 317. Ueber die Statuette Carl Emanuels in der Löwenburg bei Cassel, ebenda 1886.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/110>, abgerufen am 19.04.2024.