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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Prinz Balthasar Carlos.
in Sammt und Seide steckte, zu einem gewöhnlichen phlegma-
tischen, gelangweilten Bürschchen herab. Die Luft des Palasts,
die Erziehung unter Hofdamen, das geisterstickende Cerimoniell
liegt wie Mehlthau auf diesen Zügen ohne Intelligenz und jugend-
liche Lebenslust.

Bis in sein vierzehntes Jahr hatte er zu seinem Verdruss
unter Weibern und Mönchen gelebt. Ueberall, auch im Ausland
wurde davon gesprochen; in Hiob Ludolf's Schaubühne der
Weltgeschichte ist eine Illustration dieser Erziehung, wo er mit
Hoffräulein tanzt, in Kupfer gestochen1). Doch war in sein
Erziehungsprogramm auch ein Paragraph für Humaniora aufge-
nommen; der Lehrer D. Juan de Isassi Idiaquez rühmte seine
rasche Auffassung; er liess im Jahre 1641 einen Bericht "Füll-
horn" betitelt drucken über die Prüfung, welche er vor seinem
Vater, Olivares und andern Herren des Hofs bestanden hatte:
und einige Monate später folgte ein zweites Examen im Beisein
des Nuntius, der aus der Rhetorik fragte, und des dänischen
Gesandten, dem er über Geographie Dänemarks Auskunft gab.
Der ernste Vater, der bei jenen Proben im Sport vor Rührung
verging, fand diese Leistungen seines Sohnes und Erben in
Latein und physikalischer Weltbeschreibung äusserst drollig,
er hörte nicht auf zu lachen2). Als aber der Lehrer dem Könige
vorzustellen wagte, dass es Zeit sei, ihn in die Geschäfte einzu-
weihen, lehnte jener dankend ab: "er wolle sich nicht in Dinge
mischen, in die sich seine Vorfahren nicht gemischt hätten".
Schon hörte man Stimmen, die mit Besorgniss von der Zukunft
sprachen.

Zu den als Geschenk gemalten Bildnissen in Hoftracht ge-
hört das in ganzer Figur im Belvedere (Nr. 614. 128" x 100").
Seine Verlobung mit Marianne, der Tochter seiner Tante Maria
und Kaiser Ferdinand III war lange geplant, obwol sie erst im
Jahre 1646 förmlich entschieden und verkündigt wurde. Eine
Figur in schwarz auf reichem Purpurgrund: schwarzes Sammt-
wams mit silbergestickten Schnüren, die Linke am Degen, Bande-

1) ?Mas donde he de ir, si criado Entre meninas y damas, Se de tocados y
flores Mas que de caballos y armas? Calderon, las blancas manos II.
2) Copia de la abundancia Tou Keratos Amaltheias (sic) de la licion, que hizo
de sus estudios el Ser. S. Pr. Baltasar Carlos delante de la Mag. del Rey, en
20. de agosto 1641. Dedicada al excmo S. Conde Duque. Er sagt Verse des
Martial her, construirt Justin, und erklärt die Geographie der fünf Welttheile, von
dem fünften, der tierra austral oder Magallania kenne man nur Küsten.

Der Prinz Balthasar Carlos.
in Sammt und Seide steckte, zu einem gewöhnlichen phlegma-
tischen, gelangweilten Bürschchen herab. Die Luft des Palasts,
die Erziehung unter Hofdamen, das geisterstickende Cerimoniell
liegt wie Mehlthau auf diesen Zügen ohne Intelligenz und jugend-
liche Lebenslust.

Bis in sein vierzehntes Jahr hatte er zu seinem Verdruss
unter Weibern und Mönchen gelebt. Ueberall, auch im Ausland
wurde davon gesprochen; in Hiob Ludolf’s Schaubühne der
Weltgeschichte ist eine Illustration dieser Erziehung, wo er mit
Hoffräulein tanzt, in Kupfer gestochen1). Doch war in sein
Erziehungsprogramm auch ein Paragraph für Humaniora aufge-
nommen; der Lehrer D. Juan de Isassi Idiaquez rühmte seine
rasche Auffassung; er liess im Jahre 1641 einen Bericht „Füll-
horn“ betitelt drucken über die Prüfung, welche er vor seinem
Vater, Olivares und andern Herren des Hofs bestanden hatte:
und einige Monate später folgte ein zweites Examen im Beisein
des Nuntius, der aus der Rhetorik fragte, und des dänischen
Gesandten, dem er über Geographie Dänemarks Auskunft gab.
Der ernste Vater, der bei jenen Proben im Sport vor Rührung
verging, fand diese Leistungen seines Sohnes und Erben in
Latein und physikalischer Weltbeschreibung äusserst drollig,
er hörte nicht auf zu lachen2). Als aber der Lehrer dem Könige
vorzustellen wagte, dass es Zeit sei, ihn in die Geschäfte einzu-
weihen, lehnte jener dankend ab: „er wolle sich nicht in Dinge
mischen, in die sich seine Vorfahren nicht gemischt hätten“.
Schon hörte man Stimmen, die mit Besorgniss von der Zukunft
sprachen.

Zu den als Geschenk gemalten Bildnissen in Hoftracht ge-
hört das in ganzer Figur im Belvedere (Nr. 614. 128″ × 100″).
Seine Verlobung mit Marianne, der Tochter seiner Tante Maria
und Kaiser Ferdinand III war lange geplant, obwol sie erst im
Jahre 1646 förmlich entschieden und verkündigt wurde. Eine
Figur in schwarz auf reichem Purpurgrund: schwarzes Sammt-
wams mit silbergestickten Schnüren, die Linke am Degen, Bande-

1) ¿Mas donde he de ir, si criado Entre meninas y damas, Sé de tocados y
flores Mas que de caballos y armas? Calderon, las blancas manos II.
2) Copia de la abundancia Του Κέρατος Αμαλθείας (sic) de la licion, que hizo
de sus estudios el Ser. S. Pr. Baltasar Carlos delante de la Mag. del Rey, en
20. de agosto 1641. Dedicada al excmo S. Conde Duque. Er sagt Verse des
Martial her, construirt Justin, und erklärt die Geographie der fünf Welttheile, von
dem fünften, der tierra austral oder Magallania kenne man nur Küsten.
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[137/0157] Der Prinz Balthasar Carlos. in Sammt und Seide steckte, zu einem gewöhnlichen phlegma- tischen, gelangweilten Bürschchen herab. Die Luft des Palasts, die Erziehung unter Hofdamen, das geisterstickende Cerimoniell liegt wie Mehlthau auf diesen Zügen ohne Intelligenz und jugend- liche Lebenslust. Bis in sein vierzehntes Jahr hatte er zu seinem Verdruss unter Weibern und Mönchen gelebt. Ueberall, auch im Ausland wurde davon gesprochen; in Hiob Ludolf’s Schaubühne der Weltgeschichte ist eine Illustration dieser Erziehung, wo er mit Hoffräulein tanzt, in Kupfer gestochen 1). Doch war in sein Erziehungsprogramm auch ein Paragraph für Humaniora aufge- nommen; der Lehrer D. Juan de Isassi Idiaquez rühmte seine rasche Auffassung; er liess im Jahre 1641 einen Bericht „Füll- horn“ betitelt drucken über die Prüfung, welche er vor seinem Vater, Olivares und andern Herren des Hofs bestanden hatte: und einige Monate später folgte ein zweites Examen im Beisein des Nuntius, der aus der Rhetorik fragte, und des dänischen Gesandten, dem er über Geographie Dänemarks Auskunft gab. Der ernste Vater, der bei jenen Proben im Sport vor Rührung verging, fand diese Leistungen seines Sohnes und Erben in Latein und physikalischer Weltbeschreibung äusserst drollig, er hörte nicht auf zu lachen 2). Als aber der Lehrer dem Könige vorzustellen wagte, dass es Zeit sei, ihn in die Geschäfte einzu- weihen, lehnte jener dankend ab: „er wolle sich nicht in Dinge mischen, in die sich seine Vorfahren nicht gemischt hätten“. Schon hörte man Stimmen, die mit Besorgniss von der Zukunft sprachen. Zu den als Geschenk gemalten Bildnissen in Hoftracht ge- hört das in ganzer Figur im Belvedere (Nr. 614. 128″ × 100″). Seine Verlobung mit Marianne, der Tochter seiner Tante Maria und Kaiser Ferdinand III war lange geplant, obwol sie erst im Jahre 1646 förmlich entschieden und verkündigt wurde. Eine Figur in schwarz auf reichem Purpurgrund: schwarzes Sammt- wams mit silbergestickten Schnüren, die Linke am Degen, Bande- 1) ¿Mas donde he de ir, si criado Entre meninas y damas, Sé de tocados y flores Mas que de caballos y armas? Calderon, las blancas manos II. 2) Copia de la abundancia Του Κέρατος Αμαλθείας (sic) de la licion, que hizo de sus estudios el Ser. S. Pr. Baltasar Carlos delante de la Mag. del Rey, en 20. de agosto 1641. Dedicada al excmo S. Conde Duque. Er sagt Verse des Martial her, construirt Justin, und erklärt die Geographie der fünf Welttheile, von dem fünften, der tierra austral oder Magallania kenne man nur Küsten.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/157>, abgerufen am 29.03.2024.