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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
noch in den für gewöhnliche Sterbliche unzugänglichen Magazinen
der Pradogalerie. Diess Gemälde war nun freilich vier Ellen
breit und fast ebenso hoch; kann also das unsrige nicht sein.
Statt des Wappens von Navarra sieht man oben, in einem schwe-
ren Kranz von Blumen und Früchten, gehalten von zwei Flügel-
kindern, ein Schild mit Rad. Das Wellington'sche Stück kann
also nur der erste Entwurf oder eine kleine Wiederholung sein.

Die Veranlassung zu dem Bild war folgende. Im Frühling 1646
hatte sich der König nach Pamplona begeben, um die Cortes von
Navarra abzuhalten, dem Prinzen nach Beschwörung der Statuten
des Reichs huldigen zu lassen und eine Beisteuer von dreihundert
Mann nebst Geld zu erlangen. Da ihm die hartköpfigen Navarrer
das letztere abschlugen, so war er, wie der venezianische Ge-
sandte erzählt, der am 22. Mai in Pamplona eingetroffen war,
am Tag nach der Huldigung zornig nach Saragossa abgereist.
Zur Erinnerung an einen der letzten Momente aus dem Leben
seines einzigen Sohnes wurde auch diess Bild gemalt. Wir er-
fahren noch aus einem Dokument des Palastarchivs (Catalog des
Museums 443), dass D. Francisco de Borja dem König den Maler
Mazo hierzu empfohlen hatte, der mit zweihundert Escudos
Reiseunterstützung dorthin gesandt werden sollte, die Ansicht
von Stadt und Kastell zu malen (a pintar la descripcion de aquella
ciudad y castillo
). Auf unserm Gemälde sieht man indess nur
das Castell. Diess stand im Südosten vor dem S. Nicolasthor, an
der Stelle wo im Jahre 1694 die Basilica des heil. Ignaz einge-
weiht wurde. Denn hier war der Punkt, wo im Jahre 1521 die
welthistorisch gewordene Verwundung des guipuzcoaner Hidalgo
D. Innigo Lopez de Recalde stattgefunden hatte. Wir befinden uns
in einem weiten Thalbecken von sieben Meilen Umfang, mit drei-
facher Krone hoher Berge, die steil abfallen, links in abgespül-
tem zerrissenen Absturz, rechts bewaldet; in meilenweiter Ferne,
über einem Sattel ragt noch ein blauer Bergzug hervor.

Das Fort ist von starken Mauern und Wassergräben um-
geben, im Innern sieht man Gartenanlagen und zerstreute Häuser.
Dicht am Graben von links her führt ein Pfad nach dem
Hauptthor in der Mitte. Auf diess fahren zu zwei Karossen,

sobre la Cassa del Thesoro. Inventar von 1686. In den handschriftlichen Nach-
trägen Cean's zu seinem Diccionario (Akademie S. Fernando) findet sich eine
Notiz aus D. Juan Francisco Andres, Obelisco historico; danach waren im Vor-
dergrund "varias figuras de hombres y mugeres en la variedad de los trages
vizcainos guipuzcoanos roncaletes y provincianos".

Fünftes Buch.
noch in den für gewöhnliche Sterbliche unzugänglichen Magazinen
der Pradogalerie. Diess Gemälde war nun freilich vier Ellen
breit und fast ebenso hoch; kann also das unsrige nicht sein.
Statt des Wappens von Navarra sieht man oben, in einem schwe-
ren Kranz von Blumen und Früchten, gehalten von zwei Flügel-
kindern, ein Schild mit Rad. Das Wellington’sche Stück kann
also nur der erste Entwurf oder eine kleine Wiederholung sein.

Die Veranlassung zu dem Bild war folgende. Im Frühling 1646
hatte sich der König nach Pamplona begeben, um die Cortes von
Navarra abzuhalten, dem Prinzen nach Beschwörung der Statuten
des Reichs huldigen zu lassen und eine Beisteuer von dreihundert
Mann nebst Geld zu erlangen. Da ihm die hartköpfigen Navarrer
das letztere abschlugen, so war er, wie der venezianische Ge-
sandte erzählt, der am 22. Mai in Pamplona eingetroffen war,
am Tag nach der Huldigung zornig nach Saragossa abgereist.
Zur Erinnerung an einen der letzten Momente aus dem Leben
seines einzigen Sohnes wurde auch diess Bild gemalt. Wir er-
fahren noch aus einem Dokument des Palastarchivs (Catalog des
Museums 443), dass D. Francisco de Borja dem König den Maler
Mazo hierzu empfohlen hatte, der mit zweihundert Escudos
Reiseunterstützung dorthin gesandt werden sollte, die Ansicht
von Stadt und Kastell zu malen (á pintar la descripcion de aquella
ciudad y castillo
). Auf unserm Gemälde sieht man indess nur
das Castell. Diess stand im Südosten vor dem S. Nicolasthor, an
der Stelle wo im Jahre 1694 die Basilica des heil. Ignaz einge-
weiht wurde. Denn hier war der Punkt, wo im Jahre 1521 die
welthistorisch gewordene Verwundung des guipuzcoaner Hidalgo
D. Iñigo Lopez de Recalde stattgefunden hatte. Wir befinden uns
in einem weiten Thalbecken von sieben Meilen Umfang, mit drei-
facher Krone hoher Berge, die steil abfallen, links in abgespül-
tem zerrissenen Absturz, rechts bewaldet; in meilenweiter Ferne,
über einem Sattel ragt noch ein blauer Bergzug hervor.

Das Fort ist von starken Mauern und Wassergräben um-
geben, im Innern sieht man Gartenanlagen und zerstreute Häuser.
Dicht am Graben von links her führt ein Pfad nach dem
Hauptthor in der Mitte. Auf diess fahren zu zwei Karossen,

sobre la Cassa del Thesoro. Inventar von 1686. In den handschriftlichen Nach-
trägen Cean’s zu seinem Diccionario (Akademie S. Fernando) findet sich eine
Notiz aus D. Juan Francisco Andres, Obelisco histórico; danach waren im Vor-
dergrund „varias figuras de hombres y mugeres en la variedad de los trages
vizcainos guipuzcoanos roncaletes y provincianos“.
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[146/0166] Fünftes Buch. noch in den für gewöhnliche Sterbliche unzugänglichen Magazinen der Pradogalerie. Diess Gemälde war nun freilich vier Ellen breit und fast ebenso hoch; kann also das unsrige nicht sein. Statt des Wappens von Navarra sieht man oben, in einem schwe- ren Kranz von Blumen und Früchten, gehalten von zwei Flügel- kindern, ein Schild mit Rad. Das Wellington’sche Stück kann also nur der erste Entwurf oder eine kleine Wiederholung sein. Die Veranlassung zu dem Bild war folgende. Im Frühling 1646 hatte sich der König nach Pamplona begeben, um die Cortes von Navarra abzuhalten, dem Prinzen nach Beschwörung der Statuten des Reichs huldigen zu lassen und eine Beisteuer von dreihundert Mann nebst Geld zu erlangen. Da ihm die hartköpfigen Navarrer das letztere abschlugen, so war er, wie der venezianische Ge- sandte erzählt, der am 22. Mai in Pamplona eingetroffen war, am Tag nach der Huldigung zornig nach Saragossa abgereist. Zur Erinnerung an einen der letzten Momente aus dem Leben seines einzigen Sohnes wurde auch diess Bild gemalt. Wir er- fahren noch aus einem Dokument des Palastarchivs (Catalog des Museums 443), dass D. Francisco de Borja dem König den Maler Mazo hierzu empfohlen hatte, der mit zweihundert Escudos Reiseunterstützung dorthin gesandt werden sollte, die Ansicht von Stadt und Kastell zu malen (á pintar la descripcion de aquella ciudad y castillo). Auf unserm Gemälde sieht man indess nur das Castell. Diess stand im Südosten vor dem S. Nicolasthor, an der Stelle wo im Jahre 1694 die Basilica des heil. Ignaz einge- weiht wurde. Denn hier war der Punkt, wo im Jahre 1521 die welthistorisch gewordene Verwundung des guipuzcoaner Hidalgo D. Iñigo Lopez de Recalde stattgefunden hatte. Wir befinden uns in einem weiten Thalbecken von sieben Meilen Umfang, mit drei- facher Krone hoher Berge, die steil abfallen, links in abgespül- tem zerrissenen Absturz, rechts bewaldet; in meilenweiter Ferne, über einem Sattel ragt noch ein blauer Bergzug hervor. Das Fort ist von starken Mauern und Wassergräben um- geben, im Innern sieht man Gartenanlagen und zerstreute Häuser. Dicht am Graben von links her führt ein Pfad nach dem Hauptthor in der Mitte. Auf diess fahren zu zwei Karossen, 1) 1) sobre la Cassa del Thesoro. Inventar von 1686. In den handschriftlichen Nach- trägen Cean’s zu seinem Diccionario (Akademie S. Fernando) findet sich eine Notiz aus D. Juan Francisco Andres, Obelisco histórico; danach waren im Vor- dergrund „varias figuras de hombres y mugeres en la variedad de los trages vizcainos guipuzcoanos roncaletes y provincianos“.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/166>, abgerufen am 23.04.2024.