Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch.
oder ihm eingegebenen Pläne auszuführen. "In dieser Stadt,
schreibt Sir Arthur Hopton am 20. Juli 1638, ist kein Stück von
irgend welchem Werth das der König nicht nimmt und sehr gut
bezahlt"; aber man wusste dort wohl, dass Madrid ein sehr be-
scheidener Markt war im Vergleich mit Venedig und Rom. Hier
knüpfte Velazquez an.

"Seine Majestät, schreibt Jusepe Martinez1), eröffnete ihm
eines Tages, dass sie eine Galerie mit Gemälden zu gründen
gedenke, für die er Meister suchen und die besten auswählen
solle". -- Ew. Majestät, erwiderte er, darf keine Bilder haben, die
Jedermann haben kann. -- "Wie wäre das anzufangen?" -- Ich
erdreiste mich, o Herr, wenn E. M. mir Urlaub gewährt, nach
Rom und Venedig zu gehn, und alldort die besten Bilder zu
suchen und zu erhandeln, von Tizian, Paolo Veronese, Bassano,
Raphael Urbinas, Parmesano und ähnlichen. Denn es giebt wenig
Fürsten, welche Gemälde dieser Meister besitzen, und am wenig-
sten in solcher Zahl, wie sie E. M. durch meinen Eifer bekommen
wird".

Um aber jene königlichen Gemächer zu wahren Kunst-
tempeln nach italienischen Mustern umzuschaffen, dazu gehörten
auch Statuen. "Es werde nötig sein, die unteren Zimmer (piezas
bajas
) mit antiken Bildwerken zu schmücken. Die welche man
nicht haben könne, werde man abformen und (die Formen) nach
Spanien bringen, um sie dann so vollkommen als möglich aus-
zugiessen."

Bis dahin hatte das Schloss nur weniges der Art aufzu-
weisen; das Inventar von 1636 giebt am Schluss die Zahl von
58 Statuen, von denen nur ein Theil namhaft gemacht wird: die
im "Garten der Kaiser" nebst Gang und Gewölbe aufgestellten;
zwölf Bronzestatuetten von Kaisern mit silbernen Lorbeer-
kränzen; drei Pferde im Bibliotheksthurm. Das Inventar Philipp II
enthält 117 plastische Werke, darunter 32 sicher moderne; die
übrigen waren meist Porträtbüsten, nur vier Statuen2); sie sind
zum Theil für die Gärten von Aranjuez und Buen Retiro ver-
wandt worden, wo Ponz noch viele sah (Viage VI, 133).

Am zweiten März 1647 hatte Velazquez den Posten eines
Inspectors und Zahlmeisters des Baus des achteckigen Saals
erhalten. Dieser Saal lag über dem Hauptthor und der neuen

1) Discursos practicables S. 118.
2) E. Hübner, Die antiken Bilderwerke in Madrid. Berlin 1862. S. 6 ff.

Sechstes Buch.
oder ihm eingegebenen Pläne auszuführen. „In dieser Stadt,
schreibt Sir Arthur Hopton am 20. Juli 1638, ist kein Stück von
irgend welchem Werth das der König nicht nimmt und sehr gut
bezahlt“; aber man wusste dort wohl, dass Madrid ein sehr be-
scheidener Markt war im Vergleich mit Venedig und Rom. Hier
knüpfte Velazquez an.

„Seine Majestät, schreibt Jusepe Martinez1), eröffnete ihm
eines Tages, dass sie eine Galerie mit Gemälden zu gründen
gedenke, für die er Meister suchen und die besten auswählen
solle“. — Ew. Majestät, erwiderte er, darf keine Bilder haben, die
Jedermann haben kann. — „Wie wäre das anzufangen?“ — Ich
erdreiste mich, o Herr, wenn E. M. mir Urlaub gewährt, nach
Rom und Venedig zu gehn, und alldort die besten Bilder zu
suchen und zu erhandeln, von Tizian, Paolo Veronese, Bassano,
Raphael Urbinas, Parmesano und ähnlichen. Denn es giebt wenig
Fürsten, welche Gemälde dieser Meister besitzen, und am wenig-
sten in solcher Zahl, wie sie E. M. durch meinen Eifer bekommen
wird“.

Um aber jene königlichen Gemächer zu wahren Kunst-
tempeln nach italienischen Mustern umzuschaffen, dazu gehörten
auch Statuen. „Es werde nötig sein, die unteren Zimmer (piezas
bajas
) mit antiken Bildwerken zu schmücken. Die welche man
nicht haben könne, werde man abformen und (die Formen) nach
Spanien bringen, um sie dann so vollkommen als möglich aus-
zugiessen.“

Bis dahin hatte das Schloss nur weniges der Art aufzu-
weisen; das Inventar von 1636 giebt am Schluss die Zahl von
58 Statuen, von denen nur ein Theil namhaft gemacht wird: die
im „Garten der Kaiser“ nebst Gang und Gewölbe aufgestellten;
zwölf Bronzestatuetten von Kaisern mit silbernen Lorbeer-
kränzen; drei Pferde im Bibliotheksthurm. Das Inventar Philipp II
enthält 117 plastische Werke, darunter 32 sicher moderne; die
übrigen waren meist Porträtbüsten, nur vier Statuen2); sie sind
zum Theil für die Gärten von Aranjuez und Buen Retiro ver-
wandt worden, wo Ponz noch viele sah (Viage VI, 133).

Am zweiten März 1647 hatte Velazquez den Posten eines
Inspectors und Zahlmeisters des Baus des achteckigen Saals
erhalten. Dieser Saal lag über dem Hauptthor und der neuen

1) Discursos practicables S. 118.
2) E. Hübner, Die antiken Bilderwerke in Madrid. Berlin 1862. S. 6 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0174" n="154"/><fw place="top" type="header">Sechstes Buch.</fw><lb/>
oder ihm eingegebenen Pläne auszuführen. &#x201E;In dieser Stadt,<lb/>
schreibt Sir Arthur Hopton am 20. Juli 1638, ist kein Stück von<lb/>
irgend welchem Werth das der König nicht nimmt und sehr gut<lb/>
bezahlt&#x201C;; aber man wusste dort wohl, dass Madrid ein sehr be-<lb/>
scheidener Markt war im Vergleich mit Venedig und Rom. Hier<lb/>
knüpfte Velazquez an.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Seine Majestät, schreibt Jusepe Martinez<note place="foot" n="1)">Discursos practicables S. 118.</note>, eröffnete ihm<lb/>
eines Tages, dass sie eine Galerie mit Gemälden zu gründen<lb/>
gedenke, für die er Meister suchen und die besten auswählen<lb/>
solle&#x201C;. &#x2014; Ew. Majestät, erwiderte er, darf keine Bilder haben, die<lb/>
Jedermann haben kann. &#x2014; &#x201E;Wie wäre das anzufangen?&#x201C; &#x2014; Ich<lb/>
erdreiste mich, o Herr, wenn E. M. mir Urlaub gewährt, nach<lb/>
Rom und Venedig zu gehn, und alldort die besten Bilder zu<lb/>
suchen und zu erhandeln, von Tizian, Paolo Veronese, Bassano,<lb/>
Raphael Urbinas, Parmesano und ähnlichen. Denn es giebt wenig<lb/>
Fürsten, welche Gemälde dieser Meister besitzen, und am wenig-<lb/>
sten in solcher Zahl, wie sie E. M. durch meinen Eifer bekommen<lb/>
wird&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Um aber jene königlichen Gemächer zu wahren Kunst-<lb/>
tempeln nach italienischen Mustern umzuschaffen, dazu gehörten<lb/>
auch Statuen. &#x201E;Es werde nötig sein, die unteren Zimmer (<hi rendition="#i">piezas<lb/>
bajas</hi>) mit antiken Bildwerken zu schmücken. Die welche man<lb/>
nicht haben könne, werde man abformen und (die Formen) nach<lb/>
Spanien bringen, um sie dann so vollkommen als möglich aus-<lb/>
zugiessen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Bis dahin hatte das Schloss nur weniges der Art aufzu-<lb/>
weisen; das Inventar von 1636 giebt am Schluss die Zahl von<lb/>
58 Statuen, von denen nur ein Theil namhaft gemacht wird: die<lb/>
im &#x201E;Garten der Kaiser&#x201C; nebst Gang und Gewölbe aufgestellten;<lb/>
zwölf Bronzestatuetten von Kaisern mit silbernen Lorbeer-<lb/>
kränzen; drei Pferde im Bibliotheksthurm. Das Inventar Philipp II<lb/>
enthält 117 plastische Werke, darunter 32 sicher moderne; die<lb/>
übrigen waren meist Porträtbüsten, nur vier Statuen<note place="foot" n="2)">E. Hübner, Die antiken Bilderwerke in Madrid. Berlin 1862. S. 6 ff.</note>; sie sind<lb/>
zum Theil für die Gärten von Aranjuez und Buen Retiro ver-<lb/>
wandt worden, wo Ponz noch viele sah (Viage VI, 133).</p><lb/>
          <p>Am zweiten März 1647 hatte Velazquez den Posten eines<lb/>
Inspectors und Zahlmeisters des Baus des achteckigen Saals<lb/>
erhalten. Dieser Saal lag über dem Hauptthor und der neuen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0174] Sechstes Buch. oder ihm eingegebenen Pläne auszuführen. „In dieser Stadt, schreibt Sir Arthur Hopton am 20. Juli 1638, ist kein Stück von irgend welchem Werth das der König nicht nimmt und sehr gut bezahlt“; aber man wusste dort wohl, dass Madrid ein sehr be- scheidener Markt war im Vergleich mit Venedig und Rom. Hier knüpfte Velazquez an. „Seine Majestät, schreibt Jusepe Martinez 1), eröffnete ihm eines Tages, dass sie eine Galerie mit Gemälden zu gründen gedenke, für die er Meister suchen und die besten auswählen solle“. — Ew. Majestät, erwiderte er, darf keine Bilder haben, die Jedermann haben kann. — „Wie wäre das anzufangen?“ — Ich erdreiste mich, o Herr, wenn E. M. mir Urlaub gewährt, nach Rom und Venedig zu gehn, und alldort die besten Bilder zu suchen und zu erhandeln, von Tizian, Paolo Veronese, Bassano, Raphael Urbinas, Parmesano und ähnlichen. Denn es giebt wenig Fürsten, welche Gemälde dieser Meister besitzen, und am wenig- sten in solcher Zahl, wie sie E. M. durch meinen Eifer bekommen wird“. Um aber jene königlichen Gemächer zu wahren Kunst- tempeln nach italienischen Mustern umzuschaffen, dazu gehörten auch Statuen. „Es werde nötig sein, die unteren Zimmer (piezas bajas) mit antiken Bildwerken zu schmücken. Die welche man nicht haben könne, werde man abformen und (die Formen) nach Spanien bringen, um sie dann so vollkommen als möglich aus- zugiessen.“ Bis dahin hatte das Schloss nur weniges der Art aufzu- weisen; das Inventar von 1636 giebt am Schluss die Zahl von 58 Statuen, von denen nur ein Theil namhaft gemacht wird: die im „Garten der Kaiser“ nebst Gang und Gewölbe aufgestellten; zwölf Bronzestatuetten von Kaisern mit silbernen Lorbeer- kränzen; drei Pferde im Bibliotheksthurm. Das Inventar Philipp II enthält 117 plastische Werke, darunter 32 sicher moderne; die übrigen waren meist Porträtbüsten, nur vier Statuen 2); sie sind zum Theil für die Gärten von Aranjuez und Buen Retiro ver- wandt worden, wo Ponz noch viele sah (Viage VI, 133). Am zweiten März 1647 hatte Velazquez den Posten eines Inspectors und Zahlmeisters des Baus des achteckigen Saals erhalten. Dieser Saal lag über dem Hauptthor und der neuen 1) Discursos practicables S. 118. 2) E. Hübner, Die antiken Bilderwerke in Madrid. Berlin 1862. S. 6 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/174
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/174>, abgerufen am 23.04.2024.