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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Beziehungen zu Roms Künstlern.
des Künstlers über seine Gegner zu siegen. Bei Capo di Bove
(der Cäcilia Metella) lag seit einem Jahrtausend der Obelisk des
Caracallacirkus von rothem Granit, in vier Stücke zerbrochen.
Der hochgesinnteste und weiseste Kunstfreund seiner Zeit, Sir
Thomas Arundel, hatte schon den Plan gehabt, ihn nach Eng-
land zu schaffen. Jetzt beschloss Innocenz, ihn auf seine Piazza
Navona zu versetzen und zum Mittelpunkt eines grossen Brunnen-
baus zu machen. Im August 1648 war er von Büffeln an Ort
und Stelle gezogen worden. Eine Wettbewerbung fand statt;
Bernini wurde übergangen. Aber Niccolo Ludovisi, der Gemahl
der Nichte des Pabstes Constanza, beredete den Bildhauer,
dennoch ein Modell anzufertigen. Am Tag der Verkündigung
Mariä, wo Innocenz X nach der grossen Cavalcade zur Kirche
der Minerva sich in den Familienpalast begab, wurde es in einem
Zimmer aufgestellt. Dort fand er es beim Durchgehn, in Be-
gleitung der Da. Olimpia und des Cardinalnepoten. Er blieb be-
troffen stehn, besah es von allen Seiten, und verharrte einige
Zeit in streitenden Gedanken. In diesem Augenblick entschied
sich Bernini's Schicksal. Er rief: "Das ist ein Streich vom Fürsten
Ludovisi! Ja diesen Bernini muss man wol gebrauchen, man mag
wollen oder nicht. Man darf eben seine Sachen nicht sehen,
wenn man sie nicht ausführen lassen will." Er liess den Bild-
hauer zu sich rufen, schüttete sein Herz aus, entschuldigte sich
fast. Er sollte nun jede Woche einmal zu ihm kommen; seine
Unterhaltung, sagte er einmal, sei für Fürsten. Vollends eroberte
er sich des alten Mannes Herz bei der Enthüllung (1651). Er
hatte das Werk mit Wolgefallen betrachtet, schliesslich aber
doch das Wasser vermisst. Schon im Begriff hinauszugehn,
dringt ein Tosen und Brausen zu seinem Ohr. Sich umdrehend,
sieht er die Wassermassen der Acqua Vergine hervorstürzen.
Ganz erschüttert rief er aus: "Mit dieser unverhofften Freude
habt Ihr zehn Jahre meinem Leben zugelegt!"

Zur vollen Wirkung des Werks gehörte eigentlich eines
jener Schauspiele des frühern Rom, wenn im Augustmond der
Platz in eine Naumachie verwandelt wurde, und die Karossen des
Adels im Wasser cirkulirten. Zwischen dem starren Steinpfeiler
vorweltlicher Kunst und der einfachen Linie des alten Cirkus
(die damals durch Correktur der Häuserflucht wieder rein her-
gestellt wurde), diesen Emblemen des Unveränderlichen, Ewigen,
hatte Bernini den mächtigsten Kontrast gesetzt in seinen vier
Flussgöttern, den Personifikationen der ewigen Bewegung der
Gewässer und des Lebens.

Beziehungen zu Roms Künstlern.
des Künstlers über seine Gegner zu siegen. Bei Capo di Bove
(der Cäcilia Metella) lag seit einem Jahrtausend der Obelisk des
Caracallacirkus von rothem Granit, in vier Stücke zerbrochen.
Der hochgesinnteste und weiseste Kunstfreund seiner Zeit, Sir
Thomas Arundel, hatte schon den Plan gehabt, ihn nach Eng-
land zu schaffen. Jetzt beschloss Innocenz, ihn auf seine Piazza
Navona zu versetzen und zum Mittelpunkt eines grossen Brunnen-
baus zu machen. Im August 1648 war er von Büffeln an Ort
und Stelle gezogen worden. Eine Wettbewerbung fand statt;
Bernini wurde übergangen. Aber Niccolò Ludovisi, der Gemahl
der Nichte des Pabstes Constanza, beredete den Bildhauer,
dennoch ein Modell anzufertigen. Am Tag der Verkündigung
Mariä, wo Innocenz X nach der grossen Cavalcade zur Kirche
der Minerva sich in den Familienpalast begab, wurde es in einem
Zimmer aufgestellt. Dort fand er es beim Durchgehn, in Be-
gleitung der Da. Olimpia und des Cardinalnepoten. Er blieb be-
troffen stehn, besah es von allen Seiten, und verharrte einige
Zeit in streitenden Gedanken. In diesem Augenblick entschied
sich Bernini’s Schicksal. Er rief: „Das ist ein Streich vom Fürsten
Ludovisi! Ja diesen Bernini muss man wol gebrauchen, man mag
wollen oder nicht. Man darf eben seine Sachen nicht sehen,
wenn man sie nicht ausführen lassen will.“ Er liess den Bild-
hauer zu sich rufen, schüttete sein Herz aus, entschuldigte sich
fast. Er sollte nun jede Woche einmal zu ihm kommen; seine
Unterhaltung, sagte er einmal, sei für Fürsten. Vollends eroberte
er sich des alten Mannes Herz bei der Enthüllung (1651). Er
hatte das Werk mit Wolgefallen betrachtet, schliesslich aber
doch das Wasser vermisst. Schon im Begriff hinauszugehn,
dringt ein Tosen und Brausen zu seinem Ohr. Sich umdrehend,
sieht er die Wassermassen der Acqua Vergine hervorstürzen.
Ganz erschüttert rief er aus: „Mit dieser unverhofften Freude
habt Ihr zehn Jahre meinem Leben zugelegt!“

Zur vollen Wirkung des Werks gehörte eigentlich eines
jener Schauspiele des frühern Rom, wenn im Augustmond der
Platz in eine Naumachie verwandelt wurde, und die Karossen des
Adels im Wasser cirkulirten. Zwischen dem starren Steinpfeiler
vorweltlicher Kunst und der einfachen Linie des alten Cirkus
(die damals durch Correktur der Häuserflucht wieder rein her-
gestellt wurde), diesen Emblemen des Unveränderlichen, Ewigen,
hatte Bernini den mächtigsten Kontrast gesetzt in seinen vier
Flussgöttern, den Personifikationen der ewigen Bewegung der
Gewässer und des Lebens.

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[173/0193] Beziehungen zu Roms Künstlern. des Künstlers über seine Gegner zu siegen. Bei Capo di Bove (der Cäcilia Metella) lag seit einem Jahrtausend der Obelisk des Caracallacirkus von rothem Granit, in vier Stücke zerbrochen. Der hochgesinnteste und weiseste Kunstfreund seiner Zeit, Sir Thomas Arundel, hatte schon den Plan gehabt, ihn nach Eng- land zu schaffen. Jetzt beschloss Innocenz, ihn auf seine Piazza Navona zu versetzen und zum Mittelpunkt eines grossen Brunnen- baus zu machen. Im August 1648 war er von Büffeln an Ort und Stelle gezogen worden. Eine Wettbewerbung fand statt; Bernini wurde übergangen. Aber Niccolò Ludovisi, der Gemahl der Nichte des Pabstes Constanza, beredete den Bildhauer, dennoch ein Modell anzufertigen. Am Tag der Verkündigung Mariä, wo Innocenz X nach der grossen Cavalcade zur Kirche der Minerva sich in den Familienpalast begab, wurde es in einem Zimmer aufgestellt. Dort fand er es beim Durchgehn, in Be- gleitung der Da. Olimpia und des Cardinalnepoten. Er blieb be- troffen stehn, besah es von allen Seiten, und verharrte einige Zeit in streitenden Gedanken. In diesem Augenblick entschied sich Bernini’s Schicksal. Er rief: „Das ist ein Streich vom Fürsten Ludovisi! Ja diesen Bernini muss man wol gebrauchen, man mag wollen oder nicht. Man darf eben seine Sachen nicht sehen, wenn man sie nicht ausführen lassen will.“ Er liess den Bild- hauer zu sich rufen, schüttete sein Herz aus, entschuldigte sich fast. Er sollte nun jede Woche einmal zu ihm kommen; seine Unterhaltung, sagte er einmal, sei für Fürsten. Vollends eroberte er sich des alten Mannes Herz bei der Enthüllung (1651). Er hatte das Werk mit Wolgefallen betrachtet, schliesslich aber doch das Wasser vermisst. Schon im Begriff hinauszugehn, dringt ein Tosen und Brausen zu seinem Ohr. Sich umdrehend, sieht er die Wassermassen der Acqua Vergine hervorstürzen. Ganz erschüttert rief er aus: „Mit dieser unverhofften Freude habt Ihr zehn Jahre meinem Leben zugelegt!“ Zur vollen Wirkung des Werks gehörte eigentlich eines jener Schauspiele des frühern Rom, wenn im Augustmond der Platz in eine Naumachie verwandelt wurde, und die Karossen des Adels im Wasser cirkulirten. Zwischen dem starren Steinpfeiler vorweltlicher Kunst und der einfachen Linie des alten Cirkus (die damals durch Correktur der Häuserflucht wieder rein her- gestellt wurde), diesen Emblemen des Unveränderlichen, Ewigen, hatte Bernini den mächtigsten Kontrast gesetzt in seinen vier Flussgöttern, den Personifikationen der ewigen Bewegung der Gewässer und des Lebens.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/193>, abgerufen am 29.03.2024.