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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
des Alcazar (1734) soll es gelitten haben und von Juan de Miranda
restaurirt worden sein; die Haltung ist dadurch vielleicht etwas
dunkler geworden.

Die Familie des Malers.

Wir sind so glücklich, auch ein Familienbild des Malers zu
besitzen, das zugleich in sein Atelier im Schloss einen Blick ge-
stattet. Das Gemälde hat bis in die letzten Jahre für ein Haupt-
werk des Velazquez gegolten. Stirling nannte es eines der
wichtigsten Werke des Meisters ausserhalb Spaniens; Viardot
fast so umfassend (vaste) und vorzüglich wie das, welches Luca
Giordano die Theologie der Malerei nannte. Auch die welche
seine Originale in Madrid seit Jahren kannten, haben es nicht
beanstandet. Clement de Ris jedoch erinnerte sich "wenige
gesehn zu haben, die so schwach seien, bei einem Maler, der
sonst wie kaum ein andrer sich stets gleich bleibt."

Die Entstehungszeit und Wandergeschichte dieses merkwür-
digen Bildes ist völlig dunkel; in spanischen Papieren fand sich
bis jetzt keine Spur. Im Jahre 1800 taucht es zuerst auf unter
einer Collection von 41 sonst werthlosen Bildern, die aus Italien,
über Ferrara, dem K. K. Galeriedirector Rossi zugeschickt wur-
den 1). Es hiess schon damals, wohl nach alter Ueberlieferung,
die Familie des Velazquez.

Im Vordergrund stehn, in einer von links nach rechts
herabsteigenden Linie neun Personen, darunter fünf Kinder,
diese wie sie folgen nach Alter und Grösse, wie Orgelpfeifen;
die Scheitellinie der Gruppen beschreibt also eine Diago-
nale. Zuerst, noch im Schatten eines grünen Thürvorhangs, als
eintretender Besuch, zwei junge Männer, der eine den breiten
Hut in der Hand, mit einer jungen Dame in hellgrauem, waage-
recht ausgeschnittenem Kleid und runder Mütze mit rother Feder.
Neben ihr steht ein mitgekommner Knabe von etwa zehn Jahren,
in schwarzer Gala mit golilla, seine edlen Züge, die an Velaz-
quez erinnern, von schwermüthigem Ernst.

Darauf folgen vier Knaben gruppirt um eine sitzende Frau.
Dem ersten, in hohen hellen Lederstiefeln, grauem Wams und

1) v. Lützow, die Galerie des Belvedere, mit trefflicher Radirung von W. Unger.
E. v. Engerth, Katalog S. 443 f. Die Farbe war hier und da abgesprungen, sonst
hat das Bild wenig gelitten.

Siebentes Buch.
des Alcazar (1734) soll es gelitten haben und von Juan de Miranda
restaurirt worden sein; die Haltung ist dadurch vielleicht etwas
dunkler geworden.

Die Familie des Malers.

Wir sind so glücklich, auch ein Familienbild des Malers zu
besitzen, das zugleich in sein Atelier im Schloss einen Blick ge-
stattet. Das Gemälde hat bis in die letzten Jahre für ein Haupt-
werk des Velazquez gegolten. Stirling nannte es eines der
wichtigsten Werke des Meisters ausserhalb Spaniens; Viardot
fast so umfassend (vaste) und vorzüglich wie das, welches Luca
Giordano die Theologie der Malerei nannte. Auch die welche
seine Originale in Madrid seit Jahren kannten, haben es nicht
beanstandet. Clément de Ris jedoch erinnerte sich „wenige
gesehn zu haben, die so schwach seien, bei einem Maler, der
sonst wie kaum ein andrer sich stets gleich bleibt.“

Die Entstehungszeit und Wandergeschichte dieses merkwür-
digen Bildes ist völlig dunkel; in spanischen Papieren fand sich
bis jetzt keine Spur. Im Jahre 1800 taucht es zuerst auf unter
einer Collection von 41 sonst werthlosen Bildern, die aus Italien,
über Ferrara, dem K. K. Galeriedirector Rossi zugeschickt wur-
den 1). Es hiess schon damals, wohl nach alter Ueberlieferung,
die Familie des Velazquez.

Im Vordergrund stehn, in einer von links nach rechts
herabsteigenden Linie neun Personen, darunter fünf Kinder,
diese wie sie folgen nach Alter und Grösse, wie Orgelpfeifen;
die Scheitellinie der Gruppen beschreibt also eine Diago-
nale. Zuerst, noch im Schatten eines grünen Thürvorhangs, als
eintretender Besuch, zwei junge Männer, der eine den breiten
Hut in der Hand, mit einer jungen Dame in hellgrauem, waage-
recht ausgeschnittenem Kleid und runder Mütze mit rother Feder.
Neben ihr steht ein mitgekommner Knabe von etwa zehn Jahren,
in schwarzer Gala mit golilla, seine edlen Züge, die an Velaz-
quez erinnern, von schwermüthigem Ernst.

Darauf folgen vier Knaben gruppirt um eine sitzende Frau.
Dem ersten, in hohen hellen Lederstiefeln, grauem Wams und

1) v. Lützow, die Galerie des Belvedere, mit trefflicher Radirung von W. Unger.
E. v. Engerth, Katalog S. 443 f. Die Farbe war hier und da abgesprungen, sonst
hat das Bild wenig gelitten.
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[320/0342] Siebentes Buch. des Alcazar (1734) soll es gelitten haben und von Juan de Miranda restaurirt worden sein; die Haltung ist dadurch vielleicht etwas dunkler geworden. Die Familie des Malers. Wir sind so glücklich, auch ein Familienbild des Malers zu besitzen, das zugleich in sein Atelier im Schloss einen Blick ge- stattet. Das Gemälde hat bis in die letzten Jahre für ein Haupt- werk des Velazquez gegolten. Stirling nannte es eines der wichtigsten Werke des Meisters ausserhalb Spaniens; Viardot fast so umfassend (vaste) und vorzüglich wie das, welches Luca Giordano die Theologie der Malerei nannte. Auch die welche seine Originale in Madrid seit Jahren kannten, haben es nicht beanstandet. Clément de Ris jedoch erinnerte sich „wenige gesehn zu haben, die so schwach seien, bei einem Maler, der sonst wie kaum ein andrer sich stets gleich bleibt.“ Die Entstehungszeit und Wandergeschichte dieses merkwür- digen Bildes ist völlig dunkel; in spanischen Papieren fand sich bis jetzt keine Spur. Im Jahre 1800 taucht es zuerst auf unter einer Collection von 41 sonst werthlosen Bildern, die aus Italien, über Ferrara, dem K. K. Galeriedirector Rossi zugeschickt wur- den 1). Es hiess schon damals, wohl nach alter Ueberlieferung, die Familie des Velazquez. Im Vordergrund stehn, in einer von links nach rechts herabsteigenden Linie neun Personen, darunter fünf Kinder, diese wie sie folgen nach Alter und Grösse, wie Orgelpfeifen; die Scheitellinie der Gruppen beschreibt also eine Diago- nale. Zuerst, noch im Schatten eines grünen Thürvorhangs, als eintretender Besuch, zwei junge Männer, der eine den breiten Hut in der Hand, mit einer jungen Dame in hellgrauem, waage- recht ausgeschnittenem Kleid und runder Mütze mit rother Feder. Neben ihr steht ein mitgekommner Knabe von etwa zehn Jahren, in schwarzer Gala mit golilla, seine edlen Züge, die an Velaz- quez erinnern, von schwermüthigem Ernst. Darauf folgen vier Knaben gruppirt um eine sitzende Frau. Dem ersten, in hohen hellen Lederstiefeln, grauem Wams und 1) v. Lützow, die Galerie des Belvedere, mit trefflicher Radirung von W. Unger. E. v. Engerth, Katalog S. 443 f. Die Farbe war hier und da abgesprungen, sonst hat das Bild wenig gelitten.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/342>, abgerufen am 29.03.2024.