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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Frauenbildnisse.

Die herabhängende Linke hält den geschlossenen Fächer;
hier ist eine zuerst beabsichtigte Ausbiegung des Handgelenks
flüchtig zugedeckt worden, ohne das Glied aber weiter umzu-
modelliren; es erscheint etwas formlos.

Ihr Putz übertrifft an Kostbarkeit selbst mehrere fürstliche
Damenconterfeis, ohne jedoch auffallend zu sein: "reich, nicht
bunt". Den obersten Platz nimmt eine Diamantrose ein, über
der rechten Schläfe ins Haar gesteckt; das Ohrgehänge besteht
aus drei grossen Perlen; Perlenhalsband. An die Stelle der
Tellerkrause oder lechuguilla, die übrigens hier als horizontales
Element zwischen den vielen aufsteigenden Linien gut wirken
würde, ist ein sehr bescheidener, flacher Kragen getreten, ein
Gegenstück der männlichen golilla. Sie trägt ein schwarzes, ge-
blümtes Sammetkleid; die Unterärmel und der hohe Kragen sind
von blauem, golddurchwirktem Stoff mit goldenen Sternen;
letzterer ausserdem mit Goldspitzen gesäumt.

Darüber legt sich eine lange schwere, aus rosettenartigen
Gliedern gebildete Goldkette, die einen stattlichen Schmuck von
Gagat (azabache) trägt. An dem Zeige- und kleinen Finger der
Linken und an der Rechten stecken drei Ringe mit grossen,
ebenfalls rosettenartig umkränzten Steinen.

Die Grundirung ist, wie meist, weiss, mit einem Stich ins
Bläuliche. Darauf ist das Ganze hergestellt in drei Noten, dem
hellen, sehr wahren Fleischton mit dünnem, durchsichtigem Braun
für die schmalen Schatten, Haare und Augen; dem Schwarz
(und Blau) des Kleides und dem hellgrauen Grund. Besonders
die braunen Schatten führen auf die dreissiger Jahre, sie finden
sich auch in dem Bildniss des Montannes und in dem Dresdener
Unbekannten (I, 396).

Auf der Rückseite der Leinwand, die aber jetzt auf eine
neue Leinwand gezogen ist, soll in alter Handschrift der Name
Joana de Miranda stehen. Diess ist der Name der Frau des
Malers. Nichts spricht dagegen, wenn nicht vielleicht das reiche
Kostüm. Sollte der Hofmaler, dessen Gehalt damals noch be-
scheiden war und mehr als unregelmässig ausgezahlt, auch durch
Nebenverdienst aus Honoraren für Private wenig aufgebessert
wurde, im Stande gewesen sein, der Tochter des Malers Pacheco
solche Perlenbänder und Goldketten zu verehren? Die gleiche
Benennung der Sibylle und der Frau im Vordergrunde des
Wiener Familienbildes (die auch die Tochter Francisca sein kann)
ist übrigens durch nichts erwiesen; Beide haben mit unserer

Frauenbildnisse.

Die herabhängende Linke hält den geschlossenen Fächer;
hier ist eine zuerst beabsichtigte Ausbiegung des Handgelenks
flüchtig zugedeckt worden, ohne das Glied aber weiter umzu-
modelliren; es erscheint etwas formlos.

Ihr Putz übertrifft an Kostbarkeit selbst mehrere fürstliche
Damenconterfeis, ohne jedoch auffallend zu sein: „reich, nicht
bunt“. Den obersten Platz nimmt eine Diamantrose ein, über
der rechten Schläfe ins Haar gesteckt; das Ohrgehänge besteht
aus drei grossen Perlen; Perlenhalsband. An die Stelle der
Tellerkrause oder lechuguilla, die übrigens hier als horizontales
Element zwischen den vielen aufsteigenden Linien gut wirken
würde, ist ein sehr bescheidener, flacher Kragen getreten, ein
Gegenstück der männlichen golilla. Sie trägt ein schwarzes, ge-
blümtes Sammetkleid; die Unterärmel und der hohe Kragen sind
von blauem, golddurchwirktem Stoff mit goldenen Sternen;
letzterer ausserdem mit Goldspitzen gesäumt.

Darüber legt sich eine lange schwere, aus rosettenartigen
Gliedern gebildete Goldkette, die einen stattlichen Schmuck von
Gagat (azabache) trägt. An dem Zeige- und kleinen Finger der
Linken und an der Rechten stecken drei Ringe mit grossen,
ebenfalls rosettenartig umkränzten Steinen.

Die Grundirung ist, wie meist, weiss, mit einem Stich ins
Bläuliche. Darauf ist das Ganze hergestellt in drei Noten, dem
hellen, sehr wahren Fleischton mit dünnem, durchsichtigem Braun
für die schmalen Schatten, Haare und Augen; dem Schwarz
(und Blau) des Kleides und dem hellgrauen Grund. Besonders
die braunen Schatten führen auf die dreissiger Jahre, sie finden
sich auch in dem Bildniss des Montañes und in dem Dresdener
Unbekannten (I, 396).

Auf der Rückseite der Leinwand, die aber jetzt auf eine
neue Leinwand gezogen ist, soll in alter Handschrift der Name
Joana de Miranda stehen. Diess ist der Name der Frau des
Malers. Nichts spricht dagegen, wenn nicht vielleicht das reiche
Kostüm. Sollte der Hofmaler, dessen Gehalt damals noch be-
scheiden war und mehr als unregelmässig ausgezahlt, auch durch
Nebenverdienst aus Honoraren für Private wenig aufgebessert
wurde, im Stande gewesen sein, der Tochter des Malers Pacheco
solche Perlenbänder und Goldketten zu verehren? Die gleiche
Benennung der Sibylle und der Frau im Vordergrunde des
Wiener Familienbildes (die auch die Tochter Francisca sein kann)
ist übrigens durch nichts erwiesen; Beide haben mit unserer

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[29/0049] Frauenbildnisse. Die herabhängende Linke hält den geschlossenen Fächer; hier ist eine zuerst beabsichtigte Ausbiegung des Handgelenks flüchtig zugedeckt worden, ohne das Glied aber weiter umzu- modelliren; es erscheint etwas formlos. Ihr Putz übertrifft an Kostbarkeit selbst mehrere fürstliche Damenconterfeis, ohne jedoch auffallend zu sein: „reich, nicht bunt“. Den obersten Platz nimmt eine Diamantrose ein, über der rechten Schläfe ins Haar gesteckt; das Ohrgehänge besteht aus drei grossen Perlen; Perlenhalsband. An die Stelle der Tellerkrause oder lechuguilla, die übrigens hier als horizontales Element zwischen den vielen aufsteigenden Linien gut wirken würde, ist ein sehr bescheidener, flacher Kragen getreten, ein Gegenstück der männlichen golilla. Sie trägt ein schwarzes, ge- blümtes Sammetkleid; die Unterärmel und der hohe Kragen sind von blauem, golddurchwirktem Stoff mit goldenen Sternen; letzterer ausserdem mit Goldspitzen gesäumt. Darüber legt sich eine lange schwere, aus rosettenartigen Gliedern gebildete Goldkette, die einen stattlichen Schmuck von Gagat (azabache) trägt. An dem Zeige- und kleinen Finger der Linken und an der Rechten stecken drei Ringe mit grossen, ebenfalls rosettenartig umkränzten Steinen. Die Grundirung ist, wie meist, weiss, mit einem Stich ins Bläuliche. Darauf ist das Ganze hergestellt in drei Noten, dem hellen, sehr wahren Fleischton mit dünnem, durchsichtigem Braun für die schmalen Schatten, Haare und Augen; dem Schwarz (und Blau) des Kleides und dem hellgrauen Grund. Besonders die braunen Schatten führen auf die dreissiger Jahre, sie finden sich auch in dem Bildniss des Montañes und in dem Dresdener Unbekannten (I, 396). Auf der Rückseite der Leinwand, die aber jetzt auf eine neue Leinwand gezogen ist, soll in alter Handschrift der Name Joana de Miranda stehen. Diess ist der Name der Frau des Malers. Nichts spricht dagegen, wenn nicht vielleicht das reiche Kostüm. Sollte der Hofmaler, dessen Gehalt damals noch be- scheiden war und mehr als unregelmässig ausgezahlt, auch durch Nebenverdienst aus Honoraren für Private wenig aufgebessert wurde, im Stande gewesen sein, der Tochter des Malers Pacheco solche Perlenbänder und Goldketten zu verehren? Die gleiche Benennung der Sibylle und der Frau im Vordergrunde des Wiener Familienbildes (die auch die Tochter Francisca sein kann) ist übrigens durch nichts erwiesen; Beide haben mit unserer

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/49>, abgerufen am 29.03.2024.