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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Sieb. Kap. Genaue Nachricht vom Handel der Holländer in Japan.
Spionen gebraucht, wie auch als Aufseher beim Ein- und Auskaden der Schiffe, beim
Hin- und Herfahren der Matrosen und andrer Holländer, bei Untersuchung der ankommenden
und abgehenden Kisten u. s. w. Sie erhalten| für diese Bemühungen noch jährlich insgesamt
von der edlen Compagnie eine Belohnung von 40 Tails, haben auch ihren Antheil am Kost-
gelde und einigen andern Accidentien.

Hierauf folgt nun die ganze Schaar der Noi Tsjusi, welches nach dem Buchsta-
ben innere oder Kammerdolmetscher bedeutet, weil sie einem und dem andern Ausländer
innerhalb des Hauses dienen müssen. Sie dürfen unsre Jnsel nur zur Handelszeit, wenn
sie vorher unsren Glauben und alle Gemeinschaft mit uns nochmals abgeschworen haben,
besuchen, welche Erlaubnis ihnen vom Ottona in einem besonders gestempelten Freibriefe er-
theilt wird. Von diesen Leuten bekömt nun jeder Holländer zwei oder mehr bis sechs in seine
Kammer unter dem Namen von Dolmetscher. Sie sind in der That wahre Spions und
Beobachter aller unsrer Handlungen. Denn unter zehn versteht kaum einer ein Wort von
unsrer Sprache, welcher überhaupt nur diejenigen kundig sind, die schon vorher als Auf-
wartsjungen bei den Holländern gedient haben.

Dieser Naitsjusi sind überhaupt über hundert, welche unter dem Befehl der
Oberdolmetscher und besonders des Ninban stehn. Sie sind, so wie alle andre Bediente,
engere Corporationen und Zünfte dieses Reichs, in verschiedne Klassen und Rangordnungen
abgetheilt, deren folgende sind:

1) Zwölf Ko Gasjira d. i. nach dem Buchstaben, kleine Häupter, nemlich
der übrigen Schaar. Unter ihnen sind zwei Ninban oder Präsidenten, welche ein Jahr
ums andre im Range abwechseln, und das Präsidium führen. Diesem müssen alle Vor-
fälle gemeldet werden, die er dann wieder an das Collegium der Oberdolmetscher berichtet.
2) Kumi Gasjira d. i. der Zunft Häupter, nemlich der gemeinen übrigen
Leute dieser Art. Jeder hat neun bis zehn von denen in der Stadt zunächst an ihn wohnen-
den Naitsjusi unter sich, denen er im Namen der Obern die sie angehende Befehle bekant
zu machen, ihnen sonst vorzuschreiben und vor sie gut zu sagen hat, so wie diese Untergebne
ihre Anliegen zuerst unmittelbar an die Kumi Gasjira zu bringen haben. Auch unter die-
sen sind zwei Ninbans, welche gleichfals jährlich in ihrem Amte abwechseln, und den Nin-
bans
der Ko Gasjira als Gehülfen beistehn müssen.

Der übrige gemeine Haufe dieser häuslichen Dolmetscher ist noch wohl achtzig bis
hundert Mann stark und besteht aus Personen von doppeltem Range. Die vom ersten hei-
ßen Dsio d. i. Vornehmere, welche den Vorzug und höhern Gehalt haben, als der Rest

dieses

Sieb. Kap. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan.
Spionen gebraucht, wie auch als Aufſeher beim Ein- und Auskaden der Schiffe, beim
Hin- und Herfahren der Matroſen und andrer Hollaͤnder, bei Unterſuchung der ankommenden
und abgehenden Kiſten u. ſ. w. Sie erhalten| fuͤr dieſe Bemuͤhungen noch jaͤhrlich insgeſamt
von der edlen Compagnie eine Belohnung von 40 Tails, haben auch ihren Antheil am Koſt-
gelde und einigen andern Accidentien.

Hierauf folgt nun die ganze Schaar der Noi Tſjuſi, welches nach dem Buchſta-
ben innere oder Kammerdolmetſcher bedeutet, weil ſie einem und dem andern Auslaͤnder
innerhalb des Hauſes dienen muͤſſen. Sie duͤrfen unſre Jnſel nur zur Handelszeit, wenn
ſie vorher unſren Glauben und alle Gemeinſchaft mit uns nochmals abgeſchworen haben,
beſuchen, welche Erlaubnis ihnen vom Ottona in einem beſonders geſtempelten Freibriefe er-
theilt wird. Von dieſen Leuten bekoͤmt nun jeder Hollaͤnder zwei oder mehr bis ſechs in ſeine
Kammer unter dem Namen von Dolmetſcher. Sie ſind in der That wahre Spions und
Beobachter aller unſrer Handlungen. Denn unter zehn verſteht kaum einer ein Wort von
unſrer Sprache, welcher uͤberhaupt nur diejenigen kundig ſind, die ſchon vorher als Auf-
wartsjungen bei den Hollaͤndern gedient haben.

Dieſer Naitſjuſi ſind uͤberhaupt uͤber hundert, welche unter dem Befehl der
Oberdolmetſcher und beſonders des Ninban ſtehn. Sie ſind, ſo wie alle andre Bediente,
engere Corporationen und Zuͤnfte dieſes Reichs, in verſchiedne Klaſſen und Rangordnungen
abgetheilt, deren folgende ſind:

1) Zwoͤlf Ko Gasjira d. i. nach dem Buchſtaben, kleine Haͤupter, nemlich
der uͤbrigen Schaar. Unter ihnen ſind zwei Ninban oder Praͤſidenten, welche ein Jahr
ums andre im Range abwechſeln, und das Praͤſidium fuͤhren. Dieſem muͤſſen alle Vor-
faͤlle gemeldet werden, die er dann wieder an das Collegium der Oberdolmetſcher berichtet.
2) Kumi Gasjira d. i. der Zunft Haͤupter, nemlich der gemeinen uͤbrigen
Leute dieſer Art. Jeder hat neun bis zehn von denen in der Stadt zunaͤchſt an ihn wohnen-
den Naitſjuſi unter ſich, denen er im Namen der Obern die ſie angehende Befehle bekant
zu machen, ihnen ſonſt vorzuſchreiben und vor ſie gut zu ſagen hat, ſo wie dieſe Untergebne
ihre Anliegen zuerſt unmittelbar an die Kumi Gasjira zu bringen haben. Auch unter die-
ſen ſind zwei Ninbans, welche gleichfals jaͤhrlich in ihrem Amte abwechſeln, und den Nin-
bans
der Ko Gasjira als Gehuͤlfen beiſtehn muͤſſen.

Der uͤbrige gemeine Haufe dieſer haͤuslichen Dolmetſcher iſt noch wohl achtzig bis
hundert Mann ſtark und beſteht aus Perſonen von doppeltem Range. Die vom erſten hei-
ßen Dſio d. i. Vornehmere, welche den Vorzug und hoͤhern Gehalt haben, als der Reſt

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[93/0107] Sieb. Kap. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan. Spionen gebraucht, wie auch als Aufſeher beim Ein- und Auskaden der Schiffe, beim Hin- und Herfahren der Matroſen und andrer Hollaͤnder, bei Unterſuchung der ankommenden und abgehenden Kiſten u. ſ. w. Sie erhalten| fuͤr dieſe Bemuͤhungen noch jaͤhrlich insgeſamt von der edlen Compagnie eine Belohnung von 40 Tails, haben auch ihren Antheil am Koſt- gelde und einigen andern Accidentien. Hierauf folgt nun die ganze Schaar der Noi Tſjuſi, welches nach dem Buchſta- ben innere oder Kammerdolmetſcher bedeutet, weil ſie einem und dem andern Auslaͤnder innerhalb des Hauſes dienen muͤſſen. Sie duͤrfen unſre Jnſel nur zur Handelszeit, wenn ſie vorher unſren Glauben und alle Gemeinſchaft mit uns nochmals abgeſchworen haben, beſuchen, welche Erlaubnis ihnen vom Ottona in einem beſonders geſtempelten Freibriefe er- theilt wird. Von dieſen Leuten bekoͤmt nun jeder Hollaͤnder zwei oder mehr bis ſechs in ſeine Kammer unter dem Namen von Dolmetſcher. Sie ſind in der That wahre Spions und Beobachter aller unſrer Handlungen. Denn unter zehn verſteht kaum einer ein Wort von unſrer Sprache, welcher uͤberhaupt nur diejenigen kundig ſind, die ſchon vorher als Auf- wartsjungen bei den Hollaͤndern gedient haben. Dieſer Naitſjuſi ſind uͤberhaupt uͤber hundert, welche unter dem Befehl der Oberdolmetſcher und beſonders des Ninban ſtehn. Sie ſind, ſo wie alle andre Bediente, engere Corporationen und Zuͤnfte dieſes Reichs, in verſchiedne Klaſſen und Rangordnungen abgetheilt, deren folgende ſind: 1) Zwoͤlf Ko Gasjira d. i. nach dem Buchſtaben, kleine Haͤupter, nemlich der uͤbrigen Schaar. Unter ihnen ſind zwei Ninban oder Praͤſidenten, welche ein Jahr ums andre im Range abwechſeln, und das Praͤſidium fuͤhren. Dieſem muͤſſen alle Vor- faͤlle gemeldet werden, die er dann wieder an das Collegium der Oberdolmetſcher berichtet. 2) Kumi Gasjira d. i. der Zunft Haͤupter, nemlich der gemeinen uͤbrigen Leute dieſer Art. Jeder hat neun bis zehn von denen in der Stadt zunaͤchſt an ihn wohnen- den Naitſjuſi unter ſich, denen er im Namen der Obern die ſie angehende Befehle bekant zu machen, ihnen ſonſt vorzuſchreiben und vor ſie gut zu ſagen hat, ſo wie dieſe Untergebne ihre Anliegen zuerſt unmittelbar an die Kumi Gasjira zu bringen haben. Auch unter die- ſen ſind zwei Ninbans, welche gleichfals jaͤhrlich in ihrem Amte abwechſeln, und den Nin- bans der Ko Gasjira als Gehuͤlfen beiſtehn muͤſſen. Der uͤbrige gemeine Haufe dieſer haͤuslichen Dolmetſcher iſt noch wohl achtzig bis hundert Mann ſtark und beſteht aus Perſonen von doppeltem Range. Die vom erſten hei- ßen Dſio d. i. Vornehmere, welche den Vorzug und hoͤhern Gehalt haben, als der Reſt dieſes

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/107>, abgerufen am 29.03.2024.