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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht. Es ist zu bemerken, daß der Mensch nur durch Menschen erzogen wird, durch Menschen, die ebenfalls erzogen sind. Daher macht auch Mangel an Disciplin und Unterweisung bey einigen Menschen sie wieder zu schlechten Erziehern ihrer Zöglinge. Wenn einmal ein Wesen höherer Art sich unserer Erziehung annähme, so würde man doch sehen, was aus dem Menschen werden könne. Da die Erziehung aber, theils den Menschen einiges lehrt, theils einiges auch nur bey ihm entwickelt: so kann man nicht wissen, wie weit bey ihm die Naturanlagen gehen. Würde hier wenigstens ein Experiment durch Unterstützung der Großen, und durch die vereinigten Kräfte Vieler gemacht: so würde auch das schon uns Aufschlüsse darüber geben, wie weit es der Mensch etwa zu bringen vermöge. Aber es ist für den spekulativen Kopf eine eben so wichtige, als für den Menschenfreund eine traurige Bemerkung, zu sehen, wie die Großen meistens nur immer für sich sorgen, und nicht an dem wichtigen Experimente der Erziehung in der Art Theil nehmen, daß die Natur einen Schritt näher zur Vollkommenheit thue.

brillen. Dabey müßte denn aber noch erst ausgemittelt werden, wieviel davon auf Rechnung der veränderten Lebensart kommt, die nicht ohne Würkung auf eine noch unvollendete Organisation, auf ein noch nicht völlig ausgebildetes Thier bleiben kann. Das hier von den Sperlingen Gesagte gilt auch nur mit Einschränkung. Nie wird man seinen Gesang für den eines würklichen Kanarienvogels zu nehmen im Stande seyn. Naturam furca expellas, et tamen usque recurrit. Selbst bey den Blendlingen einer Vogelrace treten merkliche Verschiedenheiten ein. S. Girtauner S. 341.
d. H.

Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht. Es ist zu bemerken, daß der Mensch nur durch Menschen erzogen wird, durch Menschen, die ebenfalls erzogen sind. Daher macht auch Mangel an Disciplin und Unterweisung bey einigen Menschen sie wieder zu schlechten Erziehern ihrer Zöglinge. Wenn einmal ein Wesen höherer Art sich unserer Erziehung annähme, so würde man doch sehen, was aus dem Menschen werden könne. Da die Erziehung aber, theils den Menschen einiges lehrt, theils einiges auch nur bey ihm entwickelt: so kann man nicht wissen, wie weit bey ihm die Naturanlagen gehen. Würde hier wenigstens ein Experiment durch Unterstützung der Großen, und durch die vereinigten Kräfte Vieler gemacht: so würde auch das schon uns Aufschlüsse darüber geben, wie weit es der Mensch etwa zu bringen vermöge. Aber es ist für den spekulativen Kopf eine eben so wichtige, als für den Menschenfreund eine traurige Bemerkung, zu sehen, wie die Großen meistens nur immer für sich sorgen, und nicht an dem wichtigen Experimente der Erziehung in der Art Theil nehmen, daß die Natur einen Schritt näher zur Vollkommenheit thue.

brillen. Dabey müßte denn aber noch erst ausgemittelt werden, wieviel davon auf Rechnung der veränderten Lebensart kommt, die nicht ohne Würkung auf eine noch unvollendete Organisation, auf ein noch nicht völlig ausgebildetes Thier bleiben kann. Das hier von den Sperlingen Gesagte gilt auch nur mit Einschränkung. Nie wird man seinen Gesang für den eines würklichen Kanarienvogels zu nehmen im Stande seyn. Naturam furca expellas, et tamen usque recurrit. Selbst bey den Blendlingen einer Vogelrace treten merkliche Verschiedenheiten ein. S. Girtauner S. 341.
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[11/0011] Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht. Es ist zu bemerken, daß der Mensch nur durch Menschen erzogen wird, durch Menschen, die ebenfalls erzogen sind. Daher macht auch Mangel an Disciplin und Unterweisung bey einigen Menschen sie wieder zu schlechten Erziehern ihrer Zöglinge. Wenn einmal ein Wesen höherer Art sich unserer Erziehung annähme, so würde man doch sehen, was aus dem Menschen werden könne. Da die Erziehung aber, theils den Menschen einiges lehrt, theils einiges auch nur bey ihm entwickelt: so kann man nicht wissen, wie weit bey ihm die Naturanlagen gehen. Würde hier wenigstens ein Experiment durch Unterstützung der Großen, und durch die vereinigten Kräfte Vieler gemacht: so würde auch das schon uns Aufschlüsse darüber geben, wie weit es der Mensch etwa zu bringen vermöge. Aber es ist für den spekulativen Kopf eine eben so wichtige, als für den Menschenfreund eine traurige Bemerkung, zu sehen, wie die Großen meistens nur immer für sich sorgen, und nicht an dem wichtigen Experimente der Erziehung in der Art Theil nehmen, daß die Natur einen Schritt näher zur Vollkommenheit thue. *) *) brillen. Dabey müßte denn aber noch erst ausgemittelt werden, wieviel davon auf Rechnung der veränderten Lebensart kommt, die nicht ohne Würkung auf eine noch unvollendete Organisation, auf ein noch nicht völlig ausgebildetes Thier bleiben kann. Das hier von den Sperlingen Gesagte gilt auch nur mit Einschränkung. Nie wird man seinen Gesang für den eines würklichen Kanarienvogels zu nehmen im Stande seyn. Naturam furca expellas, et tamen usque recurrit. Selbst bey den Blendlingen einer Vogelrace treten merkliche Verschiedenheiten ein. S. Girtauner S. 341. d. H.

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/11>, abgerufen am 28.03.2024.