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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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I. Th. I. B. I. Hauptst. Von den Grundsätzen
gen müsse, (der freylich aber nur die Gelehrten treffen
würde,) das will jeden selbst beurtheilen lassen.

Was nun meine Bearbeitung in der Critik der
reinen Vernunft betrifft, die zwar durch jene Humische
Zweifellehre veranlaßt ward, doch viel weiter ging, und
das ganze Feld der reinen theoretischen Vernunft im syn-
thetischen Gebrauche, mithin auch desjenigen, was
man Metaphysik überhaupt nennt, befassete: so verfuhr
ich, in Ansehung der den Begriff der Causalität be-
treffenden Zweifel des schottischen Philosophen, auf
folgende Art. Daß Hume, wenn er (wie es doch
auch fast überall geschieht,) die Gegenstände der Er-
fahrung für Dinge an sich selbst nahm, den Begriff
der Ursache für trüglich und falsches Blendwerk erklär-
te, daran that er ganz recht; denn von Dingen an sich
selbst und deren Bestimmungen als solchen kann nicht
eingesehen werden, wie darum, weil etwas A gesetzt
wird, etwas anderes B auch nothwendig gesetzt wer-
den müsse, und also konnte er eine solche Erkenntniß
a priori von Dingen an sich selbst gar nicht einräumen.
Einen empirischen Ursprung dieses Begriffs konnte der
scharfsinnige Mann noch weniger verstatten, weil dieser
geradezu der Nothwendigkeit der Verknüpfung wider-
spricht, welche das Wesentliche des Begriffs der Cau-
salität ausmacht; mithin ward der Begriff in die Acht
erklärt, und in seine Stelle trat die Gewohnheit im Be-
obachten des Laufs der Wahrnehmungen.

Aus

I. Th. I. B. I. Hauptſt. Von den Grundſaͤtzen
gen muͤſſe, (der freylich aber nur die Gelehrten treffen
wuͤrde,) das will jeden ſelbſt beurtheilen laſſen.

Was nun meine Bearbeitung in der Critik der
reinen Vernunft betrifft, die zwar durch jene Humiſche
Zweifellehre veranlaßt ward, doch viel weiter ging, und
das ganze Feld der reinen theoretiſchen Vernunft im ſyn-
thetiſchen Gebrauche, mithin auch desjenigen, was
man Metaphyſik uͤberhaupt nennt, befaſſete: ſo verfuhr
ich, in Anſehung der den Begriff der Cauſalitaͤt be-
treffenden Zweifel des ſchottiſchen Philoſophen, auf
folgende Art. Daß Hume, wenn er (wie es doch
auch faſt uͤberall geſchieht,) die Gegenſtaͤnde der Er-
fahrung fuͤr Dinge an ſich ſelbſt nahm, den Begriff
der Urſache fuͤr truͤglich und falſches Blendwerk erklaͤr-
te, daran that er ganz recht; denn von Dingen an ſich
ſelbſt und deren Beſtimmungen als ſolchen kann nicht
eingeſehen werden, wie darum, weil etwas A geſetzt
wird, etwas anderes B auch nothwendig geſetzt wer-
den muͤſſe, und alſo konnte er eine ſolche Erkenntniß
a priori von Dingen an ſich ſelbſt gar nicht einraͤumen.
Einen empiriſchen Urſprung dieſes Begriffs konnte der
ſcharfſinnige Mann noch weniger verſtatten, weil dieſer
geradezu der Nothwendigkeit der Verknuͤpfung wider-
ſpricht, welche das Weſentliche des Begriffs der Cau-
ſalitaͤt ausmacht; mithin ward der Begriff in die Acht
erklaͤrt, und in ſeine Stelle trat die Gewohnheit im Be-
obachten des Laufs der Wahrnehmungen.

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[92/0100] I. Th. I. B. I. Hauptſt. Von den Grundſaͤtzen gen muͤſſe, (der freylich aber nur die Gelehrten treffen wuͤrde,) das will jeden ſelbſt beurtheilen laſſen. Was nun meine Bearbeitung in der Critik der reinen Vernunft betrifft, die zwar durch jene Humiſche Zweifellehre veranlaßt ward, doch viel weiter ging, und das ganze Feld der reinen theoretiſchen Vernunft im ſyn- thetiſchen Gebrauche, mithin auch desjenigen, was man Metaphyſik uͤberhaupt nennt, befaſſete: ſo verfuhr ich, in Anſehung der den Begriff der Cauſalitaͤt be- treffenden Zweifel des ſchottiſchen Philoſophen, auf folgende Art. Daß Hume, wenn er (wie es doch auch faſt uͤberall geſchieht,) die Gegenſtaͤnde der Er- fahrung fuͤr Dinge an ſich ſelbſt nahm, den Begriff der Urſache fuͤr truͤglich und falſches Blendwerk erklaͤr- te, daran that er ganz recht; denn von Dingen an ſich ſelbſt und deren Beſtimmungen als ſolchen kann nicht eingeſehen werden, wie darum, weil etwas A geſetzt wird, etwas anderes B auch nothwendig geſetzt wer- den muͤſſe, und alſo konnte er eine ſolche Erkenntniß a priori von Dingen an ſich ſelbſt gar nicht einraͤumen. Einen empiriſchen Urſprung dieſes Begriffs konnte der ſcharfſinnige Mann noch weniger verſtatten, weil dieſer geradezu der Nothwendigkeit der Verknuͤpfung wider- ſpricht, welche das Weſentliche des Begriffs der Cau- ſalitaͤt ausmacht; mithin ward der Begriff in die Acht erklaͤrt, und in ſeine Stelle trat die Gewohnheit im Be- obachten des Laufs der Wahrnehmungen. Aus

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/100>, abgerufen am 25.04.2024.