Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

der reinen practischen Vernunft.
gleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empirisch-be-
stimmbare Daseyn des Menschen in der Zeit und das
Ganze aller Zwecke (welches allein solchen unbedingten
practischen Gesetzen, als das moralische, angemessen ist,)
unter sich hat. Es ist nichts anders als die Persön-
lichkeit,
d. i. die Freyheit und Unabhängigkeit von dem
Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als ein
Vermögen eines Wesens betrachtet, welches eigenthüm-
lichen, nemlich von seiner eigenen Vernunft gegebenen
reinen practischen Gesetzen die Person also, als zur Sin-
nenwelt gehörig, ihrer eigenen Persönlichkeit unterwor-
fen ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt ge-
hört; da es denn nicht zu verwundern ist, wenn der
Mensch, als zu beiden Welten gehörig, sein eigenes
Wesen, in Beziehung auf seine zweyte und höchste Be-
stimmung, nicht anders, als mit Verehrung und die
Gesetze derselben mit der höchsten Achtung betrachten
muß.

Auf diesen Ursprung gründen sich nun manche
Ausdrücke, welche den Werth der Gegenstände nach
moralischen Ideen bezeichnen. Das moralische Gesetz
ist heilig (unverletzlich). Der Mensch ist zwar unhei-
lig genug, aber die Menschheit in seiner Person muß
ihm heilig seyn. In der ganzen Schöpfung kann al-
les, was man will, und worüber man etwas vermag,
auch blos als Mittel gebraucht werden; nur der
Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf, ist

Zweck

der reinen practiſchen Vernunft.
gleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empiriſch-be-
ſtimmbare Daſeyn des Menſchen in der Zeit und das
Ganze aller Zwecke (welches allein ſolchen unbedingten
practiſchen Geſetzen, als das moraliſche, angemeſſen iſt,)
unter ſich hat. Es iſt nichts anders als die Perſoͤn-
lichkeit,
d. i. die Freyheit und Unabhaͤngigkeit von dem
Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als ein
Vermoͤgen eines Weſens betrachtet, welches eigenthuͤm-
lichen, nemlich von ſeiner eigenen Vernunft gegebenen
reinen practiſchen Geſetzen die Perſon alſo, als zur Sin-
nenwelt gehoͤrig, ihrer eigenen Perſoͤnlichkeit unterwor-
fen iſt, ſo fern ſie zugleich zur intelligibelen Welt ge-
hoͤrt; da es denn nicht zu verwundern iſt, wenn der
Menſch, als zu beiden Welten gehoͤrig, ſein eigenes
Weſen, in Beziehung auf ſeine zweyte und hoͤchſte Be-
ſtimmung, nicht anders, als mit Verehrung und die
Geſetze derſelben mit der hoͤchſten Achtung betrachten
muß.

Auf dieſen Urſprung gruͤnden ſich nun manche
Ausdruͤcke, welche den Werth der Gegenſtaͤnde nach
moraliſchen Ideen bezeichnen. Das moraliſche Geſetz
iſt heilig (unverletzlich). Der Menſch iſt zwar unhei-
lig genug, aber die Menſchheit in ſeiner Perſon muß
ihm heilig ſeyn. In der ganzen Schoͤpfung kann al-
les, was man will, und woruͤber man etwas vermag,
auch blos als Mittel gebraucht werden; nur der
Menſch, und mit ihm jedes vernuͤnftige Geſchoͤpf, iſt

Zweck
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0163" n="155"/><fw place="top" type="header">der reinen practi&#x017F;chen Vernunft.</fw><lb/>
gleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empiri&#x017F;ch-be-<lb/>
&#x017F;timmbare Da&#x017F;eyn des Men&#x017F;chen in der Zeit und das<lb/>
Ganze aller Zwecke (welches allein &#x017F;olchen unbedingten<lb/>
practi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzen, als das morali&#x017F;che, angeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t,)<lb/>
unter &#x017F;ich hat. Es i&#x017F;t nichts anders als die <hi rendition="#fr">Per&#x017F;o&#x0364;n-<lb/>
lichkeit,</hi> d. i. die Freyheit und Unabha&#x0364;ngigkeit von dem<lb/>
Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als ein<lb/>
Vermo&#x0364;gen eines We&#x017F;ens betrachtet, welches eigenthu&#x0364;m-<lb/>
lichen, nemlich von &#x017F;einer eigenen Vernunft gegebenen<lb/>
reinen practi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzen die Per&#x017F;on al&#x017F;o, als zur Sin-<lb/>
nenwelt geho&#x0364;rig, ihrer eigenen Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit unterwor-<lb/>
fen i&#x017F;t, &#x017F;o fern &#x017F;ie zugleich zur intelligibelen Welt ge-<lb/>
ho&#x0364;rt; da es denn nicht zu verwundern i&#x017F;t, wenn der<lb/>
Men&#x017F;ch, als zu beiden Welten geho&#x0364;rig, &#x017F;ein eigenes<lb/>
We&#x017F;en, in Beziehung auf &#x017F;eine zweyte und ho&#x0364;ch&#x017F;te Be-<lb/>
&#x017F;timmung, nicht anders, als mit Verehrung und die<lb/>
Ge&#x017F;etze der&#x017F;elben mit der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Achtung betrachten<lb/>
muß.</p><lb/>
            <p>Auf die&#x017F;en Ur&#x017F;prung gru&#x0364;nden &#x017F;ich nun manche<lb/>
Ausdru&#x0364;cke, welche den Werth der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde nach<lb/>
morali&#x017F;chen Ideen bezeichnen. Das morali&#x017F;che Ge&#x017F;etz<lb/>
i&#x017F;t <hi rendition="#fr">heilig</hi> (unverletzlich). Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t zwar unhei-<lb/>
lig genug, aber die <hi rendition="#fr">Men&#x017F;chheit</hi> in &#x017F;einer Per&#x017F;on muß<lb/>
ihm heilig &#x017F;eyn. In der ganzen Scho&#x0364;pfung kann al-<lb/>
les, was man will, und woru&#x0364;ber man etwas vermag,<lb/>
auch <hi rendition="#fr">blos als Mittel</hi> gebraucht werden; nur der<lb/>
Men&#x017F;ch, und mit ihm jedes vernu&#x0364;nftige Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Zweck</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0163] der reinen practiſchen Vernunft. gleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empiriſch-be- ſtimmbare Daſeyn des Menſchen in der Zeit und das Ganze aller Zwecke (welches allein ſolchen unbedingten practiſchen Geſetzen, als das moraliſche, angemeſſen iſt,) unter ſich hat. Es iſt nichts anders als die Perſoͤn- lichkeit, d. i. die Freyheit und Unabhaͤngigkeit von dem Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als ein Vermoͤgen eines Weſens betrachtet, welches eigenthuͤm- lichen, nemlich von ſeiner eigenen Vernunft gegebenen reinen practiſchen Geſetzen die Perſon alſo, als zur Sin- nenwelt gehoͤrig, ihrer eigenen Perſoͤnlichkeit unterwor- fen iſt, ſo fern ſie zugleich zur intelligibelen Welt ge- hoͤrt; da es denn nicht zu verwundern iſt, wenn der Menſch, als zu beiden Welten gehoͤrig, ſein eigenes Weſen, in Beziehung auf ſeine zweyte und hoͤchſte Be- ſtimmung, nicht anders, als mit Verehrung und die Geſetze derſelben mit der hoͤchſten Achtung betrachten muß. Auf dieſen Urſprung gruͤnden ſich nun manche Ausdruͤcke, welche den Werth der Gegenſtaͤnde nach moraliſchen Ideen bezeichnen. Das moraliſche Geſetz iſt heilig (unverletzlich). Der Menſch iſt zwar unhei- lig genug, aber die Menſchheit in ſeiner Perſon muß ihm heilig ſeyn. In der ganzen Schoͤpfung kann al- les, was man will, und woruͤber man etwas vermag, auch blos als Mittel gebraucht werden; nur der Menſch, und mit ihm jedes vernuͤnftige Geſchoͤpf, iſt Zweck

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/163
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/163>, abgerufen am 19.04.2024.