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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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I. Th. I. B. III. Hauptst. Von den Triebfedern
Denn weil es reine Vernunft ist, die hier in ihrem
practischen Gebrauche, mithin von Grundsätzen a priori
und nicht von empirischen Bestimmungsgründen ausge-
hend, betrachtet wird: so wird die Eintheilung der Ana-
lytik der r. pr. V. der eines Vernunftschlusses ähnlich
ausfallen müssen, nemlich vom Allgemeinen im Ober-
satze
(dem moralischen Princip), durch eine im Unter-
satze
vorgenommene Subsumtion möglicher Handlungen
(als guter oder böser) unter jenen, zu dem Schlußsa-
tze,
nemlich der subjectiven Willensbestimmung (einem
Interesse an dem practisch - möglichen Guten und der
darauf gegründeten Maxime) fortgehend. Demjeni-
gen, der sich von den in der Analytik vorkommenden
Sätzen hat überzeugen können, werden solche Verglei-
chungen Vergnügen machen; denn sie veranlassen mit
Recht die Erwartung, es vielleicht dereinst bis zur Ein-
sicht der Einheit des ganzen reinen Vernunftvermögens
(des theoretischen sowol als practischen) bringen, und
alles aus einem Princip ableiten zu können; welches
das unvermeidliche Bedürfniß der menschlichen Vernunft
ist, die nur in einer vollständig systematischen Einheit
ihrer Erkenntnisse völlige Zufriedenheit findet.

Betrachten wir nun aber auch den Inhalt der Er-
kenntniß, die wir von einer reinen practischen Vernunft,
und durch dieselbe, haben können, so wie ihn die Analy-
tik derselben darlegt, so finden sich, bey einer merkwür-
digen Analogie zwischen ihr und der theoretischen, nicht

weni-

I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern
Denn weil es reine Vernunft iſt, die hier in ihrem
practiſchen Gebrauche, mithin von Grundſaͤtzen a priori
und nicht von empiriſchen Beſtimmungsgruͤnden ausge-
hend, betrachtet wird: ſo wird die Eintheilung der Ana-
lytik der r. pr. V. der eines Vernunftſchluſſes aͤhnlich
ausfallen muͤſſen, nemlich vom Allgemeinen im Ober-
ſatze
(dem moraliſchen Princip), durch eine im Unter-
ſatze
vorgenommene Subſumtion moͤglicher Handlungen
(als guter oder boͤſer) unter jenen, zu dem Schlußſa-
tze,
nemlich der ſubjectiven Willensbeſtimmung (einem
Intereſſe an dem practiſch - moͤglichen Guten und der
darauf gegruͤndeten Maxime) fortgehend. Demjeni-
gen, der ſich von den in der Analytik vorkommenden
Saͤtzen hat uͤberzeugen koͤnnen, werden ſolche Verglei-
chungen Vergnuͤgen machen; denn ſie veranlaſſen mit
Recht die Erwartung, es vielleicht dereinſt bis zur Ein-
ſicht der Einheit des ganzen reinen Vernunftvermoͤgens
(des theoretiſchen ſowol als practiſchen) bringen, und
alles aus einem Princip ableiten zu koͤnnen; welches
das unvermeidliche Beduͤrfniß der menſchlichen Vernunft
iſt, die nur in einer vollſtaͤndig ſyſtematiſchen Einheit
ihrer Erkenntniſſe voͤllige Zufriedenheit findet.

Betrachten wir nun aber auch den Inhalt der Er-
kenntniß, die wir von einer reinen practiſchen Vernunft,
und durch dieſelbe, haben koͤnnen, ſo wie ihn die Analy-
tik derſelben darlegt, ſo finden ſich, bey einer merkwuͤr-
digen Analogie zwiſchen ihr und der theoretiſchen, nicht

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[162/0170] I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern Denn weil es reine Vernunft iſt, die hier in ihrem practiſchen Gebrauche, mithin von Grundſaͤtzen a priori und nicht von empiriſchen Beſtimmungsgruͤnden ausge- hend, betrachtet wird: ſo wird die Eintheilung der Ana- lytik der r. pr. V. der eines Vernunftſchluſſes aͤhnlich ausfallen muͤſſen, nemlich vom Allgemeinen im Ober- ſatze (dem moraliſchen Princip), durch eine im Unter- ſatze vorgenommene Subſumtion moͤglicher Handlungen (als guter oder boͤſer) unter jenen, zu dem Schlußſa- tze, nemlich der ſubjectiven Willensbeſtimmung (einem Intereſſe an dem practiſch - moͤglichen Guten und der darauf gegruͤndeten Maxime) fortgehend. Demjeni- gen, der ſich von den in der Analytik vorkommenden Saͤtzen hat uͤberzeugen koͤnnen, werden ſolche Verglei- chungen Vergnuͤgen machen; denn ſie veranlaſſen mit Recht die Erwartung, es vielleicht dereinſt bis zur Ein- ſicht der Einheit des ganzen reinen Vernunftvermoͤgens (des theoretiſchen ſowol als practiſchen) bringen, und alles aus einem Princip ableiten zu koͤnnen; welches das unvermeidliche Beduͤrfniß der menſchlichen Vernunft iſt, die nur in einer vollſtaͤndig ſyſtematiſchen Einheit ihrer Erkenntniſſe voͤllige Zufriedenheit findet. Betrachten wir nun aber auch den Inhalt der Er- kenntniß, die wir von einer reinen practiſchen Vernunft, und durch dieſelbe, haben koͤnnen, ſo wie ihn die Analy- tik derſelben darlegt, ſo finden ſich, bey einer merkwuͤr- digen Analogie zwiſchen ihr und der theoretiſchen, nicht weni-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/170>, abgerufen am 28.03.2024.