Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. I. B. III. Hauptst. Von den Triebfedern
ckelt, gesehen, man mag nun das Subject, in welchem
dieser Ablauf geschieht, Avtomaton materiale, da das
Maschinenwesen durch Materie, oder mit Leibnitzen
spirituale, da es durch Vorstellungen betrieben wird,
nennen, und wenn die Freyheit unseres Willens keine
andere als die letztere (etwa die psychologische und
comparative, nicht transscendentale d. i. absolute zu-
gleich) wäre, so würde sie im Grunde nichts besser,
als die Freyheit eines Bratenwenders seyn, der auch,
wenn er einmal aufgezogen worden, von selbst seine
Bewegungen verrichtet.

Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen
Naturmechanismus und Freyheit in ein und derselben
Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß
man sich an das erinnern, was in der Critik der reinen
Vernunft gesagt war, oder daraus folgt: daß die Na-
turnothwendigkeit, welche mit der Freyheit des Sub-
jects nicht zusammen bestehen kann, blos den Be-
stimmungen desjenigen Dinges anhängt, das unter
Zeitbedingungen steht, folglich nur dem des handeln-
den Subjects als Erscheinung, daß also so fern die Be-
stimmungsgründe einer jeden Handlung desselben in dem-
jenigen liegen, was zur vergangenen Zeit gehört, und
nicht mehr in seiner Gewalt ist, (wozu auch seine
schon begangene Thaten, und der ihm dadurch be-
stimmbare Character in seinen eigenen Augen, als
Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendas-

selbe

I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern
ckelt, geſehen, man mag nun das Subject, in welchem
dieſer Ablauf geſchieht, Avtomaton materiale, da das
Maſchinenweſen durch Materie, oder mit Leibnitzen
ſpirituale, da es durch Vorſtellungen betrieben wird,
nennen, und wenn die Freyheit unſeres Willens keine
andere als die letztere (etwa die pſychologiſche und
comparative, nicht transſcendentale d. i. abſolute zu-
gleich) waͤre, ſo wuͤrde ſie im Grunde nichts beſſer,
als die Freyheit eines Bratenwenders ſeyn, der auch,
wenn er einmal aufgezogen worden, von ſelbſt ſeine
Bewegungen verrichtet.

Um nun den ſcheinbaren Widerſpruch zwiſchen
Naturmechanismus und Freyheit in ein und derſelben
Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß
man ſich an das erinnern, was in der Critik der reinen
Vernunft geſagt war, oder daraus folgt: daß die Na-
turnothwendigkeit, welche mit der Freyheit des Sub-
jects nicht zuſammen beſtehen kann, blos den Be-
ſtimmungen desjenigen Dinges anhaͤngt, das unter
Zeitbedingungen ſteht, folglich nur dem des handeln-
den Subjects als Erſcheinung, daß alſo ſo fern die Be-
ſtimmungsgruͤnde einer jeden Handlung deſſelben in dem-
jenigen liegen, was zur vergangenen Zeit gehoͤrt, und
nicht mehr in ſeiner Gewalt iſt, (wozu auch ſeine
ſchon begangene Thaten, und der ihm dadurch be-
ſtimmbare Character in ſeinen eigenen Augen, als
Phaͤnomens, gezaͤhlt werden muͤſſen). Aber ebendaſ-

ſelbe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0182" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> B. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t. Von den Triebfedern</fw><lb/>
ckelt, ge&#x017F;ehen, man mag nun das Subject, in welchem<lb/>
die&#x017F;er Ablauf ge&#x017F;chieht, <hi rendition="#aq">Avtomaton materiale</hi>, da das<lb/>
Ma&#x017F;chinenwe&#x017F;en durch Materie, oder mit Leibnitzen<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;pirituale,</hi> da es durch Vor&#x017F;tellungen betrieben wird,<lb/>
nennen, und wenn die Freyheit un&#x017F;eres Willens keine<lb/>
andere als die letztere (etwa die p&#x017F;ychologi&#x017F;che und<lb/>
comparative, nicht trans&#x017F;cendentale d. i. ab&#x017F;olute zu-<lb/>
gleich) wa&#x0364;re, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie im Grunde nichts be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
als die Freyheit eines Bratenwenders &#x017F;eyn, der auch,<lb/>
wenn er einmal aufgezogen worden, von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Bewegungen verrichtet.</p><lb/>
              <p>Um nun den &#x017F;cheinbaren Wider&#x017F;pruch zwi&#x017F;chen<lb/>
Naturmechanismus und Freyheit in ein und der&#x017F;elben<lb/>
Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß<lb/>
man &#x017F;ich an das erinnern, was in der Critik der reinen<lb/>
Vernunft ge&#x017F;agt war, oder daraus folgt: daß die Na-<lb/>
turnothwendigkeit, welche mit der Freyheit des Sub-<lb/>
jects nicht zu&#x017F;ammen be&#x017F;tehen kann, blos den Be-<lb/>
&#x017F;timmungen desjenigen Dinges anha&#x0364;ngt, das unter<lb/>
Zeitbedingungen &#x017F;teht, folglich nur dem des handeln-<lb/>
den Subjects als Er&#x017F;cheinung, daß al&#x017F;o &#x017F;o fern die Be-<lb/>
&#x017F;timmungsgru&#x0364;nde einer jeden Handlung de&#x017F;&#x017F;elben in dem-<lb/>
jenigen liegen, was zur vergangenen Zeit geho&#x0364;rt, und<lb/><hi rendition="#fr">nicht mehr in &#x017F;einer Gewalt i&#x017F;t,</hi> (wozu auch &#x017F;eine<lb/>
&#x017F;chon begangene Thaten, und der ihm dadurch be-<lb/>
&#x017F;timmbare Character in &#x017F;einen eigenen Augen, als<lb/>
Pha&#x0364;nomens, geza&#x0364;hlt werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en). Aber ebenda&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elbe</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0182] I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern ckelt, geſehen, man mag nun das Subject, in welchem dieſer Ablauf geſchieht, Avtomaton materiale, da das Maſchinenweſen durch Materie, oder mit Leibnitzen ſpirituale, da es durch Vorſtellungen betrieben wird, nennen, und wenn die Freyheit unſeres Willens keine andere als die letztere (etwa die pſychologiſche und comparative, nicht transſcendentale d. i. abſolute zu- gleich) waͤre, ſo wuͤrde ſie im Grunde nichts beſſer, als die Freyheit eines Bratenwenders ſeyn, der auch, wenn er einmal aufgezogen worden, von ſelbſt ſeine Bewegungen verrichtet. Um nun den ſcheinbaren Widerſpruch zwiſchen Naturmechanismus und Freyheit in ein und derſelben Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß man ſich an das erinnern, was in der Critik der reinen Vernunft geſagt war, oder daraus folgt: daß die Na- turnothwendigkeit, welche mit der Freyheit des Sub- jects nicht zuſammen beſtehen kann, blos den Be- ſtimmungen desjenigen Dinges anhaͤngt, das unter Zeitbedingungen ſteht, folglich nur dem des handeln- den Subjects als Erſcheinung, daß alſo ſo fern die Be- ſtimmungsgruͤnde einer jeden Handlung deſſelben in dem- jenigen liegen, was zur vergangenen Zeit gehoͤrt, und nicht mehr in ſeiner Gewalt iſt, (wozu auch ſeine ſchon begangene Thaten, und der ihm dadurch be- ſtimmbare Character in ſeinen eigenen Augen, als Phaͤnomens, gezaͤhlt werden muͤſſen). Aber ebendaſ- ſelbe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/182
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/182>, abgerufen am 24.04.2024.